Wirbitzky und Zeus: „Wir gehen jeden Tag in den Gag-Steinbruch und schlagen frische Scherze aus dem Fels“

Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)Die tägliche Morningshow zählt im deutschen Radio unbestritten zur Königsdisziplin. Gezielt konzentrieren die Sender einen guten Teil ihrer Programmetats und Ressourcen auf diese frühe Sendestrecke – die höchste Hörerdichte eines Radiotages erwartet in diesen Stunden schließlich ein perfekt abgestimmtes Angebot aus Service, Infotainment und Comedy.

Allerdings ist offenbar auch diese Primetime in Bewegung geraten, was sich bereits länger bei zahlreichen Sendern durch hohe Verwerfungen bei den ma-Reichweiten abzeichnet. Auch werden, wie Medienforscher erwarten, veränderte Hörgewohnheiten während der Coronazeit (etwa durch vermehrtes Homeoffice oder Kurzarbeit) Einfluss auf das Nutzungsverhalten nehmen. Neben (Pandemie-bedingten) höheren Reichweiten könnte sich die bisherige Primetime des Tages allerdings auch weiter in Richtung Vormittag verlagern, da die Hörer ihr Radio erst später einschalten. Die Ergebnisse der nächsten ma Audio im Juli dürften unter diesen Vorzeichen von den Programmverantwortlichen jedenfalls mit besonderer Spannung erwartet werden. 

Top-Garanten für starke Hörerzahlen sind die Moderatoren, die überdurchschnittliche Attribute wie Charisma, Intellekt, Erfahrung oder Schlagfertigkeit in ihre Morgensendungen einbringen. Also Radiopersönlichkeiten wie Arno Müller (104.6 RTL), John Ment (Radio Hamburg) oder Wolfgang Leikermoser (Antenne Bayern) – die zu den Marathonläufern unter den Morningshow-Protagonisten zählen. Alle seit Jahrzehnten beim breiten Publikum in ihren Sendegebieten als feste Größe verankert. 

Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)
Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)

Wie auch die Kollegen Michael Wirbitzky und Sascha Zeus, die seit der Fusion von SWF und SDR zum  SWR im Jahr 1998 die “SWR3 Morningshow“ moderieren, im Zwei-Wochen-Rhythmus alternierend mit Anneta Politi und Kemal Goga. Bereits bei SWF3 moderierte das eingespielte Gespann zuvor die Frühsendung “SWF3 On“.

Natürlich haben Zeus und Wirbitzky das Rad einer Morgensendung nicht neu erfunden, auch hier finden sich Inhalte, die bei den meisten anderen deutschen Sendern zu dieser Zeit zu hören sind. Unikat ist die Rollenverteilung der beiden im Sendeablauf – und das Talent, die Menschen jeden Morgen zum Lachen zu bewegen: die “SWR3 Morningshow“ ist im Südwesten damit der Leuchtturm für Radiohörer, die das Lustige lieben. Hier kommt Comedy nicht als Kaufformat von der Stange, peinliche Plattheiten und laue Witze sind tabu. Sascha Zeus und Michael Wirbitzky füllen die Show mit spontanen Gags, launigen Dialogen oder mit eigenentwickelten Figuren wie “Frau Vierthaler“ und den “Herrn Gedöns aus Bonn“. Und am Showende verlassen “Old Plapperhand und sein weiß-blauer Bruder“ das Studio traditionell mit einer tagesaktuellen Botschaft auf ihrem Ritt in Morgensonne.

Seit Mitte März 2020 wird die “SWR3 Morningshow“ auch im SWR Fernsehen ausgestrahlt. Michael Wirbitzky und Sascha Zeus wurden 2011 mit dem “Deutschen Radiopreis“ als “Beste Morgensendung“ ausgezeichnet (RADIOSZENE berichtete). Beide sind live mit einer “Comedy-Tour“ regelmäßig auch in größeren Hallen im Sendegebiet präsent.


Im Interview sprechen die Moderatoren mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich über ihre Show und den Humor im Radio.

