Privatradios setzen auf digitale Übertragungswege
- Kein Abschalttermin für UKW als wichtigste Geschäftsgrundlage
- Über die Zukunft der Radioübertragung entscheiden die Hörer
Teilnehmer des Privatradios, des Bayerischen Rundfunks sowie aus Medienaufsicht und Politik diskutierten gestern Nachmittag im Münchner Literaturhaus bei der VPRT radio lounge unter dem Titel „Radio auf allen Kanälen“ über die Zukunft der analogen und digitalen Radioverbreitung sowie die Folgen von Cross-Promotion und der Erweiterung von öffentlich-rechtlichen Jugendangeboten für das duale Rundfunksystem.
Im ersten Teil der Veranstaltung, die unter dem Titel „Der Weg zum Hörer: analog, digital? Hauptsache gehört“ stand, stellte Florian Fritsche, Leiter digitale Unternehmensentwicklung Antenne Bayern, die Bedeutung der unterschiedlichen Übertragungswege für einen privaten Radiosender vor. Dabei habe die UKW-Übertragung in den Bereichen Umsatz, Nutzung und Verbreitung mit jeweils über 90 Prozent die mit Abstand größte Bedeutung. Im digitalen Bereich steige insbesondere die Nutzung von IP-Streamingangeboten und beginne, wirtschaftliche Relevanz zu entwickeln. Letztlich müsse Radio aber immer dort sein, wo die Hörer sind, deshalb mache es keinen Sinn, bestimmte Übertragungsstandards durch die Regulierung vorzuschreiben.
Im Anschluss daran diskutierten Thomas Fuchs, Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), der Abteilungsleiter Medien und Internet im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie, Dr. Klaus-Peter Potthast, sowie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Vorsitzende des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VPRT, Klaus Schunk, über die Zukunft der digitalen und UKW-Radionutzung“.
Klaus Schunk bekräftigte die Bedeutung von UKW für das aktuelle Geschäftsmodell der privaten Radiosender: „Die Privatradios sind bereits heute digital auf allen Wegen vertreten. Trotzdem darf die UKW-Verbreitung nicht in Frage gestellt werden, schon gar nicht durch ein konkretes Umschaltdatum. Sie ist auch in absehbarer Zukunft mit Abstand die Grundlage unseres Geschäftsmodells. Die Privaten haben keine Vorbehalte gegenüber DAB+ und sind digital dort, wo die Hörer sind.“ Schunk betonte, dass DAB+ nur einer von vielen digitalen Übertragungswegen sei. Er forderte eine gute Auffindbarkeit der Privaten auf den digitalen Plattformen und Übertragungswegen. Diese könnte mit einer digitalen Must-Carry-Regelung für die Privaten sichergestellt werden. Hinsichtlich DAB+ sprach Schunk sich für einen technologieneutralen „Multi-Chip“, also eine Abbildung von Radio auf allen Empfangsgeräten, aus.
Thomas Fuchs unterstrich die Forderungen von Klaus Schunk in wesentlichen Punkten, besonders zur Frage der Auffindbarkeit. Auch er sieht die Grundreichweite der Privatradios perspektivisch vor allem durch UKW abgesichert und sprach sich gegen ein konkretes Abschaltdatum aus. Allerdings brauche das Radio zukünftig einen eigenen digitalen Übertragungsstandard, der derzeit DAB+ sei.
Auch Dr. Klaus-Peter Potthast sprach sich gegen ein konkretes Analog-/Digital-Umschaltdatum aus. Die Politik solle keine Technik festlegen, dies sei Aufgabe der Veranstalter. Er betonte aber die Fortschritte von DAB+ insbesondere in der technischen Versorgung und bei den vorhandenen Endgeräten sowie deren Mehrwert durch zusätzliche Angebote. Für ein Gelingen seien insbesondere stärkere werbliche Aktivitäten für die neuen Digitalangebote erforderlich.
In der Diskussion wurde insbesondere die Frage der Refinanzierung für private Veranstalter thematisiert. Dabei wurde deutlich, dass das Abstellen auf eine Digitalreichweite pro Haushalt z. B. bei DAB+ noch keine Vermarktung ermöglicht, da aufgrund der unterschiedlichen Nutzungssituationen im Radio der Austausch lediglich eines Gerätes nicht ausreiche.
Privatradios brauchen eine radiogerechte Regulierung
- Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Grenzen für öffentlich-rechtliche Crosspromotion im Rundfunkstaatsvertrag verankern
- Diskussion zu UKW-Aufschaltung von BR PULS: Verschiebung auf 2018 darf keinen Automatismus beinhalten
- rechtliche und wirtschaftliche Fragen nach wie ungeklärt „Gegen eine ‚Flottenstrategie‘ mit drei starken BR-UKW-Programmen haben die Privaten in Bayern keine Chance“
Teilnehmer des Privatradios, des Bayerischen Rundfunks sowie aus Medienaufsicht und Politik diskutierten gestern Nachmittag im Münchner Literaturhaus bei der vierten VPRT radio lounge unter dem Titel „Radio auf allen Kanälen“ über die Zukunft der analogen und digitalen Radioverbreitung sowie die Folgen von Cross-Promotion und der Erweiterung von öffentlich-rechtlichen Jugendangeboten für dass duale Rundfunksystem.
