Vor über einem Monat, am 18. Juli 2018, haben Mitarbeiter von Radio Hamburg eine eigene Homepage mit dem Titel „Wir sind Radio Hamburg“ unter der Domain wirsindradio.hamburg veröffentlicht, um den „Sparkurs“ des Senders öffentlich anzuprangern, von dem sie sich betroffen fühlen. Sie forderten darauf mit Unterstützung der Gewerkschaften DJV und ver.di vor allem einen Tarifvertrag für Radio Hamburg (RADIOSZENE berichtete).
Heute morgen, am 31.08.2018, hat die Geschäftsführung mit einer eigenen Homepage ebenfalls mit dem Namen „Wir sind Radio Hamburg“ reagiert unter der Domain wirsindradiohamburg.de, auf der Patrick Bernstein (Geschäftsführer Radio Hamburg) und Marzel Becker (Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg) einen sog. „Fakten-Check“ veröffentlicht. Darin möchten sie alle Argumente der Mitarbeiter hinter „Wir sind Radio Hamburg“ und der Gewerkschaften entkräften.
Das die Mitarbeiter offenbar nicht bereit waren, ihre Aktions-Homepage WirSindRadio.Hamburg vom Netz zu nehmen, hat die Radio Hamburg-Geschäftsführung nun mit SEO-Maßnahmen und Google-Werbung ihre Fakten-Check-Seite davor WirsindRadioHamburg.de davor zu platzieren, vgl. folgenden screenshot:
Update:
Während die Radio Hamburg-Geschäftsleitung in der Pressemeldung vom 31.1.2018 von einem „konstruktiven Dialog“ zwischen den Parteien spricht, sieht die Radio Hamburg-Tarifkommission bestehend aus Nina Wonerow, Thomas Gleixner und Markus Brilsky das etwas anders und erklärt gegenüber RADIOSZENE:
„Von konstruktiven Gesprächen kann kaum ernsthaft gesprochen werden: mit der Tarifkommission verweigert die Geschäftsführung die Gespräche, obwohl die Mitglieder einen Tarifvertrag fordern. Vor einigen Wochen hat die Geschäftsführung dem Betriebsrat ein Angebot zum Abschluss einer Anhebung in Höhe von maximal 200 Euro in Form einer Betriebsvereinbarung gemacht. Das Angebot kommt nicht an die Forderungen heran und es wäre statisch, also nicht jedes Mal neu verhandelbar. Deswegen bleiben die Mitglieder von DJV und ver.di bei ihrer Tarifforderung. Über die Betriebsvereinbarung berät der Betriebsrat zusammen mit seinem Anwalt und wartet auf Informationen von der Geschäftsführung.“
Der Radio Hamburg „Fakten-Check“ im Wortlaut:
„Konstruktiver Dialog“: Radio Hamburg verhandelt mit Mitarbeitern über Betriebsvereinbarung
Die Geschäftsführer von Radio Hamburg verhandeln mit dem Betriebsrat des Senders über ihr Angebot einer Betriebsvereinbarung zur verstärkten Anerkennung des Engagements der Mitarbeiter. Das Angebot beinhaltet eine freiwillige Erhöhung der Gehälter, Mietkostenzuschüsse für Auszubildende, reduzierte Arbeitszeiten und die Förderung mobiler Arbeitsformen. „Wir stehen in konstruktivem Dialog und freuen uns auf die weiteren Gespräche“, zieht Geschäftsführer Patrick Bernstein eine positive Zwischenbilanz.
Radio Hamburg ist das meistgenutzte Medium der Stadt. Bei den Hörern die Nummer 1, bei seinen Mitarbeitern als Arbeitgeber Favorit unter den privaten Radiostationen im Norden. „Die Gewerkschaften wollen uns jetzt in einen Tarifvertrag drängen. Wir wollen uns aber nicht instrumentalisieren lassen, sondern Verbesserungen direkt mit unseren Mitarbeitern verhandeln“, sagt Bernstein. Eine Betriebsvereinbarung sei der für Radio Hamburg richtige Weg.
Behauptungen der Gewerkschaften halten Fakten-Check nicht stand
Die Gewerkschaften hatten ein düsteres Bild von den Arbeitsbedingungen bei Radio Hamburg gezeichnet. Die in der Öffentlichkeit verbreiteten Behauptungen halten einem kritischen Fakten-Check jedoch keinesfalls stand:
Behauptung 1
„Immer mehr Stellen fallen weg, die Arbeit verdichtet sich.“
Die Fakten
Von einem kontinuierlichen Stellenabbau kann keine Rede sein. Die Zahl der Stellen war in den vergangenen Jahren nicht rückläufig. Aufgrund der durch die Digitalisierung der gesamten Medienwelt auch für Radio Hamburg erforderlichen strukturellen Veränderungen gab es bei der MORE GmbH & Co. KG, die u.a. für den Online-Auftritt des Senders zuständig ist, sogar einen Zuwachs an Stellen – seit 2013 um 60 % bei den festen Mitarbeitern, bei den Volontären sogar um 100 %.