RADIOSZENE: Die “SWR3 Morningshow“ wird seit 16. März auch im SWR-Fernsehen übertragen. Gibt es dafür besondere Gründe?

Michael Wirbitzky: Dass wir jetzt im Fernsehen zu sehen sind, hat natürlich mit meiner enormen Attraktivität zu tun. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Fernsehen auf mich zukommen würde.

Sascha Zeus: Ich bin aber auch im Bild zu sehen.

Michael Wirbitzky: Das stimmt. Und das ist auch gut so, denn so haben auch weniger attraktive Zuschauer das gute Gefühl, bei SWR3 zuhause zu sein.

Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)
Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)

Sascha Zeus: Außerdem sind wir eine 360 Grad-Marke. 

Michael Wirbitzky: Das heißt, dass SWR3 nicht nur in einer trimedialen Anstalt mit Hörfunk, TV und Internet präsent ist, sondern auch auf allen anderen Ausspielwegen, auf denen unsere Zielgruppe unterwegs ist. Natürlich auch die Smart-Speaker. 

 

„Wenn die Politik gerade ‚auf Sicht‘ fährt, fahren wir bei SWR3 ‚auf Ohr‘“

 

RADIOSZENE: Wurde damit auch das Konzept verändert?

Sascha Zeus: Am Konzept der Sendung hat sich bis auf Kleinigkeiten nichts geändert. Anneta Politi, Kemal Goga und wir beide bieten den nach wie vor erfolgreichen Mix aus aktueller Information, frischen Hits und guten Gags in SWR3-Qualität. 

RADIOSZENE: Mit Beginn der Ausstrahlung im Fernsehen ging die Verbreitung von Corona und gravierende Veränderungen im öffentlichen Leben einher. Welchen Einfluss hat die Pandemie aktuell auf die “SWR3 Morningshow“, in wie weit haben Sie Inhalte und Moderation der Situation angepasst?

Michael Wirbitzky: Natürlich sehr. SWR3 ist ein aktuelles Programm. Und als Öffentlich-Rechtliche haben wir bei aller Unterhaltung auch immer im Hinterkopf, dass unsere Hörerinnen und Hörer stets auf dem neuesten Stand sind. 

Sascha Zeus: Wichtig ist natürlich, den richtigen Ton zu treffen, also weder Weltuntergangsstimmung zu verbreiten noch zu verharmlosen. Je länger die Corona-Krise andauert, desto häufiger muss man auch immer wieder bei Inhalt und Tonfall justieren.

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Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)

Michael Wirbitzky: Wenn die Politik gerade „auf Sicht“ fährt, fahren wir bei SWR3 „auf Ohr“. Bei Gags ist das A und O immer die richtige Stoßrichtung. Wenn Menschen sterben macht man darüber logischerweise keine Gags. Aber über Leute, deren Trockenhefevorrat bis ins Jahr 2400 reichen wird, darf man sich schon lustig machen. 

Sascha Zeus: Außerdem beobachten wir genau, die Reproduktionsrate unserer Gags, die derzeit noch bei etwa 5,5 liegt.

Michael Wirbitzky: Erst bei einem Wert von unter 1 besteht für die Bevölkerung keine Gefahr mehr. 

RADIOSZENE: Wie viel Einfluss bringen Sie als Moderatoren in die Morningshow ein?

Michael Wirbitzky: Man darf unseren Einfluss nicht überschätzen, aber wer ihn unterschätzt wird gefeuert. Ha, Ha!

Sascha Zeus: Für uns ist es wichtig und selbstverständlich, dass wir uns auch nach all den Jahren bei Themenfindung und Umsetzung einbringen. Wir waren und sind Teil des Teams. Ohne Team geht nix.

Michael Wirbitzky: Und wer was anderes sagt, wird gefeuert. Ha, Ha!

RADIOSZENE: Im deutschen Radio gehören Sie zu den wenigen Langstrecklern, die es geschafft haben, eine Morningshow über Jahrzehnte auf einem Sendeplatz zu moderieren. Als Gespann gestalten Sie die erfolgreichste Morgensendung im deutsche Radio. Verraten Sie uns doch bitte Ihr Erfolgsrezept …

Michael Wirbitzky: Ein Patentrezept gibt es nicht. Aber wenn man neugierig bleibt, fleißig und diszipliniert, kann man sowas schon eine Weile machen. 

