James Cridland: „Ich habe jede Menge Podcasts gehört – und das daraus gelernt“

James Cridland's Radio Futrure

Als Jurymitglied vergebe ich sehr viele Preise. Das kann ich nur weiterempfehlen, denn es hat einen ganz nützlichen Nebeneffekt. Man ist gezwungen, Dinge zu hören, die man normalerweise nicht hören würde und bekommt damit einen neuen Blickwinkel in einem bestimmten Sektor oder Markt.

Für mich ist das besonders interessant, weil ich gar kein Radio mehr mache. Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr on air (obwohl ich es gerne wieder wäre); auch musste ich mich seit vielen Jahren nicht mehr hinsetzen und irgendwelche Sendungen produzieren. Also höre ich diese Sachen als Hörer – nicht als Produzent oder Programmgestalter.

Dieses Mal habe ich eine Reihe von Podcasts beurteilt. Naturgemäß bedeutet das, dass man eine breite Palette von Dingen hört – jeder kann nämlich einen Podcast aufnehmen (ich meine, wirklich jeder). Das heißt, man hört sie von etablierten Sendern ebenso wie von Menschen, die ganz neu in diesem Metier sind.

BBC-Podcasts (Foto: James Cridland)
BBC-Podcasts (Foto: James Cridland)

Einiges von dem, was ich gehört habe, war eine Enttäuschung. Wenn man jemals irgendwelche Radiopreise vergeben hat – ja, Podcasting ist Radio – dann wird man verstehen können, was ich meine. Die Qualität der Beiträge, die Sie hören, kann Sie schnell entmutigen. Manchmal freut man sich darauf, einen bestimmten Beitrag beurteilen zu können und ihn letztlich vielleicht sogar als „Leckerbissen“ preisen zu können – nur um entdecken zu müssen, dass er an keiner Stelle so gut ist wie man gedacht hatte.

Das Gegenteil ist natürlich wahr. Man kann manchmal anhand der Beschreibungen und Übersicht den Eindruck haben, dass der Audiobeitrag, den man zu hören bekommt, mittelmäßig sein wird – um dann von der Qualität umgehauen zu werden.

 

Ich habe ein paar Muster in den von mir beurteilten Podcasts bemerkt. Da dachte ich, es könnte vielleicht nützlich sein, wenn ich ein paar Beispiele aufführen würde.

Erstens – die Länge.

Wenn es eine, überaus wichtige Sache gäbe, an die ich Podcast-Produzenten gerne erinnern würde, ist es die Länge. Länger bedeutet nämlich nicht besser. Geben Sie Ihrem Podcast die Länge, die er unbedingt haben muss. Nicht mehr, nicht weniger. Dann kürze es! Rücksichtslos! Einen Eins-zu-eins-Interview-Podcast mit fast zwei Stunden Länge zuzumuten – ja, ich habe so einen hören müssen – bedeutet entweder

a) die zeitliche Inanspruchnahme des Publikums schert Sie einen Dreck, was auf Dummheit schließen lässt;

b) Sie wissen nicht, wie man Audio bearbeiten muss, was bedeutet, dass Sie dumm sind – oder

c) Sie wollen gar nicht, dass Leute es hören, was ebenfalls Dummheit voraussetzt.

Seien Sie nicht dumm! Wenn Sie sich fragen, was nun die richtige Länge für einen Podcast ist, kann ich es Ihnen nicht sagen. Aber wenn Sie sich fragen, was normalerweise die maximale Länge für einen Podcast sein sollte, würde ich Ihnen wahrscheinlich etwa 30 Minuten empfehlen. Das ist der Durchschnittswert in den meisten Ländern. Es gibt gute Gründe, um einen Podcast länger zu machen und ich mag auch ein gut produziertes Interview in voller Länge, aber man riskiert Hörer, die den Podcast abschalten, wenn er diesen durchschnittlichen Wert übersteigt.

Zweitens – Immer wieder bei 0 anfangen und dann nach vorne promoten!

Weil viele Podcasts nicht von Radiomachern produziert werden, sind die Standard-Radio-Tipps verloren gegangen. Ein ausgezeichneter Programmdirektor, für den ich mal gearbeitet habe, sagte mir, dass es meine Aufgabe sei, täglich neuen Zuhörern das Gefühl zu geben, willkommen zu sein – und Gründe zu liefern, dabei zu bleiben. Ihr erster Satz könnte erklären, wie hilfreich dieser Podcast für einen neuen Zuhörer ist und wie er Ihre Marke mit einer aktuellen verstärkt. „In diesem Podcast teilen erfolgreiche Geschäftsleute ihren Erfolg mit Ihnen.“ Wenn es um ein Interview geht, machen Sie mir zunächst den Gast schmackhaft und verraten mir, warum ich bei Ihnen bleiben sollte. „Das war ein wirklich faszinierendes Interview mit Richard Branson und ich denke, es wird Ihnen gefallen“ macht nicht neugierig!“. Sie erfahren, warum Richard Branson nie eine Krawatte trägt – und lernen seine geheime Methode kennen, eine neue Geschäftsmöglichkeit zu entdecken“ könnte mich packen!

Drittens –  Selbstgefälligkeit vermeiden.

Viele Podcasts sind als Hobby zusammengestellt. Ich verstehe das und ja, das Zusammenstellen soll ja auch Spaß machen. Selbstgefälligkeit kann einen zweistündigen Podcast zur Folge haben, Selbstgefälligkeit kann auch zu viel Geplänkel hervorbringen, zu viele Witze, so dass man das Ziel aus den Augen verliert. Ein Podcast, den ich hörte, begann mit einer langen scherzhaften Diskussion darüber, welches Abendessen die Gastgeber am Vorabend hatten. Es war ein TV-Podcast. Autsch!

NPR bietet hier weitere vier Lektionen für Podcaster – basierend auf Daten anstatt meiner eigenen Jagdlust. Sie verraten nicht nur, wie lange ein Podcast sein sollte, sondern auch, wie man einen Podcast gestalten sollte. Von all den Zeilen, die ich auf Twitter verbreite, war es letzte Woche der am meisten geteilte Tweet- aus gutem Grund.

James CridlandDer “Radio-Futurologe” James Cridland beschäftigt sich mit neuen Plattformen und Technologien und ihre Wirkung auf die weltweite Radiobranche. Er spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.cridland.net.