SRG-Bashing in der Schweiz hoch im Kurs

(Titelbild: @ SRG/Christine Blaser)

Von Stefan Grünig (DAB-Swiss)

Momentan ist in Bundesbern gerade wieder einmal kräftiges «SRG-Bashing» angesagt. Dabei nimmt man ohne Rücksicht auf Verluste in Kauf, einer der innovativsten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas die Flügel schmerzhaft zu stutzen und die Hörer einer ganzen Reihe beliebter Spartenprogramme zu berauben. Dieser Gruppierung von Bürgerlichen unterstelle ich, dass dabei wenig Redlichkeit im Spiel ist. Als bürgerlicher Wähler, in früheren Zeiten ebenfalls bürgerlicher Kommunalpolitiker und Befürworter von grosser Vielfalt und Qualität im Äther, kann ich bei solchen, durchschaubaren Ansinnen nur den Kopf schütteln. Es geht einmal mehr nur um das große Geld und darum, dem politischen Gegner eins auszuwischen. So verliert die Politik abermals die Bodenhaftung, die Glaubwürdigkeit und verfolgt ausschliesslich Eigeninteressen. Dieser Schuss könnte bei den Wählern nach hinten losgehen.

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Doch um was geht es eigentlich? Schon länger sind bürgerlichen Kreisen die teilweise doch recht linken Standpunkte der SRG ein Dorn im Auge. Auch mich ärgert dies zwischendurch ein wenig. Es ist jedoch kein Grund, um sich auf Teilbereiche der SRG einzuschiessen. Kommt dazu, dass es die Wirtschaftsvertreter nicht gerne sehen, wenn eine öffentlich-rechtliche, vom Steuerzahler finanzierte Rundfunkanstalt, Programme auf hohem Niveau anbietet und damit die von Werbeeinnahmen abhängigen Privatradios indirekt konkurrenziert. Bei der Abstimmung über das revidierte RTVG im Jahr 2015 hat man zudem hauchdünn verloren und will jetzt zum grossen Gegenschlag ausholen, unter dem Vorwand der Verschleuderung von Gebührengeldern. Konkret geht es um die beantragte Abschaltung der SRG-Programme, Swiss Pop, Swiss Jazz und Swiss Classic, Virus, Musigwälle und Option Musique – allesamt in der Bevölkerung beliebte und breit verankerte Nischenangebote. Für viele waren genau diese Programme DER Grund für eine Umstellung auf’s Digitalradio, DAB+, sie sind sogenannte «DAB-Flagschiffe» schlechthin. Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) in der Schweiz fordert jetzt einem Medienbericht zufolge den Bundesrat auf, die Zahl der Radio-Spartensender der öffentlich-rechtlichen SRG zu senken.

Für Eigeninteressen geht man einmal mehr über Leichen und versucht den Bürger damit zu blenden, dass diese Spartenprogramme reine Verschleuderung von Gebührengeldern seien. Wer jedoch genau hinsieht, erkennt das politische und wirtschaftliche Kalkül und lässt sich davon nicht blenden. Die SRG-Spartenprogramme abzuschalten wäre ein herber Verlust und wer sich nur ein bisschen mit der Geschichte dieser Angebote befasst, hat dafür auch nur Kopfschütteln übrig.

