Die Sprachsteuerung durchdringt immer schneller immer mehr Lebensbereiche. Die Auswirkungen auf die Mediennutzung und vor allem auf das Online-Suchverhalten sind enorm. Während der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutierten Experten daher die Chancen und Herausforderungen, die digitale Sprachassistenten und sogenannte Smart Speaker bewirken.
„Alexa verändert das Marketing“, postulierte Britta Heer, Managing Director Brand Marketing bei der Agentur Edelman.ergo, in ihrer Keynote. In der Tat deuten aktuelle Statistiken auf eine Zeitenwende hin: In den USA hat das Sprachsteuerungssystem von Amazon inzwischen einen geschätzten Marktanteil von gut 70 Prozent, gefolgt von Googles Assistent mit fast 24 Prozent. Ein Viertel der US-Suchanfragen sei bereits „Voice Search“, berichtete Britta Heer. Bis 2020 soll die Sprachsuche mehr als die Hälfte der weltweiten Anfragen ausmachen. „Stimme wird alles schlagen“, war sich die PR-Expertin sicher.
Auch in Deutschland beobachtet Britta Heer eine rasante Entwicklung: 75 Prozent der Menschen hierzulande hätten bereits Erfahrung mit digitalen Assistenten, 44 Prozent der jüngeren nutzten die neue Technologie bereits regelmäßig. Die Herausforderung für Marketingentscheider: Im Unterschied zur Text-Suche sind die Antworten bei Voice Search auf ein bis zwei Treffer beschränkt, die von den Gatekeepern wie Amazon vermarktet werden. „Gib Deiner Marke eine Stimme“, empfahl Britta Heer daher. Allerdings seien manche Audio-Marken bislang zum Teil „sträflich vernachlässigt“ worden. Im Zeitalter der Smart Speaker bekomme aber die Wahl eines aussagekräftigen Produktnamens eine noch größere Bedeutung: Unternehmen müssten ihr Markenportfolio entsprechend überprüfen und gegebenenfalls verkleinern.
Dominik Meißner, Co-Founder der Spezialagentur 169 Labs GmbH, gab eine Reihe von praktischen Empfehlungen. So stellten sich Branchen wie Transport oder Immobilien noch als grüne Wiese dar, weil Voice Search in diesen Umfeldern bislang gar keine oder nur sehr wenige Suchergebnisse liefere. Die Sprachsuche im Hotel- und Gaststättengewerbe hingegen sei bereits hart umkämpft. Meißner beobachtet zudem, dass Unternehmen bei ihrer Suchmaschinenoptimierung nun mit W-Fragen operieren, um in einen echten Sprachdialog mit den Nutzern zu kommen. Für Anbieter besonders Erfolg versprechend sei zum Beispiel eine Erwähnung im Amazon Newsletter oder eine prominente Platzierung in den Stores, verriet Meißner.
Wolfram Tech, Senior Consultant & Gesellschafter der BCI Group, stellte die Auswirkungen der Smart Speaker auf den Hörfunk dar. Im Unterschied zur teils komplizierten Bedienung von Empfangsgeräten mit DAB+ seien Alexa und Co. komfortabel und simpel in der Steuerung: „Die Systeme sind zu einfach zum Scheitern“, betonte der Hörfunk-Berater. Das müsste aber auch den Hörfunk weiter befruchten: „In jeder Box könnte ein Radio sein.“
Der BCI-Berater verwies zugleich auf die Herausforderungen und Hürden: Außer der dominierenden Rolle der Gatekeeper bemängelte er auch die ständigen Änderungen der Plattform-Regeln. Und: Radiomacher müssten sich über eine Gerätenavigation, die keine Übersicht mehr besitzt, genauso Gedanken machen wie über die Programmgestaltung: „Sechs Minuten Werbeblock auf einem Smart Speaker funktionieren nicht“, warnte Tech. Allerdings ermögliche die Sprachsteuerung auch neue, spannende Werbekonzepte. Die Chancen für die Radiobranche in der Ära der Sprachsteuerung, so lautete Wolfram Techs Fazit, seien insgesamt gut, denn: „Die Hörer sind schon da.“
Die Veranstaltung der BLM wurde von Daniel Fiene (Rheinische Post und Deutschlandfunk Nova) und Sebastian Pähler (Deutschlandfunk Nova) moderiert.