Zu Beginn des zweiten Teils der Veranstaltung, die unter dem Titel „(Cross-) Promotion und Verbreitung“ stand, fasste Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Rechtsanwalt und Präsident a.D. der Bayerischen Landesanstalt für neue Medien (BLM), die aktuelle Markt- und Regulierungssituation im Hörfunk in einem Impulsvortrag zusammen: Die aktuelle Regulierung habe nach wie vor vor allem die Fernsehregulierung im Blick. Die Medienpolitik beachte zu wenig die Renaissance des Hörfunks. Die geplante Trimedialität des umstrittenen Jugendkanals und weiterer öffentlich-rechtlicher Angebote dürfe nicht mit crossmedialen Aktivitäten verbunden werden, die dem privaten Rundfunk wettbewerbsrechtlich untersagt oder nicht möglich seien. Hier müssten einschränkende Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag zur crossmedialen Bewerbung wie etwa nach österreichischem Vorbild aufgenommen werden.
Anschließend diskutierten Markus Blume, Medienpolitscher Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Prof. Dr. Christoph Degenhart, Universität Leipzig, Karlheinz Hörhammer, Geschäftsführer Antenne Bayern, Philipp von Martius, Geschäftsführer Studio Gong, Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), und Martin Wagner, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks, unter Moderation von DWDL.de- Chefreporter Torsten Zarges u. a. die geplante UWK-Aufschaltung des digitalen Jugendprogramms BR PULS im Rahmen eines Frequenztausch mit BR-KLASSIK.
Unterschiedlich bewertet wurde die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorhabens. Während Prof. Dr. Degenhart die Ermächtigungsgrundlage im Bayerischen Rundfunkgesetz als Verstoß gegen die anderslautende Regelung im Rundfunkstaatsvertrag sieht, dem als Länderstaatsvertrag verfassungsrechtlich eine übergeordnete Bedeutung zukomme, bewertete Martin Wagner das Bayerische Rundfunkgesetz als die jüngere gesetzliche Grundlage als einschlägig.
Markus Blume betonte, dass die Meinungsbildung zu diesem Thema in der CSU-Landtagsfraktion noch nicht abgeschlossen sei. Er hoffe, dass dieses Thema nicht rechtlich gelöst werden müsse. Eine Verschiebung bis 2018 biete die Möglichkeit, eine Lösung zu suchen, die die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Privaten sowie die des BR zum Ausgleich bringe. Dies könne etwa mit einer Festlegung der Programminhalte von BR PULS erfolgen, die verhindern könnte, dass ein drittes Massenprogramm des BR in Bayern entsteht. Sollte die Digitalisierung der Radioübertragung bis 2018 deutlich voranschreiten, könne sich die Diskussion zudem möglicherweise dadurch relativieren.
Siegfried Schneider wies auf die unterschiedliche Wettbewerbssituation der Privaten und des BR hin: Während der BR seine Programmaufwendungen aus dem Rundfunkbeitrag zur Verfügung gestellt bekomme, müssten die Privaten diese im Markt verdienen können. Zudem seien die Privaten durch eine sehr viel schlechtere Frequenzausstattung benachteiligt. Zu der Diskussion über die Marktrelevanz von DAB+ mahnte Schneider, nicht auf die technische Verfügbarkeit, sondern die tatsächliche Hörernutzung abzustellen.
Martin Wagner betonte die Notwendigkeit für den BR, mehr junge Hörer zu erreichen. Das Hörerdurchschnittsalter des BR liege über 50 Jahren. Der BR müsse BR PULS als „Gebrauchsangebot“ positionieren, das da sei, wo die Hörer sind. „Wer die Hörer nicht hat, hat die Zukunft verloren“, so Wagner. Zudem relativierte er die Sorge vor einem dritten Massenprogramm: BR PULS habe einen sehr hohen Wortanteil und sei nicht im Massenmarkt positioniert.
Diesen Einordnungen widersprachen Karlheinz Hörhammer und Philipp von Martius als Vertreter des privaten Radios in Bayern. Sie betonten die einmalige Situation im bayerischen Radiomarkt, in dem es die bundesweit höchste Radionutzung bei einem praktisch gleich verteilten öffentlich-rechtlichen und privaten Marktanteil gebe. Eine Aufschaltung von BR PULS auf UKW würde dieses Marktgleichgewicht zerstören, kleine private Anbieter in der Existenz sowie die größeren Anbieter in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedrohen und deren Innovationskraft erheblich schwächen. Die Erfahrungen aus allen anderen Bundesländern hätten gezeigt, dass die UKW-Jugendradios der ARD-Anstalten schnell und konsequent als Massenmarktprogramme ausgebaut worden seien. Ein weiteres Wettbewerbsprogramm neben BR 1 und BR 3 vertrage der gewachsene bayerische Radiomarkt nicht. „Eine Verschiebung bis 2018 schafft diese Probleme nicht aus der Welt. Gegen eine ‚Flottenstrategie‘ mit drei starken BR-UKW-Programmen haben die Privaten in Bayern keine Chance. Die Verschiebung darf daher keinen Automatismus beinhalten, sondern muss an eine Lösung der rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen gebunden sein“, so Philipp von Martius. Philip von Martius und Karlheinz Hörhammer appellierten daher an den BR-Rundfunkrat und die Medienpolitik, stattdessen die vorhandenen Programme für ein besseres Angebot für jüngere Hörer zu nutzen. Zudem widersprachen sie der angeblichen Überalterung der BR-Hörer: Der BR erreiche bei den 10- bis 19-Jährigen und den 20- bis 29-Jährigen Hörern in der Gesamtheit seiner Radioangebote mehr als 30 Prozent der bayerischen Hörer.