Drei-Stufen-Test: Aufsichtsgremium beauftragt Gutachten zum Telemedienkonzept von Deutschlandradio

Deutschlandradio-Hörfunkrat befasst sich mit aktueller Auftragsdiskussion für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Deutschlandradio Funkhaus Berlin small minDer Hörfunkrat von Deutschlandradio begrüßt die aktuellen Überlegungen der Länder, die Kompetenzen der Aufsichtsräte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken. Ausführlich setzte sich das 45-köpfige Gremium am 17. Juni mit den bekannt gewordenen Reformvorhaben der Länder in der laufenden Auftragsdiskussion für die Sender auseinander. Nach Einschätzung von Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue sehen die Pläne, die zurecht einen Schwerpunkt auf die digitale Welt legten, einen „modernen und in die Zukunft gewandten Auftrag“ vor. Die Entwürfe für einen neu formulierten Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „machen Mut, weil es darum geht, viele verschiedene Zielgruppen zu erreichen – insbesondere die jungen“, erklärte Raue. Die Zahl der Programmangebote würde begrenzt, auf der anderen Seite hätten Sender und Gremien künftig mehr Mitspracherechte in der Frage, wie der programmliche Auftrag bestmöglich erfüllt werde. Als Vorsitzender des Hörfunkrats äußerte Frank Schildt die Erwartung, „dass die breite gesellschaftliche Repräsentanz und Kompetenz in den Gremien künftig noch stärker als Ressource für die gemeinwohlorientierten Programme zur Geltung kommen wird.“

Deutschlandradio-Hörfunkrat (Bild: ©Deutschlandradio/Anke Beims)
Deutschlandradio-Hörfunkrat (Bild: ©Deutschlandradio/Anke Beims)

Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung beschloss der Hörfunkrat zuvor einstimmig, die Firma Goldmedia GmbH mit der Erstellung eines Gutachtens zu den Auswirkungen der Änderungen des Telemedienangebotes von Deutschlandradio auf alle relevanten Märkten zu beauftragen. Das Gutachten wird im Rahmen des Drei-Stufen-Tests vergeben, der Hörfunkrat folgte dabei der Empfehlung seines Nichtständigen Ausschusses Drei-Stufen-Test. Der Drei-Stufen-Test ist ein Genehmigungsverfahren für öffentlich-rechtliche Telemedienangebote. Dabei wird festgestellt, ob das aktuell vorliegende Telemedienkonzept von Deutschlandradio vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst ist. Michael Deutscher, erster stellvertretender Hörfunkratsvorsitzender und Vorsitzender des Nichtständigen Ausschusses: „Mit einem ambitionierten Zeitplan geht es mit dem Gutachten jetzt in die heiße Phase. Wir streben an, den aufwendigen Test in der gebotenen Gründlichkeit bis zum Jahreswechsel abzuschließen.“

Stefan Raue (Bild: Deutschlandradio, Bettina Fürst- Fastré)
Stefan Raue (Bild: Deutschlandradio, Bettina Fürst- Fastré)

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht würdigte Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue vor dem Gremium zwei „wichtige und prägende Stimmen“ in den Programmen: Am 10. Juni verstarben der ehemalige Redakteur und Moderator Jürgen Liminski und der frühere Korrespondent Hans-Jörg Krieger. Raue informierte den Hörfunkrat darüber hinaus über aktuelle Themen in den Funkhäusern. Erstmals wurde eine Vertretung der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewählt. Die neunköpfige Interessenvertretung traf sich vor wenigen Wochen zu ihrer konstituierenden Sitzung. Mit Blick auf die Corona-Pandemie zog Raue eine positive Bilanz. In den Funkhäusern sei es durch die ergriffenen Schutzmaßnahmen und durch das verantwortungsvolle Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie zu keinen Ansteckungsfällen gekommen. Für die nächsten Monate werden gegenwärtig Lockerungsmaßnahmen vorbereitet, ab September sollen Veranstaltungen der Programme wieder mit Publikum möglich sein.

Intensiv erörterte der Hörfunkrat den aktuellen Jahresbericht der Gleichstellungsbeauftragten des Senders. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen hat sich in den letzten Jahren weiter erhöht und lag zuletzt bei 34 Prozent. „Die Bemühungen um eine repräsentative Verteilung sind eindeutig erkennbar“, so die Einschätzung der stellvertretenden Hörfunkratsvorsitzenden  Katrin Hatzinger. Gleichwohl zeige auch die Diskussion im Hörfunkrat, dass hier weiter Handlungsbedarf besteht. In dem Zusammenhang erörterte das Gremium auch die Erfahrungen mit mobilem Arbeiten in der Pandemie und die Konsequenzen, die Deutschlandradio für die Zeit danach daraus ziehen will. Das positive Feedback aus der Belegschaft zeige, dass hier neue Wege beschritten werden sollten, sagte Hörfunkratsvorsitzender Frank Schildt. Der Hörfunkrat will sich in seiner nächsten Sitzung über die Planungen des Senders informieren lassen.

Bereits am Vortag hatte sich der Programmausschuss des Hörfunkrats über aktuelle Themen in den Funkhäusern und in der Programmgestaltung informiert. Einen Schwerpunkt bildete dabei das neu geschaffene Ressort „Länder“ unter der Leitung von Barbara Roth, in dem die Berichterstattung aus und über die Bundesländer gebündelt wird – seit Januar standortübergreifend und für alle Ausspielwege. Als „Radio der Länder“ will Deutschlandradio die regionale Berichterstattung weiter stärken, ein neues Onlineportal sei geplant. Im Gespräch mit der neuen Programmdirektorin Jona Teichmann diskutierte der Programmausschuss darüber hinaus einige der Themen, die Teichmann als Schwerpunkt ihrer Arbeit skizzierte. Das Spektrum reichte dabei von Wissenschaftsberichterstattung im Deutschlandradio über digitale Innovationen bis zur Frage, wie sich gesellschaftliche Diversität noch besser abbilden lässt.

Nach dem Programmausschuss beschäftigte sich der Hörfunkrat mit einer Programmbeschwerde zur Sendung „Plus Eins“ bei Deutschlandfunk Kultur vom 25. September 2020. Die Mitglieder beschieden die Beschwerde als nicht abhilfefähig, da sie keine Verletzung der Programmgrundsätze erkennen konnten. Die geäußerte Kritik wurde ungeachtet dessen mit den Programmverantwortlichen besprochen, online wurde die Abbildung der Sendung bereits korrigiert.

Der Deutschlandradio-Hörfunkrat besteht aus Vertretern aller Bundesländer, Abgesandten der Bundesregierung sowie Repräsentanten der Landesverbände und gesellschaftlich relevanter Gruppen. Er hat unter anderem die Aufgabe, Richtlinien für die Sendungen aufzustellen und deren Einhaltung gemäß der im Staatsvertrag aufgeführten Bestimmungen zu überwachen. Der Hörfunkrat tagt in der Regel öffentlich. Die nächste öffentliche Sitzung findet am 2September 2021 in Berlin statt – erstmals in diesem Jahr als Präsenztermin.