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2. Medientreff NRW: Vom Nutzen des Hörers

Von Frank Wallitzek

Medientreff-NRW-smallEs soll um Hörerbindung gehen beim 2. Medientreff NRW, vor der malerischen Kulisse des Siebengebirges in Bad Honnef am Rhein. Was erwarten Hörer in Zeiten von iPod, Podcast und unzähligen im Internet individuell nach Geschmack per Mausklick zusammenstellbaren Audio- und News-Angeboten eigentlich noch vom klassischen Radio? Die Radionutzung geht seit Jahren tendenziell zurück. Nicht dramatisch, aber spürbar – und jedes Prozent kostet die Sender bares Geld. Wo zieht es die Hörer hin? Oder besser: was hält sie bei uns?

Christian Schalt, Geschäftsführer der Radioservice Berlin mit ihren Marken 94,3 rs2 und 98.8 KISS FM gibt zunächst Entwarnung: „Radio wird weiter attraktiv bleiben. Hörer schätzen unsere Zusammenstellungskompetenz. Menschen, die für ihre Hörer eine Auswahl treffen und Personalities, die sie glaubhaft präsentieren. Playlisten oder Podcasts im Netz zusammenstellen ist hingegen aufwändig, oft mühsam, teilweise ja auch mit Kosten verbunden. Radio ist fertig und die Nutzung – abgesehen von GEZ und Geräteanschaffung – weitgehend kostenfrei.“

Medientreff NRW: Marion Cürlis, Thijs Bakker, Christian Schalt
Medientreff NRW: Marion Cürlis, Thijs Bakker, Christian Schalt

Dennoch plädiert Schalt für Zusatzangebote im Netz, z. B. in Form von Sparten-Streams: wer Rock spielt, bietet eben zusätzlich Pop auf einem Internet-Kanal. Oder Lounge-Musik – FFH macht es schon lange vor. In NRW finden sich aber bislang lediglich vereinzelt „Christmas-Channels“ oder „Karneval-Streams“, kein Lokalradio bietet einen dauerhaften zweiten oder gar dritten Kanal im Netz. Ebenso wichtig sind für Schalt Sender-Apps, z. B. für Smartphones wie das iPhone, aber auch das iPad und Android-Systeme. Es gilt schlicht, überall mitzumischen im Internet: auch, wenn sich damit oft kein Geld verdienen lässt, es im Gegenteil sogar Geld kostet – es bindet Hörer an die Marke und damit an den Sender.

Höreraktionen und Hörerbindung
Crazyphones und klassische Mehrwert-Gewinnspiele (Geld, Autos, Reisen) sieht Schalt weiter als wichtige Tools zur Hörerbindung: „Entertainment ist dabei ein ganz wichtiger Faktor.“ Letztlich aber sei die Qualität des Programms entscheidend: „Jede taktische Maßnahme wird verpuffen, wenn das Programm nicht stimmt.“ ffn-Programmdirektorin Ina Tenz geht sogar noch einen Schritt weiter: „Uns geht es bei Mehrwert-Gewinnspielen längst nicht mehr ums Geld verdienen. Wenn es die Marktsituation verlangt, verzichten wir sogar auf teure Gewinnspiel-Hotlines. Wir verfolgen mit Gewinnspielen in erster Linie strategische Ziele zur Verteidigung unserer Marktführerschaft.“ Tenz sagt, das Gewinnspielpotential für die Quote läge nach eigenen Erhebungen bei rund 4 Prozent – Radiomacher wissen, dass das bereits eine entscheidende Größe ist.

Mehrwert-Gewinnspiel oder „Talk of Town“-Aktion? Beides!
Interessante Einsichten bot SWR3-Wellchef Thomas Jung in die öffentlich-rechtliche Gewinnspielwelt: mit Blick auf die Gebührenfinanzierung muss hier auf große Geld-Gewinnspiele, wie sie private Anbieter veranstalten, verzichtet werden, das sei „manchmal zugegebenermaßen etwas schmerzhaft“, sagt Jung. SWR3 konnte dafür in der Vergangenheit mit kreativen Aktionen und Gewinnspielen überzeugen, wie zum Beispiel der SWR3-Grillparty, bei der über 6.000 registrierte Grill-Communties Zuhause am Radio mitgrillten. Auch Hörerreisen mit Prominenten, zum Beispiel mit Reamonn nach Irland, oder eine Städte-Tour der Morgenmoderatorin Politi seien beliebte „Talk of Town“-Aktionen der jüngsten Vergangenheit gewesen. Spaß beim Mitmachen und Zuhören oder aber der Gewinn von exklusiven Events steht bei SWR3 also im Vordergrund, ähnlich beschreibt WDR5-Wellenchef Florian Quecke die Ausrichtung der WDR-Programme 1Live, WDR2, WDR4 und WDR5: „Auch bei uns steht nicht die Höhe der Gewinnsumme im Vordergrund, sondern die originelle Spielidee: So konnte man bei 1Live über Wochen einen lebenslangen Vorrat gewinnen – z. B. an Jeans oder Tiefkühlpizza“. „Stunts“ nennt Ina Tenz von ffn solche Aktionen und sie finden auch bei den Privaten statt: zusätzlich zu den Mehrwert-Gewinnspielen. Interessant: die SWR3-Marktforschung sieht einen schnellen Burn-Out bei Aktionen: „Deshalb machen wir keine Aktion mehr länger als zwei, maximal drei Wochen – inklusive Bewerbungsphase der Aktion im Programm.“

