Update: „Hack den VW“ – DAB+ Empfang gegen Herstellerwillen nachgerüstet

Langsam wendet sich das Blatt und auch die letzten Privatfunker gehen auf DAB+. Dafür mauert nun die Autoindustrie, für die DAB überhaupt erfunden wurde, und erlaubt keine reguläre Nachrüstung. Empfänger mit Saugnapf an der Windschutzscheibe sind unschön. Doch aus China kommt eine unkonventionelle, weniger aufdringliche Lösung, die RADIOSZENE-Autor Wolf-Dieter Roth getestet hat.

Mein Gesicht, wenn DAB+ Ausstattung keine Serienausstattung hat (Bild: Digitalradio Deutschland e.V.)
Mein Gesicht, wenn DAB+ Ausstattung keine Serienausstattung hat (Bild: Digitalradio Deutschland e.V.)

Vor ein paar Jahren war ich noch froh, im VW sogar durch die Werkstatt kostengünstig DAB+ Empfang nachrüsten lassen zu können. Doch nun war nach 24 Jahren Digitalradio im Auto Schluss: Bei den aktuelleren Modellen wird der DAB+ Empfang zwar stets ausführlich in der Anleitung beschrieben, doch wenn der Vorbesitzer des Autos ihn nicht tatsächlich geordert hatte, ist nichts zu machen.

73bf11d7c32644cdb5799a43f532399cDies ändert sich zukünftig wohl, wenn die Digitalradiofähigkeit von Autoradios bei Neuwagen Pflicht wird. Den VPRT ärgert es, er sieht hier einen Verstoß gegen Technikneutralität, DAB+ soll nicht möglich sein, auch und gerade wenn der Kunde es will.

Wie ärgerlich ein noch so modernes Automotive-Unterhaltungssystem ohne DAB+ ist, wurde mir dann nicht einmal nur durch das Fehlen meiner Lieblingsprogramme bewusst, die ich schließlich durch MP3s mit Aufzeichnungen guter Radiosendungen ersetzte, sondern durch den missglückten Ersatz des Verkehrsfunk-Kanals BR Verkehr durch „Fahren nach Navi“. Mit dem normalen Verkehrsfunk, der nur alle halbe Stunde verfügbar ist, kann ich beim Fahren wenig anfangen, doch die Endlosschleife von BR Verkehr ist eine sinnvolle Hilfe, um beim Losfahren zu kontrollieren, ob die geplante Strecke frei ist. Allerdings liefert BR Verkehr natürlich nur Verkehrsmeldungen aus Bayern.BR Verkehr-Logo (Bild: ©BR)Ein DAB+ Empfänger mit Saugnapf an der Windschutzscheibe plus Kabel oder Funkübertragung zum Autoradio kam nicht in Frage – ich war ja froh, endlich vom Navi an der Windschutzscheibe weggekommen zu sein, das sich immer im blödesten Moment im Kreisverkehr von dieser löste, womit sich das Zigarettenanzünder-Versorgungskabel ums Lenkrad wickelte und damit das Verlassen des Kreisverkehrs erschwerte. Vom anderen Fahrern ganz abgesehen, die einen solchen Kabelverhau im schönen neuen Gebraucht-Auto nicht akzeptiert hätten.

DAB+ Empfänger tarnt sich als MP3-USB-Stick

Doch dann erfuhr ich von einem neuartigen USB-DAB+ Empfänger (Bezahlter Link), der nicht wie die bislang üblichen Modelle mit einer PC-Software zur Dekodierung arbeitet, sondern direkt die empfangenen Signale in MP3-Streams umwandelt. Diese werden dann als vermeintlich sieben Stunden lange MP3-Dateien auf dem USB-Stick abgelegt. Damit können sie am Computer mit einem MP3-Abspielprogramm wie Winamp gehört werden – und an vielen (aber nicht allen!) modernen Autoradios, die Musik von USB-Sticks wiedergeben können, ebenso.

DAB+-Senderliste als "MP3-Verzeichnis" auf VW Werksradio (Bild: ©Wolf-Dieter Roth)
DAB+-Senderliste als „MP3-Verzeichnis“ auf VW Werksradio (Bild: ©Wolf-Dieter Roth)

Der Stick kann nur direkt aus China bezogen werden, damit ist er preisgünstig, doch mit langer Lieferzeit. Zudem ist das Umwandeln von DAB+ auf MP3 natürlich mit Qualitätsverlusten verbunden und die Bedienung mangels eines eigenen Interfaces unkomfortabel: Man kann lediglich durch Auswahl der abzuspielenden Datei den Sender wählen. Es gibt keine Titelanzeigen oder gar Slides. Zudem ist jedes Umschalten mit einer Wartezeit verbunden, bis genügend Daten eingelesen sind. Und nicht jedes Autoradio lässt sich die MP3-Dateien, die ja eigentlich Streams sind und gar nicht real existieren, erfolgreich unterschieben. Für knapp 20 € war es mir dennoch einen Versuch wert.

