Neu entflammte DAB-Kampagne: Sie spielen mit dem Tod des Radios

bitter lemmer bigLassen wir die Zahlenhuberei mal beiseite und beschränken uns auf das Wesentliche. Radio ist dasjenige unter den Traditionsmedien, das am wenigsten von den neuen Herausforderern im Internet gebeutelt wird. Das hat einen Grund. Er besteht in der einzigartigen Symbiose zwischen Hardware und Programm. Die neuerdings wieder entflammte Debatte um DAB zielt darauf ab, diese Symbiose zu zerlegen. Für das Mediengenre Radio wäre das tödlich.

Der Vorteil eines Radiogerätes besteht darin, dass es allein für einen Zweck gut ist, nämlich zum Radiohören. Der Vorteil der vielen Radiogeräte in Deutschland besteht wiederum darin, dass die empfangsseitige Infrastruktur zum Radiohören perfekt ausgebaut ist. Jeder, wirklich jeder, hat Radiogeräte. Es gibt vermutlich mehr Radiogeräte als Smartphones, und weder Smartphones noch Computer noch sonstige Neuheiten haben auch nur ansatzweise die Infrastruktur von Radiogeräten ankratzen können.

Man vergißt solche scheinbaren Banalitäten manchmal. Aber die stabile Gerätebasis trägt verlässlich dazu bei, dass das Radio populär ist wie eh und je, und zwar querbeet bei allen Alters- und sonstigen Gruppen. Das ist bei den anderen Medien anders.

  • Das Fernsehen kämpft immer härter mit Streaming-Angeboten aus dem Netz. Apple, Amazon und Google knacken die einst auch beim Fernsehen abgeschottete Empfänger-Struktur. Fernsehgeräte sind heutzutage digital. Sie verschmelzen mit Computern, mit dem Internet und lassen sich simpelst streamingtauglich mache. Die Konkurrenten aus dem Netz machen sich auf den Geräten der TV-Sender breit und tragen den Wettbewerb auf dem Stammplatz aus.
  • Bei Zeitungen sieht die Sache anders aus. Papier ist zwar exklusiv, da kommt kein Google mit drauf. Aber Papier ist keine Investition. Wer Zeitung lesen will, kauft sein Papier mit jeder Ausgabe neu. Wer eines Tages beschließt, dass er das nicht mehr will, lässt es einfach bleiben – rückstandsfrei, während Fernseh- und Radiogeräte auch nach dem Abschalten in der Wohnung bleiben.

Freunde des DAB mögen einwerfen, dass DAB somit dieselben Vorteile hätte wie analoges UKW. Auch auf DAB-Geräten blieben die Radios ja unter sich. Stimmt, nur hat niemand so ein Gerät. Die Verkaufszahlen von DAB-Geräten sind trotz neuerlich millionenschwerer Kampagnen (bezahlt vom Gebührenzahler) schlicht lächerlich. Letztens las ich, elf Prozent der Radiohörer würden neuerdings „DAB nutzen“, was immer das heißen mag. Wie viele Geräte verkauft werden, wie messbar relevant sie wirklich sind, darüber schweigen die DAB-Lobbyisten aus gutem Grund.

Mehr als 30 Jahre geht das jetzt so. Und in dieser Zeit waren alle möglichen völlig unterschiedlichen Gründe zu hören, warum DAB so toll sein sollte. Aktuell heißt es von CSU bis Deutschlandradio, Radio habe keine Zukunft, wenn es nicht digital werde. Aber warum? Kausal begründet wird dieses Argument nie.Tatsächlich ist es auch kein Argument, sondern eine freischwebende Behauptung ohne kausale Substanz. Was verändert sich denn, wenn das Radio nach Art des DAB digital würde? Die Antwort darauf ist so simpel, dass jeder von allein darauf kommen kann: Nichts. Im Grund bedeutet ihr aktuelles „Argument“, man möge aus keinen Gründen massenhaft neue Geräte kaufen, mit denen man nichts anderes anfangen kann als mit den vorhandenen. Wow!

Warum hört dieser Quatsch nicht einfach auf? Ganz ehrlich, ich weiß es auch nicht. Ich kann nur vermuten. Ich vermute, dass es an zweierlei liegt: Zum einen hatte und hat die Politik ein massives Problem damit, Fehler zuzugeben – etwa den, dass sie mutmaßlich einige hundert Millionen Euro für DAB zweckfrei verbrannt hat. Stattdessen versucht sie, mit Macht und Druck einen Fehlschlag irgendwie doch noch hinzubiegen, koste es, was es wolle (ist ja nicht deren Geld). Und zum zweiten würde der Wegfall von DAB die Gebührenforderung der öffentlich-rechtlichen Sender reduzieren. So lange DAB aber als politisch gewollt angesehen wird, ist es ein Argument, mehr Geld vom Bürger zu verlangen.

Und weiterzumachen mit diesem existenzgefährdenden Unfug.

 

PS. Ich wiederhole mich ungern, aber nach 12 Jahren im Prinzip unveränderter Lage nehme ich mir die Freiheit. Siehe: Bitter Lemmer vom 08.12.2004: DAB-Radio ist tot. Endlich! 

 

Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Kommentar von Christoph Lemmer (Freier Journalist).

E-Mail: christoph@radioszene.de