Sascha Zeus: Und wenn man einen guten Wecker hat. Oder 2.

Michael Wirbitzky: Meine Mama sagt immer: Niemand ist unersetzbar. Es schadet nicht, diesen Satz immer in der Hosentasche dabei zu haben.

Sascha Zeus: Auch der Umgang miteinander ist wichtig. Lass den anderen sein wie er ist.

Michael Wirbitzky: Das fällt mir bei ihm nicht immer leicht.

Sascha Zeus: Ha, Ha! Und ohne Team geht nix.

 

„Grundsätzlich ist alles schneller und kürzer geworden. Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen reicht einfach nicht mehr so weit“

 

RADIOSZENE: Bei zahlreichen deutschen Morningshows sind bei den ma-Erhebungen der letzten Jahre  Reichweitenrückgänge beziehungsweise auch große Schwankungen innerhalb der Stundenabläufe erkennbar. Sind dies Ermüdungserscheinungen bei den Hörern am Medium oder schlagen hier veränderte Hörgewohnheiten durch?

Michael Wirbitzky: Gerade jetzt in Corona-Zeiten ist öffentlich-rechtliches Radio so wichtig wie schon lange nicht. Und wenn sich das Radio auch künftig auf seine Stärken besinnt, nämlich schnell zu sein, überraschend und nah bei den Menschen, machen wir uns keine Sorgen.

Sascha Zeus: Wenn es bei einer MA heißt, da sind 30.000 Hörer verschwunden, dann komme ich morgen trotzdem zur Arbeit. Und wenn die sechs Monate später plötzlich alle wieder da sind, komm ich auch.

RADIOSZENE: Wie steuern Sie diesen Entwicklungen entgegen?

Michael Wirbitzky: Wir gehen jeden Tag in den Gag-Steinbruch und schlagen frische Scherze aus dem Fels. Und wir fragen uns jeden Tag, was unsere Hörer bewegt, was sie wissen wollen, was ihnen Kummer und eben auch Freude bereitet. Im Idealfall sind wir ein liebgewordener Teil ihres Lebens.

RADIOSZENE: Die allermeisten Morningshows sind in ihren Abläufen klar strukturiert, zielen mit Infos, Service und Comedy auf die Lebensgewohnheiten der Menschen. Wie viel Formatbruch verträgt eine Sendung am Morgen? Gelegentlich waren bei Ihnen ja auch schon Musiker über eine Stunde lang zu Gast … 

Sascha Zeus: Hier greift eine Radioweisheit vom Ende der Bronzezeit: Never fuck the format. But fuck the format whenever there is a reason.

RADIOSZENE: Welche Musik hören wir, wenn Zeus und Wirbitzky für einen Tag die Playliste ihrer Sendung auswählen dürfen?

Michael Wirbitzky: Wir haben bei der Musik den besten Mix. Neulich habe ich allerdings einen Sender gehört, der hatte den auch. Jetzt bin ich verunsichert.

Sascha Zeus: Bei mir würde man mehr Rap hören. Ich finde, das ist die Popmusik unserer Zeit. 

Michael Wirbitzky: Ich höre privat auch gerne mal eine Klaviersonate von Beethoven, oder auch ein Miles Davis-Album. Heißt aber nicht, dass wir unsere Musik nicht gut finden. Nur: Wenn einer eine Currywurst-Bude hat, kommt er ja nicht abends heim und macht sich als erstes eine Currywurst.

Sascha Zeus: Ich schon.

„Wenn es bei einer ma heißt, da sind 30.000 Hörer verschwunden, dann komme ich morgen trotzdem zur Arbeit. Und wenn die sechs Monate später plötzlich alle wieder da sind, komm ich auch“

 

RADIOSZENE: Einmal abgesehen von der Technik, wo haben sich Ihrer Wahrnehmung nach Charakter und Inhalte der Morgensendung über die Jahre am meisten verändert?