Testergebnisse

Der Stick wird ohne jede Anleitung geliefert. Ohne DAB+ Empfang leuchtet er rot, mit schlechten Empfang blinkt er rot, mit gutem Empfang leuchtet er grün. Beim Suchlauf blinkt er rot-grün. Ein Suchlauf ist zunächst manuell auszulösen, bevor Empfang möglich ist. Der hierzu zu betätigende sehr kleine Taster seitlich am Stick ist kaum zu erkennen – dies sollte man deshalb vor dem Einbau im Auto bereits einmal am PC testen

Am PC mit Winamp wird mit etwa 7 Sekunden zwischen den Stationen umgeschaltet. Im Auto am VW-System sind es etwa 20 Sekunden. Der Werbung durch „Wegdrücken“ zu entkommen, kann man hier also vergessen. Aber immerhin gehört das VW-System zu den Geräten, bei denen es funktioniert.

Umlaute im Sender- oder Ensemblenamen werden nicht immer korrekt wiedergegeben (Bild: ©Wolf-Dieter Roth)
Umlaute im Sender- oder Ensemblenamen werden nicht immer korrekt wiedergegeben (Bild: ©Wolf-Dieter Roth)

Bei schlechtem Empfang verhält sich das System wie Webradio mit Buffern – einzelne Sequenzen werden wiederholt. Wer also einen DAB+ Gegner im Auto hat, kann diesem glaubhaft versichern, er höre Webradio über Mobilfunk…

Auf den höheren DAB+ Kanälen ist der Empfang gut, sowohl BR Verkehr als auch Rockantenne sind im Sendegebiet einwandfrei zu empfangen. Nach Fahrpausen läuft der Stream auch wieder selbsttätig an, nur nach spätestens sieben Stunden Fahrt ist naturgemäß Schluss.

Außerdem sollte ab und zu ein neuer Suchlauf ausgelöst werden – bei Wechsel der Kanalbelegungen erklingt sonst bei der Auswahl von BR Verkehr stattdessen die Volksmusiik von BR Plus und bei der Auswahl der Rockantenne stattdessen Bayern 4 Klassik.

Bundesmux: Schwierig

Im Kanal 5C, beim Empfang von Schwarzwaldradio im Bundesmux, ist die Empfindlichkeit dagegen sehr schlecht – in 25 km Entfernung vom Grundnetzsender Ulm-Kuhberg kamen die ersten Aussetzer und bei spätestens 35 bis 40 km Entfernung ist Schluss. Hier würde eventuell ein längeres Antennenkabel helfen, dieses reicht im VW mit USB-Stecker in der Nähe des Zigarettenanzünders nur bis aufs Armaturenbrett, aber nicht bis an die Windschutzscheibe. Angesichts des ohne Verlängerung unauffälligen und akzeptierten Einbaus wurde hierauf verzichtet. Das Wichtigste – Empfang des Verkehrsfunks und zumindest der landesweiten Ensembles in akzeptabler Qualität – konnte erreicht werden.

Aufwertung des Navis durch Verkehrsfunk

Es ist ein Trauerspiel, dass der VW-Navi seine Informationen nur über UKW empfängt. Damit sind diese sehr unspezifisch. So warnt er schon einmal per Direkteinblendung „Gefahr auf der A96“, doch erst BR Verkehr liefert die konkrete Information „Personen auf der Fahrbahn zwischen Mindelheim und Bad Wörishofen“. Im Team von Verkehrsfunk und Navi ist das Ganze nun aber brauchbar, auch wenn ein Navi mit der höheren Datenrate des DAB+ Empfangs noch besser wäre.

Zudem kann der Stick auch ohne Probleme in Firmen- oder Mietwagen verwendet werden. Natürlich ohne Garantie, dass es am konkreten Radio funktioniert, aber auch ohne großen Einbau-Aufwand: In den USB-Port des Autoradios stecken und dann den USB-Stick als Abspielgerät aufrufen, falls das Autoradio nicht ohnehin auf diesen umschaltet – fertig.

Problem: Geringe Lebensdauer!

So genial die Grundidee des Sticks ist, so problematisch ist jedoch die Technik dahinter: Billiger Multilevel-Flash-Speicher kann zwar beliebig oft verschleißfrei gelesen werden, doch die Schreibzyklen sind begrenzt. Wird wie beim DAB+-MP3-Stick kontinuierlich in eine Datei auf dem Stick geschrieben, übrigens auch bei abgeschalteter Zündung und abgeschaltetem Radio, solange die 5 V Versorgungsspannung am USB-Port anliegen, so lebt dieser nur wenige Wochen. Man darf ihn also wirklich nur zum Radiohören anstecken. „Fest installieren und dann vergessen“ kann man dagegen vergessen.

Alternativen

Immerhin baut VW seit dem Erscheinen dieses Artikels DAB+ wieder in seine Autoradios ein. In den ID-Elektromodellen ist es sogar ein sehr guter Empfänger und diese sind natürlich auch als Auto wesentlich angenehmer, aber man kann ja nun kein neues Auto kaufen nur weil der Aschenbecher voll ist das Radio nichts taugt. Wer allerdings einen VW aus den hier beschriebenen Baujahren hat, muss die gesamte Multimedia-Einheit austauschen, um regulär zu DAB+ zu kommen und hat dann teils auch noch mit zu früh einsetzendem Squelch (Stummschaltung bei schwachem Empfang) zu kämpfen, was sich wie ein stocktauber Empfänger äußert.