Interessante Entwicklung, die sich auf Radio Alive, der Radiokonferenz in Australien ergab: Die australische Radiobranche ist gerade dabei, eine Podcast-Arbeitsgruppe aufzubauen, um „an der Spitze der Entwicklungen bei dem wachsenden Phänomen Podcast in Australien zu stehen.”
In ihrem Pressebericht heißt es: „Der klassische Rundfunk ist hochgradig reguliert und die Messung der Hörerzahlen erfolgt durch unabhängige GfK-Umfragen. Im Gegensatz dazu ist der Podcast-Bereich derzeit noch fragmentiert, ohne Standard-Messsysteme.“
Nun, so ganz stimmt das nicht. Ich schreibe täglich Podnews, einen Newsletter für die Podcast-Branche. Vielleicht könnte ich also einige kleine Messverständnisse aufklären, was die Messung von Podcasts betrifft.
Für Podcasts gibt es nämlich ein Standard-Messsystem. Es hört auf den Namen „IAB Podcast Measurement Technical Guidelines v2.0„ – in der Regel abgekürzt als IAB v2 – und es überwacht im Wesentlichen die Downloadzahlen von Podcasts auf standardisierte Weise. Es stößt sowohl bei Podcastern als auch bei Werbekunden auf breite Anerkennung. Die beiden größten australischen Podcast-Hosts, Whooshkaa und Omny Studio, nutzen IAB v2-Daten für ihre Berichte an die Kunden.
Das Audio Council von IAB Australia, zu dem auch die australischen Privatfunker gehören, hat ebenfalls IAB v2 für den australischen Markt empfohlen und einige Richtlinien hierzu aufgestellt. Der Grundgedanke: Alle Podcast/Hosts sollten ihre Messungen auf IAB v2-Basis durchführen, was theoretisch zu einheitlichen Zahlen führen sollte.
Aber um es auf den Punkt zu bringen: Download-Zahlen sind in ihrer Aussagekraft begrenzt. Manche Podcasts werden zwar heruntergeladen, aber nie angehört. Bloße Download-Zahlen lassen auch keine Rückschlüsse auf die demographischen Verhältnisse zu. Aber zumindest gibt es erst einmal einen weltweiten Standard.
Es lohnt sich, Podcast-Messungen mit der Marktforschung im Rundfunkbereich zu vergleichen.
In Australien gibt es statt einer gleich drei Arten von Radioumfragen. Kommerzielle Sender in Australienwerden in GfK-Umfragen abgefragt, die für die Ballungsräume verwendet werden, aber sie produzieren auch andere Zahlen mithilfe von Xtra Insights. Bürgerradios werden in diesen Systemen nicht berücksichtigt und arbeiten selbst mit McNair Ingenuity Research zusammen.
Alle drei australischen Radioumfragen produzieren unterschiedliche Zahlen und beim Zustandekommen dieser Zahlen werden unterschiedliche Methoden herangezogen. Sie sind auch nicht mit den Radioumfragen in anderen Ländern vergleichbar. Tatsächlich: Es gibt keinen weltweiten Standard zur Messung von Radio-Hörerzahlen. Ein „Hörer“ ist in manchen Ländern jemand, der fünf Minuten lang Radio hört. In anderen Ländern muss er dies 15 Minuten lang tun. In wiederum einem anderen Land – ich meine Deutschland – gibt es überhaupt keine wöchentlichen Zahlen, Irland nimmt den Durchschnitt der letzten zwölf Monate, in Großbritannien arbeiten sie mit dem Durchschnittswert des letzten Quartals oder mit Zeiträumen von sechs oder zwölf Monaten. Kanada und die USA haben zwei Systeme, in vielen anderen Märkten wird erst gar nicht gemessen.
Die weltweite Radiobranche ist fragmentiert. Eigentlich eine Katastrophe, wenn man bedenkt, dass Apple Beats 1 oder Spotify eine weltweite Messnorm haben, den sie sie sich wettbewerbsfähig profilieren können. Der Mangel an Normen bringt es mit sich, dass es schwierig ist, verschiedene Länder zu vergleichen.
Somit gibt es also einen anerkannten weltweiten Standard, während die Umfragesystematik im klassischen Rundfunk völlig uneinheitlich ist. Ein einheitliches Standard-Messsystem wird man nicht finden.
Vielleicht sollten wir mal eine Radio-Arbeitsgruppe einberufen, um zu prüfen, ob wir nichts daran ändern können, um somit an der Speerspitze der Radioentwicklung zu stehen. Und wenn wir schon einmal dabei sind, vielleicht könnten wir dann gleich alle Sender (auch die Bürgerradios) einbeziehen.
PS: Ich habe einen ausführlichen Artikel zum Funktionsprinzip von Podcast-Messungen in Podnews geschrieben, der die Umfragesysteme bei Rundfunk und Podcasts miteinander vergleicht.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.