Im kleinen Saarland haben sich die Bürokraten eine Art Südseeparadies geschaffen. Da gibt es eine komplette Behörde, die einen einzigen ansässigen Radiosender zu überwachen hat – Radio Salü. Außerdem darf Jam FM auf ein paar lokalen Mini-Frequenzen senden. Das war’s. Wohl, um sich die Langeweile zu vertreiben, hat sich der Anstaltsleiter etwas Neues ausgedacht. Er hat sich eine Art privates Internetportal geschaffen, auf dem er ausführlich seine Meinung zu diversen TV-Formaten kundtut und die geneigte Leserschaft auffordert, ihm nach Kräften zuzustimmen. Das zwangszahlende Volk äußert sich allerdings unerwartet biestig.
Damit klar ist, welche Meinungen die Medienanstalt wünscht, heißt das Portal programmatisch www.programmbeschwerde.de. „Gerade angesichts der in letzter Zeit im Fernsehen angebotenen neuen Programm-Formate wie ,Dschungelshow’, ,Big Brother’ und des Programmstarts von ,Fear Factor’ will es die Landesmedienanstalt Saarland nicht versäumen, neue Wege zu gehen“, schreibt Direktor Dr. Gerd Bauer zur Begrüßung auf der Startseite und stellt klar, seine Behörde lasse sich nicht abhalten, „nachdrücklich öffentlich Stellung zu beziehen und eine breite Diskussion darüber mit zu veranlassen, wohin die Reise im deutschen Fernsehen mit solchen Programmformaten geht und ob damit gesellschaftlich bisher weitgehend respektierte Grundwerte in Frage gestellt werden.“
Wer die Links klickt, findet z.B. eine Zusammenfassung verschiedener gesetzlicher Grundlagen. Vorderhand werden da die Programmgrundsätze der ARD zitiert. Ein weiterer Link führt auf ein Formular, auf dem man seine „Programmbeschwerde abgeben“ kann. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die eingereichten Beschwerden zu lesen. Die sind eher nicht im Sinne des Erfinders. Sie stammen derzeit vor allem von Leuten, die sich vorzugsweise über die öffentlich-rechtlichen Programme beschweren oder die Frage aufwerfen, wieso Dr. Bauer sich eigentlich ständig mit allem Möglichen zu Wort melden müsse. Die von der Anstalt gesuchten Medienblockwarte scheint es nicht zu geben – so schlimm steht es also wohl noch nicht um Deutschland.
Oder doch? Der deutsche Presserat befürchtet dieser Tage eine „zunehmende Einengung der Pressefreiheit durch verschiedene Gesetzentwürfe und europäische Rechtsprechung“. Unvergessen: Der Interviewboykott des Bundeskanzlers gegenüber kritischen Medien oder willkürliche Durchsuchungen von Redaktionsräumen – dabei spielt es keine Rolle, ob man Bild oder Stern mag oder nicht. Schon mehrfach beklagt: Der vorauseilende Gehorsam etlicher Agentur- und Nachrichtenjournalisten, die – bewußt oder aus Bequemlichkeit – banale Politikersätze für Nachrichten halten.
Selbstverständlich darf man in einem freien Land auch Medien kritisieren. Und natürlich darf man „Fear Factor“, „Sperm Race“ und Konsorten für unsäglich erklären, was ich hiermit ausdrücklich tue (aus freien Stücken, nicht, weil Herr Direktor Dr. Bauer das vorschreibt). Die Dschungelshow fand ich andererseits streckenweise wirklich witzig. Das darf ich auch. Noch?
Übrigens zählen auch Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit zu gesellschaftlich weitgehend respektierten Grundwerten. Die „Initiative“ der saarländischen Medienanstalt ist nichts als Populismus. Welches Ziel dahinter steht, darüber mag jeder für sich spekulieren.
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.
E-Mail: christoph@radioszene.de