Michael Wirbitzky: Da muss man fragen: Was war zuerst da? Die Henne oder die Hörgewohnheiten?

Sascha Zeus: Grundsätzlich ist alles schneller und kürzer geworden. Das gilt aber nicht nur fürs Radio, sondern für alle Medien. Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen reicht einfach nicht mehr so weit. Bevor es elektronische Medien gab, haben die Menschen bei Bürgerversammlungen zum Teil fünf Stunden und länger zugehört. Heute undenkbar.

Michael Wirbitzky: SWR3 hat schon sehr früh den Trend zum Infotainment erkannt. Fundierte Information auf attraktive Weise zu präsentieren. Was die Inhalte angeht, sind wir mit Sicherheit näher als früher bei den Menschen.

RADIOSZENE: Das zentrale Element am Morgen sind Ihre Comedy-Einlagen. Wie viele  Ideenlieferanten beschäftigen Sie? 

Sascha Zeus: Wir beschäftigen überhaupt keine Gagschreiber oder Ideenlieferanten. Wir machen alles selbst. Uns fällt seit etlichen Jahren was ein. Warum soll uns jetzt morgen früh nichts mehr einfallen?

Michael Wirbitzky: Aber selbstverständlich gibt es auch eine Comedy-Redaktion, die das Programm 24 Stunden mit Gags bestückt.

RADIOSZENE: Wie flexibel reagieren Sie auf tagesaktuelle Entwicklungen? 

Michael Wirbitzky: Auf Tagesaktualität können wir superflexibel reagieren. Manchmal fängt Ed Sheeran an zu singen, und wenn er nach 3 Minuten fertig ist, haben wir den Gag.

Sascha Zeus: Manchmal wäre es aber auch besser, er würde noch eine Minute länger singen.

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Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (Bild: ©Anne Bauer/SWR3)

RADIOSZENE: Auch hier die Frage: wie sehr haben sich Erwartungshaltung und Akzeptanz der Radiohörer gegenüber bestimmten Formen von Comedy über die Distanz verändert?

Michael Wirbitzky: Grundsätzlich haben wir das Gefühl, dass die Menschen empfindlicher geworden sind. Über nervige political correctness und mangelnde Toleranz gegenüber anderen Meinungen ist schon alles gesagt worden.

Sascha Zeus: Nur noch nicht von allen. Das hat Karl Valentin gesagt. Trotzdem gilt: Wenn es ein richtig guter Gag ist, machen wir ihn, auch wenn wir wissen, dass es eventuell Ärger geben könnte. 

 

„Wenn es ein richtig guter Gag ist, machen wir ihn, auch wenn wir wissen, dass es eventuell Ärger geben könnte“

 

RADIOSZENE: Stimmt der Eindruck, dass die Zeit der Parodien von Persönlichkeiten als Stilelement bei der Radiocomedy zu Ende geht?

Michael Wirbitzky: Bei uns beiden hat diese Zeit nie angefangen. Wir können nämlich keine Parodien. Mit Andreas Müller haben wir aber den Meister des Fachs in unseren Reihen,

Sascha Zeus: Und die Frage ist doch immer: Welche Form passt zu welcher Pointe? Manchmal ist es die Parodie, manchmal eine Punchline, manchmal eine Comedy-Figur, manchmal ein Gag-Song. Am Ende zählt nur, dass es ein guter Gag ist. 

RADIOSZENE: Über welche Wege sind Sie beide zum damaligen Südwestfunk gekommen? 

Sascha Zeus: Ich über die A8 aus München.

Michael Wirbitzky: Ich über die A5 aus Köln.

RADIOSZENE: Was bedeutet Radio für Sie?

Michael Wirbitzky: Das Glück, etwas gefunden zu haben, was man gut kann, und was darüber hinaus Millionen Menschen eine Freude macht.

Sascha Zeus: Genau das ist es. Ich verdiene mein Geld mit etwas, das mir Spaß macht und anderen auch. Mehr geht nicht.

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