Viktor Worms: „Wenn sie weg sind, sind sie weg!“

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„Radio verliert immer mehr junge Hörer an Spotify & Co“ – so lautete in der vergangenen Woche die Überschrift hier in der RADIOSZENE zur Podiumsdiskussion auf den Münchener Medientagen über die Zukunft des Hörfunks. Es folgte eine interessante Diskussion zu digitalen Übertragungswegen, Präsenz in sozialen Medien, Podcasts, Visuellem Content und „Sharability“. Auffallend: Über Inhalte, über das was junge Menschen hören wollen, was Radio ihnen bieten kann jenseits der aktuellen Charts und „geilen Slogans“ kaum ein Wort.

Was Wunder, saß in der Runde nur ein Programmvertreter, ansonsten Techniker, Strategen und Vermarkter. Die Folge: Wieder eine Diskussion um Technik und Übertragungswege. Ja, wichtig, aber wir verlieren die Kids nicht durch den Transport, wir verlieren sie mindestens genauso durch das, was wir transportieren. Der schönste, modernste und hippste Lieferwagen ist ein Muster ohne Wert, wenn das, was er liefert, kein Mensch braucht. Und so ist Technik kein Selbstzweck, vielmehr Mittel zum Zweck. Der Zweck jedoch heißt Inhalt, sorry „Content“!

Junge Menschen wollen in den Medien ihre Lebenswelt gespiegelt sehen, da unterscheiden sie sich in Nichts von uns Älteren, nur dass ihre Sprache und Welt eben eine andere ist als die unsere. Wenn wir an ihnen und ihrer Welt aber vorbeireden, ja dann reicht ihnen die optimierte Musikrotation bei Spotify, Amazon und Co. Wir Älteren müssen begreifen, dass wir ihnen Technik, Techniken und Mechanismen der Kommunikation beibringen können, den Rest aber müssen wir ihnen überlassen. Ihre Haltung, ihre Unterhaltung und ihre Orientierungen sind ganz andere als die ihrer Eltern und das ist gut so. Wenn sie das Radio ihrer Eltern sch… finden, dann wird`s nicht besser dadurch, dass es digital als Podcast oder on demand daherkommt.

Ganz ehrlich: Wo sind die jungen Programme? Sind die meisten, egal ob öffentlich- rechtlich oder privat nicht AC-Formatradios mit etwas anderer Musik und Verpackung? Und wenn die Musik schon keinen über 40 mehr wirklich verschreckt – anders als vor 30 Jahren als unsere Eltern dachten, was wir da hören ist der letzte Schritt vor harten Drogen – dann müssen wir die Jungen auch mal machen lassen und dann gibt`s halt mal `ne Beschwerde der Landesmedienanstalt oder des Rundfunkrates.

Wo sind die Hörer-Kids, die sagen: „War zwar gähnend langweilig aber wenigstens digital und mobil“? Hab´ ich von meinen noch nie gehört. Ich alter Sack habe mit jungen Programmen zu tun und selber ein paar Junge zuhause. Ich würd` mir wünschen, dass mir deren Radio auch mal weh tut und die mir dann sagen “Papa, das verstehst Du nicht!“ Passiert aber nicht! Und nicht, weil ich so ein „hipper“ Alter bin.

Stattdessen höre ich AC etwas anders verpackt und digital transportiert und irgendwie sagt mir mein Gefühl, das ist zu wenig. Deshalb mein Appell an die Verantwortlichen: Bringt ihnen bei, wie`s geht aber schreibt ihnen nicht ständig vor, was geht und was nicht. Junges Radio braucht keine Angst- sondern Mutmacher. Zukunft braucht junge Leute, die sich was trauen, die provozieren und unsere Zukunft junges Radio und sorry, es mag hart sein, aber wir sind nicht mehr (so) jung (wie wir glauben)!

Dann gibt`s auf Medientagen auch wieder mehr Diskussionen über Programm, dann wird wieder gestritten und nicht nur Technik erklärt. Und wenn wir Etablierten uns dann öfter mal provoziert fühlen und sagen: „Das kann man aber jetzt echt nicht machen!“, dann bewegt sich unser Lieblingsmedium in die richtige Richtung und holt auch die Jungen ab! Wenn sie aber weg sind, sind sie weg!

(Viktor Worms im November 2016 für RADIOSZENE)

 

Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für R.SA, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE, RPR1. sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises.

Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung. Seit 2015 ist er Jurymitglied des Deutschen Radiopreises.