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Gustl Viertbauer: „Vergesst Musik-Research!“

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Die Radiolandschaft hat sich verändert. Zuerst stellte Bayern 1 das Programm um, dann folgten andere öffentlich-rechtliche Programme und reduzierten ihren Anteil an deutschsprachiger Musik zum Teil drastisch. Diese Veränderung traf Musiker und Musikmanager nahezu plötzlich und unerwartet. Zeit also, mal Betroffene zu fragen. Menschen aus der deutschsprachigen Musikszene, die bis zum heutigen Tag erfolgreiche Produkte, also Künstler betreuen, oder selbst erfolgreiche Künstler sind.

Gustl Viertbauer (Bild: privat)
Gustl Viertbauer (Bild: privat)

Heute sprechen wir mit Künstlermanager Gustl Viertbauer. Er betreut seit Jahren unter anderem die beiden Bands Die Seer, sowie das Nockalm Quintett. Die Nockis gibt es bereits seit 1982. Angefangen haben sie als Volkstümliche Band und wechselten dann immer mehr in Richtung Schlager.

RADIOSZENE: Wie wichtig sind für Euch die Radiosender in Deutschland, Österreich und der Schweiz heutzutage?

Gustl Viertbauer: Sehr wichtig, zumal wir nicht nur in Airplay sondern auch in Kooperationen für Konzerte bei Sendern denken, die auch die Schlager vom Nockalm Quintett im Programm haben. 

RADIOSZENE: Hat sich im Umgang mit den Radiostationen etwas geändert?

Gustl Viertbauer: Natürlich. Für mich ist die Argumentation rund ums Formatradio zunehmend weniger nachvollziehbar. Es geht doch ums Musikformat – in diesem Falle um Schlager – und nicht darum, in welches Format die Künstlernamen passen würden. Wenn ich aus deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfundsendern höre, man könne die Musik des Nockalm Quintett nicht spielen, weil das Wort „Alm“ im Namen enthalten ist, verschlägt es mir die Sprache. Dieses Argument hebt sich aber sowieso auf, denn wann werden heute Songs noch anmoderiert? ‚Play it – say it‘ – das gilt doch schon lange nicht mehr. Und überhaupt: Bei den Toten Hosen ist auch nicht alles „tot in der Hose“ – hat das Auswirkungen auf Airplay?

RADIOSZENE: Gibt es Erfolg auch ohne Radio-Airplay?

Gustl Viertbauer: Ja – die Musik findet zu den Menschen. Ein Hit lässt sich nicht verhindern, aber mit Radio geht es schneller und nachhaltiger! Es gibt aber auch viele Beispiele, wo Songs mit wenig bis gar keiner Radiounterstützung zu Hits geworden sind. Erstaunlich ist, dass diese dann, wenn sie Hits sind im Programm stattfinden, obwohl sie zuerst abgelehnt wurden. Dass sich das perfekte Musikmedium Radio davon verabschiedet hat Hits zu machen und nur mehr Hits spielt, sehe ich als Vertrauensverlust gegenüber den Hörern. Denen wird das ‚entdecken‘ von neuen Hits vorenthalten. 

Gottfried Würcher und Manager Gustl Viertbauer (Bild: privat)
Gottfried Würcher und Manager Gustl Viertbauer (Bild: privat)

RADIOSZENE: Wie geht ihr mit kleinen Stationen um und mit den immer mehr werdenden Internetradios?

Gustl Viertbauer: Von uns wird jeder, der die Musik des Nockalm Quintett spielen möchte, gerne bemustert, sofern wir hierzu die Freigabe unserer Plattenfirma Universal erhalten. Es gibt kein unwichtiges Medium. 

RADIOSZENE: Schlager verschwindet ja immer mehr aus der UKW-Radiolandschaft (vor allem in Deutschland). Was bedeutet das für Euch?

Gustl Viertbauer: Dass es schwieriger wird, mit neuen Liedern an das Publikum zu kommen. Aus vielen Gesprächen weiß ich auch, dass die Redakteure teilweise mit Entscheidungen, Schlager und Volksmusik aus dem Programm zu entfernen, nicht glücklich sind. Bei Off Air-Veranstaltungen greift man allerdings gerne auf Schlager Acts zurück, obwohl man sie nicht im Programm spielt. Warum wohl ?

RADIOSZENE: Die Musik des Nockalm Quintett hat sich im Laufe der Jahre verändert – von der volkstümlichen Musik bzw. Schlager hin zum Popschlager. Hatte das mit den Radiosendern zu tun?