In allen für die Marke und die Kernkompetenzen von Radio Hamburg wichtigen Bereichen wurde das Team personell nicht geschwächt. Das gilt u.a. für die erfolgreiche Morning Show und die Musikredaktion. Zu Gunsten der Stärkung des digitalen Angebots ist lediglich bei den direkt bei Radio Hamburg angestellten Volontären ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Das Budget für Personal hält Radio Hamburg mit 2,6 Millionen Euro pro Jahr seit fünf Jahren hingegen auf konstant hohem Niveau.
Behauptung 2
„Honorare wurden in den letzten 20 Jahren kaum angepasst.“
Die Fakten
In den vergangenen gut zehn Jahren hat auch Radio Hamburg die meisten Löhne erhöht. So stiegen die Honorare für freie Moderatoren je nach Einsatzbereich zwischen 5,6 % und mehr als 20 %.
Behauptung 3
„Weihnachts- und Urlaubsgeld sind in vielen Verträgen gestrichen.“
Die Fakten
Keinem Mitarbeiter wurde Weihnachts- oder Urlaubsgeld gestrichen. Allein zur Entlastung der Verwaltung wird der ungekürzte Jahreslohn heute in zwölf statt wie früher in 13,7 Monatsgehältern gezahlt. Prämien werden unverändert extra gezahlt.
Zur Einordnung: Ein fest angestellter Redakteur verdient in Vollzeit bei Radio Hamburg im Schnitt derzeit EUR 53.000 Euro im Jahr zzgl. Zuschuss fürs HVV-Ticket. Das Gehalt eines fest angestellten Moderators liegt im Schnitt bei EUR 62.000 im Jahr, die Gehälter der „Top-Stars“ nicht mitgerechnet.
Behauptung 4
„Eine ausreichende Altersvorsorge gibt es nicht.“
Die Fakten
Radio Hamburg gewährt Zuschüsse zur Altersvorsorge, die aber nicht von allen Mitarbeitern in Anspruch genommen werden. Wir würden uns sogar freuen, wenn unser Angebot intensiver genutzt würde.
Behauptung 5
„Es wird an allen Ecken und Enden im Sender gespart, vor allem am Personal. Das macht uns Angst. Weil wir befürchten, dass irgendwann das Produkt Radio Hamburg darunter leiden wird und wir Euch nicht mehr dieselbe Qualität bieten können wie früher.“
Die Fakten
Der außerordentliche Erfolg von Radio Hamburg in der jüngsten Media-Analyse belegt die enorm hohe Beliebtheit und Würdigung der Qualität unseres Angebots. In allen für die Marktführerschaft relevanten Bereichen und Programmangeboten hat Radio Hamburg nicht gespart. In unser erfolgreichstes Aushängeschild, unsere Morning Show mit Star-Moderator John Ment, haben wir sogar noch zusätzlich investiert.
Behauptung 6
„Die Gesellschafter schütten sich Millionengewinne aus.“
Die Fakten
Wie in jedem Unternehmen profitieren die Eigentümer, unsere Gesellschafter, vom wirtschaftlichen Erfolg Radio Hamburgs. Sie tragen aber auch das unternehmerische Risiko für den Fall, dass es einmal nicht so laufen sollte. Das unterscheidet sie von allen Mitarbeitern – auch von der Geschäftsführung.
Grundsätzlich gilt aber auch: Geht es Radio Hamburg gut, profitieren davon alle Mitarbeiter/innen. Besondere Erfolge belohnen wir mit Prämien fürs Team. Jetzt gerade mit einer Sonderzahlung für unsere herausragenden Ergebnisse in der Media-Analyse 2018 II.
Behauptung 7
„Trotz immer mehr Leistung werden wir immer ärmer.“
Die Fakten
Keinem Mitarbeiter hat Radio Hamburg das Gehalt gekürzt. Im Gegenteil: Die Löhne wurden in den vergangenen gut zehn Jahren leicht erhöht. Die angebotene Betriebsvereinbarung würde dazu führen, dass der ganz überwiegende Teil der Belegschaft in den Genuss einer durchschnittlichen Gehaltserhöhung von 6% käme.
Insgesamt investiert Radio Hamburg so bereits heute mehr in die Löhne seiner Mitarbeiterschaft als viele andere Medienunternehmen. Dies liegt am hohen Anteil langjähriger Arbeitsverträge und den teils frei verhandelten Gehältern insbesondere der festangestellten Moderatoren.
Was uns noch wichtig ist zu sagen:
Unsere tief verwurzelte Verbundenheit mit Radio Hamburg paart sich mit unserer sozialen, konzeptionellen, programmatischen und wirtschaftlichen Verantwortung, die wir für das gesamte Unternehmen tragen.
Keiner kennt Radio Hamburg besser als unsere vielen langjährigen Mitarbeiter/innen, zu denen auch wir gehören. Keiner weiß besser, was gut ist für Radio Hamburg. Darüber möchten wir weiterhin als Team eigenständig miteinander entscheiden.