Medientreff NRW: Thomas Jung, Ina Tenz, Kristof Wachsmuth, Klaus Gräff, Florian Quecke
Medientreff NRW: Thomas Jung, Ina Tenz, Kristof Wachsmuth, Klaus Gräff, Florian Quecke

Hörerbindung im Internet: auch mit einfachen Mitteln möglich
Social-Media und Internet, da war sich das Panel einig, ist ein wichtiger Faktor zur Hörerbindung: SWR3-Programmchef Jung zeigte gleich mehrere SWR3-Web-TV-Clips und berichtete von Rückmeldungen und Beteiligung aus aller Welt. Ihm steht allerdings auch eine eigene Online-Redaktion zur Verfügung – davon können die meisten Privaten nur träumen. Aber auch mit einfachen Mitteln, lässt sich viel bewegen, wie ffn-Chefin Tenz berichtet: mit Facebook-Seiten zum Beispiel. ffn-Morningman Franky’s Studiohund Bizkit zählt bei Facebook inzwischen rund 2.900 Fans – Hauptkonkurrent Hitradio Antenne kommt mit seiner Facebook-Seite dabei gerade mal auf 2.400 Fans. Im Netz ist für Radiosender vieles möglich: Klaus Gräff, Geschäftsführer der RBC business to Media Consumer aus Hamburg stellte gleich diverse Möglichkeiten vor – von eigenen gebrandeten Produktion bis hin zum kompletten Auto-Gewinnspiel als Rückwärtsversteigerung im Internet.

Situation in NRW: Informieren oder kapitalisieren?
Viel Nachholbedarf also für die NRW-Lokalradios? Am Know-How mangelt es in der Branche jedenfalls nicht. Aber grade in NRW stellt sich für die 45 Lokalradios mit unterschiedlichen Betreibern schnell die Kostenfrage, denn im Netz sind Hörer Nutzer – und jeder kostet – Stichwort Streaming – Geld. Und der Streuverlust ist unter Umständen hoch: gerade Nutzer außerhalb der meist kleinen Verbreitungsgebiete zählen bei keiner EMA.

Wem gehört das Internet in NRW?
Vertreter der Betreiber- und Veranstaltergesellschaften und des Verbands lokaler Rundfunk diskutierten darüber auf dem letzten Panel – herausragend moderiert von Radio MK-Chefredakteur Andreas Heine, der sich auf gewohntem Terrain souverän bewegen konnte: zwischen den Stühlen von BG und VG. Heine stellte gleich zu Beginn die provozierende Gretchenfrage: Wem gehört eigentlich das Internet-Angebot der Lokalstationen? Der Betreibergesellschaft, die sie vermarktet oder der Veranstaltergemeinschaft, die sie redaktionell bestückt? Und: Wieviele Online-Redakteure im NRW-Lokalfunk gibt es eigentlich? „Meines Wissens nicht einen einzigen“, sagt Frank Böhnke vom Verband lokaler Rundfunk NRW.

Nachholbedarf auf beiden Seiten
Aber es gibt sie natürlich: bei den Vermarktern HSG oder AMS zum Beispiel, letztere haben sogar ein Tarifmodell für Mitarbeiter für die Redaktionen entwickelt: wer sich hier zusätzlich um das Online-Angebot kümmert, bekommt mehr Geld. Und woher kommen die lokalen Inhalte? „Da sind wir oft noch auf das Engagement der Redakteure angewiesen, die Fotos, Texte, teilweise Videos zusätzlich zur Aufbereitung für das Programm nebenbei ins Netz stellen. Doch dabei darf das Kerngeschäft natürlich nicht vernachlässigt werden“, sagt Christa Müthing, VG-Vorsitzende der Lokalradios Mülheim/Oberhausen. Heines Nachfrage, ob künftige Ausbildungspläne für Volontäre das Thema Online berücksichtigen würden, wurde eher vage beantwortet: Ja, darüber müsse man natürlich reden.

Frank Böhnke, Christa Müthing, Andreas Heine, Dietmar Henkel, Uwe Wollgramm
Frank Böhnke, Christa Müthing, Andreas Heine, Dietmar Henkel, Uwe Wollgramm

Uneinigkeit herrscht in NRW auch weiter über landesweit durchgeführte Gewinnspiele des Rahmenprogramm-Anbieters radio NRW: wieder machen einige Lokalstationen beim aktuell laufenden Mehrwert-Gewinnspiel „Geldregen“ im Lokalprogramm schlicht nicht mit, profitieren aber in vollem Umfang von den Ausschüttungen der Gewinne durch radio NRW. Auch hier besteht Reform-Bedarf, ohne gleich „zum Totengräber des Zwei-Säulenmodells werden zu wollen“, hieß es von beiden Seiten.

Die schwierigen Strukturen des Zwei-Säulen-Modells in NRW wurden am Thema Internet-/Social-/ und Cross-Media-Angebote der Lokalradio wieder einmal offenbar, einfach zu lange dauern die Abstimmungsprozesse zwischen BG und VG: „Wir müssen da schneller werden“, räumt HSG-Chef Dietmar Henkel ein. „Wir müssen in erster Linie besser werden, schneller sollte nur ein Teil davon sein“, ergänzt Frank Böhnke vom Verband lokaler Rundfunk NRW.

(Der Autor Frank Wallitzek ist Redakteur und Morgenmoderator bei Radio Bonn/Rhein-Sieg)
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