Gustl Viertbauer: Bei unseren Konzerten kommen Menschen die in der Mehrheit 40+ sind. Das hat damit zu tun, dass wir mit unseren Liedern jünger und mit den Arrangements zeitgemäßer geworden sind (unser Titel „ Zieh dich an und geh“ steht knapp vor 3 Millionen Klicks auf Youtube). Diese Entwicklung  wurde  bei von vielen Redakteuren gewünscht und ist (in Österreich) auch bei allen angekommen. Manche, auch im Schlagerformat ansässige Hardliner, vor allem in Deutschland, wehren sich aber immer noch (leider erfolgreich und von den Senderchefs akzeptiert) dagegen. Diese „Hüter des  guten Geschmacks“  gibt es  leider immer noch.

RADIOSZENE: Viele glauben ja, Musiker machen einfach nur Musik. Wieviel Markenstrategie steckt im Nockalm Quintett ? 

Gustl Viertbauer: Wir bedienen uns der Demoskopie, hinterfragen alles was wir tun, beschäftigen uns intensiv mit unserem Publikum und haben auch den unmittelbaren Kontakt bei Konzerten, aus dem wir täglich lernen. Wir hinterfragen ständig was wir tun und wer sich die Bilder vom Nockalm Quintett vor 15 Jahren ansieht und heute, sieht die deutliche Wandlung von einer volkstümlichen Unterhaltungsband zu einem astreinen deutschen Schlageract. Das trifft natürlich auch auf Musik, Texte und Arrangements zu. Der kontinuierliche, kommerzielle Erfolg der Band in Österreich ist verbrieft. Und das seit mehr als 30 Jahren. Das wäre nicht möglich, wenn das Nockalm Quintett kein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal hätte: Moderner Schlager, die Stimme von Gottfried Würcher und Texte die durchaus auch etwas frecher sein dürfen. Wir haben 2016! Da darf man sich schon auch etwas trauen! Das Publikum dankt es.

RADIOSZENE: Gibt es Eurer Meinung nach die Trennung Schlagerfans und Popfans noch? Sind Schlagerfans alt und Popfans jung? Wie sieht euer Publikum aus?

Gustl Viertbauer: Es gibt natürlich eine Tendenz dass jüngere Konsumenten eher dem Pop zugetan sind, aber die Grenzen sind fließender geworden. Unzählige Beispiele belegen das. Man schämt sich schon lange nicht mehr, ein Schlager und Volksmusikfan zu sein. Es geht um Musik, Harmonien, Texte und wie diese Musik bei der breiten Masse ankommt. M.O.R. – Die Mitte der Straße ist es, wo die meisten Zuhörer unterwegs sind. Aber auch da darf man sich trauen ein wenig aufzufallen. Uniformität ist wider den Zeitgeist. All die Instagram-, Facebook und Co.- Einträge würde es sonst nie geben. Und da wimmelt es von Schlagerfans.

RADIOSZENE: Was wünscht Ihr Euch vom Radio heute?

Gustl Viertbauer: Mehr Offenheit und vor allem Mut, auch dem Neuem aufgeschlossen zu sein und das eine oder andere mal „über den Tellerrand zu blicken“. Nur erfolgreiche Dinge polarisieren. ‚Nett‘ ist nicht nett genug. Vergesst Research – die größten Hits gehen erst beim dritten Mal hören durch die Decke. In der Fläche ja nicht aufzufallen kann nicht Sinn von Musikprogrammierung sein. 

RADIOSZENE: Was passiert als nächstes beim Nockalm Quintett ? 

Gustl Viertbauer: Wir haben unsere 35. Goldene beim Nockalmfest in Millstatt erhalten. Das Nockalm Quintett hat bereits über 5 Millionen Solotonträger verkauft. Wir spielen rund 80 Konzerte pro Jahr (TV und Promo nicht eingerechnet). Im Moment schreibt die Band an Songs für das neue Album, das im ersten Quartal 2017 erscheinen wird. Unser jährliches Highlight, das Nockalmfest vom 15.-17.9.2017 in Millstatt / Kärnten wird etwas ganz Besonderes mit vielen namhaften Kollegen (Fantasy, voXXclub, Michael Hirte, der Countryband Nashville,…).

RADIOSZENE: Herr Viertbauer, vielen Dank für das Gespräch.

(Titelbild oben: @Universal Music)

 

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