Bitter
Lemmer: Linux-Medien: ARD als Open Source
Possenrepublik
Deutschland: Der Kanzler wirbt für eine breite Mißtrauensbasis,
um dem Volk zu empfehlen, dieselben Zustände wiederzuwählen,
die zur Zeit das Regieren unmöglich machen. Gleichzeitig eröffnet
die ARD ihren ersten Privatsender. Warum also sollten die Privaten
nicht die volkseigenen ARD-Ressourcen für sich nutzen dürfen?
Die Gebührenregeln sind ja eindeutig: Es kommt nur darauf an,
daß der Bundesbürger ein Empfangsgerät besitzt. Besitzt
er eines, muß er für ARD und ZDF bezahlen. Was er hört
oder sieht, ist unwichtig. Das ist unfair, weil der Bürger möglicherweise
niemals staatliches Fernsehen guckt oder staatliches Radio hört.
Der Privatmediengenießer zahlt, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.
Jetzt
gibt es zwei Möglichkeiten, dieser Ungerechtigkeit abzuhelfen:
Entweder zahlt nur noch der Staatshörer an die GEZ, oder aber
die bezahlte Leistung ist auch im Privatfunk abrufbar. Ersteres wurde
schon tausendfach diskutiert und diverse Male vor Gerichten ausgefochten – immer
vergeblich. Letzteres ist meines Wissens neu.
Funktionieren
könnte das so: Jeder Sender, Radio wie TV, hätte
kostenlosen Zugriff auf alle Ressourcen der staatlichen Anstalten.
Deren Töne, Bilder, Texte, Korrespondentenberichte und Webseiten
wären öffentliches Eigentum, sie würden quasi vergesellschaftet – eigentlich
doppelt vergesellschaftet, sie sind ja auf gewisse Weise ohnehin schon
Gesellschaftseigentum. Jeder könnte sich in Open-Source-Manier
daraus bedienen und alles nach Wunsch und Laune verändern, kürzen
oder ergänzen. Die Privatsender hätten schlagartig Zugriff
auf gewaltige Archivbestände, großartige Literaturlesungen,
musikalische Aufführrungen aller Art, weltweite Berichterstatter
in Ton und Bild, Sportrechte und andere feine teure Spielsachen. Die
Mitbenutzung der GEZ-finanzierten Funkhäuser müßte
im Grunde auch dazugehören, denn auch dafür wird ja das Hörergeld
verwendet.
Damit
endlich wäre der unfaire Umgang mit den Gebührenzahlern
beendet: Die bekämen auf jeder Welle – privat wie ÖR – Programmteile
zu sehen und zu hören, für die sie ja ohnehin bezahlen müssen.
Damit ließe sich dann einleuchtend begründen, warum allein
der Besitz des Geräts zum Zahlen verpflichtet. Denn dann fänden
sich ja auf jedem Kanal Inhalte, die mit dem Gebührengeld erstellt
wurden. Was immer der Hörer oder Seher einschaltet – er
bekäme eine Gegenleistung für seine Leistung.
Natürlich könnte man die Sache auch umgekehrt angehen. Die
ARD könnte die Privatsender übernehmen. Das wäre im
Sinne einer wilhelminischen Staatsraison vielleicht die bessere Variante,
weil dann ausschließlich nur noch solche Programme zu hören
wären, die letztlich von Parteien-dominierten Rundfunkräten
und Intendanten überwacht und kontrolliert würden. Wie es
scheint, befinden wir uns gerade mitten in einer Restauration, die
die Hohenzollern, würden sie wieder zur Macht gelangen, nicht
besser in Szene setzen könnten.
Ausgerechnet
die normalerweise recht fitte Berliner Medienbehörde
hat einer ARD-Tochter eine Radiolizenz erteilt, Radio Teddy. 25,1 Prozent,
also eine Sperrminorität, gehört einer gewissen Firma Askania
Radio GmbH i.G. Die wiederum gehört zu 100 Prozent der Firma Odeon,
und die wiederum den Bavaria Filmstudios. An dieser Stelle beendet
die MABB die Aufschlüsselung der Eigentumsverhältnisse. Dabei
weiß jeder, daß die Bavaria auch ihre Eigentümer hat,
nämlich diverse ARD-Anstalten. Hier waren die Bayern ausnahmsweise
fixer, als sie die ARD-Bavaria-Odeon-Schöpfung Loft TV jedenfalls
fürs erste abschalteten.
In Zeiten,
in denen der deutsche Kanzler sich nach Mißtrauen
sehnt, scheint das amtliche Preußen also größere Sehnsucht
nach dem ollen Wilhelm zu haben als die Bayern nach ihrem Kinni. Und
staunend schauen wir nach England, wo die Queen bekanntlich höchst
lebendig ist: Ihrer Majestät öffentliche BBC hat dort unlängst
immerhin die Web-Inhalte für jeden Untertanen zur freien Verwendung
freigegeben, wenngleich noch mit der Bedingung, daß die Quelle
der verwendeten Inhalte zu nennen sei. Das Ganze ist ein befristeter
Versuch – an dessen Ende die Open-Source-Variante des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks stehen könnte.
Allerdings
regiert in England auch ein Premierminister, der wohl im Traum nicht
auf die Idee käme, um Mißtrauen seiner Anhänger
zu buhlen.