Jim Taszarek: „Internet wird wichtiger als Radio“

Radio und Internet verschmelzen zu einem „New Radio“

Die Themenauswahl auf allen Messeveranstaltungen in Deutschland zeigt dieses Jahr noch deutlicher als früher, dass das Internet für alle Medien immer wichtiger wird. Die Radiomacher insbesondere beschleicht ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend: wird das Web gar wichtiger als das Radio?

Für Radiomarketing-Spezialist Jim Taszarek aus Arizona ist das bereits eine unausweichliche Zukunftsvision. RADIOSZENE-Chefredakteur Ulrich Köring sprach mit ihm am Rande der Lokalrundfunktage in Nürnberg über die Bedeutung dieser rasanten Entwicklung für die deutschen Hörfunkbetreiber.

„Radio wächst nur sehr langsam, Internet dafür wie eine Rakete“

In den USA z.B. haben die Umsätze im Web die gesamte Radioindustrie überholt. Das ist ein ziemlich deutlicher Hinweis dafür, dass das auch anderswo passieren wird. Die Frage für uns Radiomacher ist nur: wie können wir uns darauf vorbereiten und uns die Entwicklung zu Nutze machen? Jim Taszarek glaubt an eine neue Form des Radios, die komplette Verschmelzung zwischen Internet und Radio als eine unzertrennbare Einheit und nennt es elegant „New Radio“.

Jim (Taz) Taszarek auf den Lokalrundfunktagen Nürnberg 2008 (Bild: Ulrich Köring)
Jim (Taz) Taszarek auf den Lokalrundfunktagen Nürnberg 2008 (Bild: Ulrich Köring)

Die Kombination von Radio und Internet macht Radiosender sehr mächtig. Kein anderes Medium kann so leicht Hörer zu Webbesuchern machen, indem es auf spezielle Webangebote hinweisen kann, bei denen der Radiobetreiber mitverdienen kann. Noch sind die Umsätze im Internet verhältnismässig klein im Vergleich zu den Erlösen über Spots. Aber das Internet steht erst am Anfang, UKW-Hörfunk gibt es ja schon über 50 Jahre.

Radio befindet sich in der Sättingskurve rechts oben, Internet in den Kinerschuhen links unten.
Radio befindet sich in der Sättingskurve rechts oben, Internet in den Kinerschuhen links unten.

Vor über 50 Jahren hat man den Werbespot erfunden. Das war (und ist noch immer) eine gute Methode, um für die Werbewirtschaft Erfolge zu erzielen. Wer aber sagt, das der Spot heutzutage noch das Hauptprodukt eines Radiosenders sein muss?

Taszarek ist davon überzeugt, dass man als Radiosender über den Tellerrand schauen muss, abseits aller Einschränkungen, die dem Sender z.T. gesetzlich vorgeschrieben sind. Man müsse nur nachdenken, was man für den Erfolg seiner Werbekunden alles tun kann. Der Vorteil im Netz ist: es gibt keinen Tellerrand!

Mittelfristig werden Spots nur noch die Aufgabe haben, die Hörer auf Webseiten zu lenken (Vorbild: www.skyrock.fm). In den nächsten fünf bis sieben Jahren werden Spots natürlich noch das wichtigste Medium für die Erlöse von Radiosendern sein, so Taszarek weiter. Die Erträge über Webseiten sind noch immer vergleichsweise niedrig, aber es gibt schon Sender in anderen Ländern, die 20 Prozent ihres Umsatzes im Internet machen. Die beste Methode, um sich auf die Zukunft vorzubereiten ist, sich alle Radio-Webseiten in der ganzen Welt genau anzuschauen und Ideen zu sammeln.

Vergleich der Werbe-Erlöse in den USA von 2006 bis 2011 im Workshop "Radio 2.0"
Vergleich der Werbe-Erlöse in den USA von 2006 bis 2011 im Workshop „Radio 2.0“

„Zugriffszahlen sind nicht das Maß für Erfolg im Internet“

Die Radiogruppe Golden West Radio in Kanada z.B. macht interessante Experimente mit Portalen, die man sich anschauen solle: goldenwestradio.com. Vorbilder gibt es aber auch in Australien, Brasilien oder Peru, wo einfache Ideen auf den Webseiten offenbar sehr gut funktionieren. Man hat zwar keinen Einblick in deren Zugriffsstatistiken, aber das braucht man auch gar nicht. Man sollte nur beobachten, was die Sender im Web für ihre Werbekunden tun. So misst man den Erfolg.

Jim Taszarek: „In New York oder Los Angeles ist es ziemlich leicht, eine Million Pageimpressions in der Woche auf der Homepage zu generieren. Aber die Frage ist: bringt es auch etwas für die Werbekunden? In ganz kleinen Städten von Kansas oder Nebraska verlassen sich die Werbekunden jeden Tag auf die Webseiten der Sender, weil sie ihnen messbare Erfolge liefern.

Das bedeutet, dass das Internet für Lokalradios sogar viel wichtiger ist als für große Regionalsender. Dort lassen sich auch mit ganz kleinen Geschäften unbürokratisch innovative Ideen auf den Webseiten umsetzen. Das ist die neue Währung im Web: „Schau nicht auf die Zahlen, schau auf die Ideen!. Wir leben jetzt in einer Zeit, wo die Idee gewinnt, nicht die Größe“, so das Fazit von Jim Taszarek.

Jim "Taz") Taszarek im RADIOSZENE-Interview (Bild: Ulrich Köring)
Jim „Taz“) Taszarek im RADIOSZENE-Interview (Bild: Ulrich Köring)

RADIOSZENE-Interview mit Jim Taszarek (mp3)

Update vom 26.02.2016

Wie heute bekannte wurde, die US-Radiolegende Jim Taszarek am vergangenen Donnerstag an Krebs gestorben. Er hinterlässt damit eine große Lücke in der US-amerikanischen Radioszene, denn er galt vor allem im Radio-Marketing als Koryphäe. „Taz“, wie seine Kolleginnen und Kollegen ihn immer gerne nannten,  begann seine Karriere im Jahr 1965 als Discjockey in St. Louis. Er stieg schnell in die Geschäftsführerebene auf und holte sich viele Talente aus dem ganzen Land.

Marketing-Guru Jim Taszarek referiert auf den Lokalrundfunktagen 2008 über mögliche Einnahmequellen für Radiowebsites (Bild: Ulrich Köring)
Marketing-Guru Jim Taszarek referiert auf den Lokalrundfunktagen 2008 über mögliche Einnahmequellen für Radiowebsites (Bild: Ulrich Köring)

Dem größten Teil seiner Karriere widmete sich Taz von 80er Jahren bis 1995 dem Sender KTAR News, der Umsatz des Senders stieg unter seiner Führung von $300.000 auf 3 Mio. Dollar.

Jim Taszarek gründete 1996 dann TazMedia, ein Beratungsunternehmen für Rundfunk-, Online- und Printmedien, das viele Sender maßgeblich beeinflusste.

Links:
Lokalrundfunktage Nürnberg
Tazmedia.com