Weitere Informationen unter: www.wirsindradiohamburg.de
gez.
Patrick Bernstein, Geschäftsführer Radio Hamburg
Marzel Becker, Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg
Update:
RHH-Mitarbeiter reagieren mit Countdown auf 7-Punkte-Plan
„Wir freuen uns zunächst, dass sich der Arbeitgeber den Themen stellt und seine interessante Sicht veröffentlicht hat. Inhaltlich nachvollziehen können die Mitarbeiter die Behauptungen des 7-Punkte-Checks allerdings nicht. So können die vielen Gewerkschaftsmitglieder von Radio Hamburg nur weiter den Weg Richtung Tarifvertrag gehen. Freitag (31.8.2018) haben wir mit einem Countdown den nächsten Schritt dafür eingeläutet. Es bleibt spannend“, so die Radio Hamburg-Tarifkommission weiter.
Was genau nach Ablauf des Countdowns passieren soll, lässt die Radio Hamburg-Tarifkommission allerdings offen. RADIOSZENE wird darüber berichten.
Update vom Donnerstag, 06. September:
„Der Countdown ist abgelaufen. Die deutliche Mehrheit der Radio Hamburg Mitarbeiter kämpft weiter für eine gerechte Bezahlung, die uns ein Tarifvertrag sichert. Wir haben in den vergangenen Tagen gezeigt, was Radio Hamburg ohne uns wäre – nämlich nichts als ein leeres Studio.
Das es weiterhin keine Gespräche zwischen Geschäftsführung und Tarifkommission gibt, wenden wir uns jetzt in einem offenen Brief direkt an die Gesellschafter von Radio Hamburg, die das zu entscheiden haben.
Wir sind der festen Überzeugung, dass für ein wirtschaftlich so erfolgreiches Unternehmen wie Radio Hamburg eine Bezahlung nach Tarif selbstverständlich sein sollte und ohne weiteres umsetzbar ist.
Wir beglückwünschen die Hörerinnen und Hörer, an die am Donnerstag spontan 50.000 Euro verlost werden! Wir sagen aber auch deutlich: Wer 50.000 Euro verlosen kann, kann auch einen tarifvertrag finanzieren!
Hier lest Ihr unseren Brief an die Gesellschafter:“
Axel Springer Verlag AG, RTL Group, Heinrich Bauer Verlag KG, Lühmanndruck Harburger Zeitungsgesellschaft mbH & Co. KG, Morgenpost Verlag GmbH
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind Radio Hamburg, mit uns als Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben Sie wirklich Glück. Jahr für Jahr erwirtschaftet Radio Hamburg verlässlich Millionengewinne. Sie haben sich an diesem Unternehmen eine Beteiligung gesichert, oder sind von Anfang an dabei und bekommen jedes Jahr entsprechende Gewinne ausgeschüttet. Das nennt man eine hervorragende Geldanlage!
Aber diese Gewinne verdienen sich nicht von selbst. Sie sind das Ergebnis unserer leidenschaftlichen Arbeit. Radio Hamburg ist ein Produkt, das von uns geschaffen wird. Von Menschen, die jeden Tag aufs Neue kreativ und engagiert dafür arbeiten.
Als Radio Hamburg im Jahre 2003 aus dem Tarifverband privater Rundfunk ausgetreten ist, wurde den Mitarbeitern versichert, dass sich dadurch nichts für sie verschlechtern wird, sondern die Konditionen auf Höhe des Entgelttarifs bleiben werden. Das entsprach leider nicht der Wahrheit. Seitdem sind die Einstiegsgehälter kontinuierlich gesunken, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für neue Kollegen in den Verträgen nicht mehr enthalten. Turnusmäßige Gehaltsanpassungen werden immer seltener oder fallen ganz aus.
Nachdem unsere Bemühungen um Anpassungen erfolglos waren, haben wir die Tarifforderung gestellt. Das daraufhin ergangene Angebot einer Betriebsvereinbarung liegt deutlich unterhalb des Tarifvertragsniveaus. Damit sind wir angesichts der hervorragenden wirtschaftlichen Lage von Radio Hamburg nicht einverstanden. Wie der Gesetzgeber es vorsieht, fordern wir einen fair verhandelten Haustarifvertrag, vereinbart zwischen Verhandlungspartnern, die auf Augenhöhe agieren. Dafür steht unsere Tarifkommission bereit.
Wir wenden uns an Sie, weil Sie als Gesellschafter die Entscheidungen treffen. Sorgen Sie dafür, dass wir – mit angemessenen Gehältern – auch in Zukunft unseren Hörerinnen und Hörern gemeinsam ein erfolgreiches Programm liefern können!
Wir sind Radio Hamburg, mit uns haben Sie wirklich Glück! Sorgen Sie dafür, dass es so bleibt!
Mit freundlichen Grüßen
https://youtu.be/lSyqGMOYKO8