Swiss Pop, Classic und Jazz sind aus dem Telefonrundspruch entstanden, welcher technologisch nicht mehr mithalten konnte und anno dazumal beispielsweise in Spitälern und anderen öffentlichen Räumen äusserst beliebt war. Die SRF Musigwälle entstand aus dem ehemaligen Mittelwellenangebot von Beromünster und hat die Volksmusik- und Schlagerangebote übernommen, welche von SRF1 ausgelagert wurden, da sie dort zunehmend an den Rand gedrängt wurden, um allen gerecht zu werden. Option Musique ist wohl das einzige Programm in der Schweiz, welches sich auch französischen Chansons widmet, entstanden aus dem Mittelwellenangebot des Senders Sottens. Bleibt da nur noch SRF Virus, welches mit seinem Angebot für eine jüngere Klientel tatsächlich in direkter Konkurrenz zu einigen privaten Anbietern steht. Trotzdem hat auch Virus eine treue Stammhörerschaft aufbauen können. Bis anhin haben die Privatradios, bis auf einige wenige, löbliche Ausnahmen, absolut keine Anstalten gemacht, Angebote von annähernd solcher Qualität ins Leben rufen zu wollen. Zwar hat die ENERGY-Gruppe kürzlich über DAB+ auch eigene Spartensender gestartet, welche jedoch momentan noch eintönige, lieblos zusammengestellte Festplattenmusik spielen (vielleicht hat man damit aber noch weiterführende Pläne, hält diese aber noch bedeckt), Radio Top strahlt mit Top Two ein sehr beliebtes Angebot für Popmusik und Rock aus und FM1 bietet mit Radio Melody über DAB+ ebenfalls ein Spartenprogramm für Schlager und Oldies an. Bei Swiss Pop, Classic und Jazz können die Hörer interaktiv wirken und das Programm so massgebend mitgestalten. Zudem wird vielen, sonst eher unbekannten Schweizer Musikschaffenden eine wertvolle Plattform geboten, während sich die meisten Privatradios komplett dem Mainstream hingeben und in kleinen Rotationen tagtäglich dieselben paar Dutzend aktuellen Hits abspielen.

Was die Initiatoren des Antrages jedoch dabei ganz vergessen, ist, dass sich mehr Wettbewerb für den Konsumenten nicht immer nur positiv auswirkt. Nicht überall kann knallhart das Verursacherprinzip angewandt werden. Es gibt in einer freien Demokratie auch Einrichtungen und Organisationen, welche von der Gemeinschaft getragen werden müssen und sollen. Die einen profitieren mehr davon, die anderen weniger. Das wollen viele Politiker einfach nicht begreifen. Die SRG ist genau eine solche Organisation für eine breite Öffentlichkeit, von welcher eine hohe Qualität, ein attraktives Angebot und auch Nischenprodukte für kleinere Interessensgruppen erwartet werden. Dieser Anforderung entspricht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Schweiz momentan voll und ganz. Es kann nicht sein, dass man nun wieder Rückschritte in die Radiosteinzeit macht, mit einem äusserst begrenzten Angebot. Ich kann nur schwerlich glauben, dass die privaten Anbieter der Schweiz die durch den Wegfall der SRG-Spartenprogramme entstandenen Lücken füllen werden. Zu wenig rentabel sind auf dem Werbemarkt solche Nischenangebote, wie beispielsweise Option Musique. Nein, da wird wohl viel eher in weitere, langweilige Mainstreamprogramme mit seichten Wortbeiträgen investiert. Dank den Gebührengeldern von uns allen kann es eigentlich nur die SRG schaffen, Nischenprogramme anzubieten und diese auch attraktiv zu gestalten. Wollen wir das wirklich auf’s Spiel setzen?

Damit ist das zweischneidige Ansinnen der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) durchschaut und findet hoffentlich im Bundeshaus und in der breiten Öffentlichkeit kein Gehör. Viel sinnvoller ist eine starke, fruchtbare Zusammenarbeit zwischen SRG und Privaten, wie die Umstellung auf DAB+ in der Schweiz eindrücklich bewiesen hat. Ich wage zu behaupten, dass sich die Schweiz ohne die starke Zugkraft der SRG noch immer auf verlorenen, digitalen Posten befinden würde.

In diesem Sinne: PRO SRG-Spartenprogramme und starke Gemeinschaft, CONTRA Polit- und Wirtschaftsspielchen! Hören wir endlich damit auf, auf einem solch’ hohen Niveau zu jammern und lassen wir Angebote laufen, welche sich über Jahre bewährt haben!

(Titelbild: @ SRG/Christine Blaser)

 

Stefan Grunig
Stefan Grunig

Über den Autor:

Stefan Grünig aus der Schweizer Gemeinde Krattigen ist Betreiber der Plattform DAB-Swiss und befasst seit den frühen 90er Jahren intensiv mit dem Thema Schweizer Privatradios. Er arbeitet heute als Kaufmann in der öffentlichen Verwaltung, sowie als freischaffender Naturfotograf.