Musik-Charts: Welchen Einfluss haben sie noch auf die Musikplanung im Radio?

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Charts, Charts, Charts: Meßinstrumente  des Musikgeschmacks im Wandel
Ein Streifzug durch die Welt der Hitparaden

Von Michael Schmich

Es ist ein ewiges Streitthema – die Musik-Charts und ihre Bedeutung für das Radio. „Nein“, sagt Musikchefin Tanja Ötvös von Radio Hamburg, „die offiziellen Verkaufscharts haben für uns nur noch eine geringe Relevanz. Durch das wöchentliche Erscheinen sind diese mittlerweile am Veröffentlichungs-Datum schon fast veraltet, wir schauen da mehr auf die iTunes-Charts, Spotify und Shazam, ob dort vielleicht Titel gut laufen, die wir bis jetzt nicht berücksichtigt haben, die aber gut zu uns passen würden.“

Tanja Ötvös (Bild: Radio Hamburg)
Tanja Ötvös (Bild: Radio Hamburg)

Und man vertraut natürlich in erster Linie den Sender-internen Musiktests. Eine Meinung, der sich bei einer Umfrage durch RADIOSZENE nahezu alle Musikverantwortlichen der befragten Sender anschlossen. Haben also die „Offiziellen Deutschen Charts“ heute ihren Einfluss auf die Musikgestaltung der Sender komplett verloren? Wohl doch nicht ganz. Nach einer Auszählung des Radio Monitoring Dienstes MusicTrace für das erste Halbjahr 2016 weisen Verkaufs- und Airplay-Charts weiterhin eine unverändert sehr hohe Deckungsgleichheit bei der Titelpräsenz in beiden Bestenlisten auf. Und: die aktuellen Playlisten zahlreicher Sender beinhalten exakt die Hits, die auch die vorderen Plätze der Verkaufs-Charts besetzen. Dazu finden sich innerhalb der Titelpools der älteren Dekaden sowie der Millenium-Hits nahezu ausschließlich ehemalige Top 100-Platzierungen aus den deutschen Charts früherer Jahre.

Uli Frank (Bild: SWR)
Uli Frank (Bild: SWR)

Programme wie SWR3 greifen bei der  Ausrichtung ihrer Musikgestaltung sogar intensiv auf Daten des Charts-Ermittlers GfK Entertainment zurück. SWR3-Musikchef Uli Frank: „SWR3 und GfK Entertainment haben beschlossen, einmal gemeinsam auszuloten, wie sich die konkrete Arbeit entwickelt, wenn man auf eine riesengroße Fülle an Daten und Details zurückgreifen kann. Für SWR3 ist es hochspannend, die regionalen Trends und Vorlieben zu recherchieren, für die GfK ist es genauso spannend, hier mit teilweise komplett anderen Fragestellungen konfrontiert zu werden, unser beider Ziel ist es, Ideen und Vorschläge für eine weitere Verfeinerung des Datenangebots zu entwickeln.“

odc-offizielle-deutsche-charts-smallSo ganz aus den Blickwinkeln der Musikverantwortlichen der nationalen Hörfunkwelt scheinen die „Offiziellen Deutschen Charts“ nun also doch noch nicht geraten zu sein. Dabei spielten die Verkaufs-Hitparaden bis in die 1970er Jahre hinein für das Radio kaum eine Rolle. Damals galt eher das Motto: „Wir spielen keine Hits, wir machen sie“. Ursprünglich waren diese Bestenlisten eigentlich zunächst als Meßinstrument für den deutschen Markt der Musikboxen ins Leben gerufen worden. Über viele Jahre hinweg blieb das Fachblatt „Automatenmarkt“ die einzige Institution, die in Deutschland den Erfolg von Musiktiteln in Form von Chartlisten monatlich veröffentlichte. Erst im Juni 1959 begann das in diesem Jahr eingestellte Magazin „Musikmarkt“ ein solches Geschäft. Diese ebenfalls monatlich erscheinenden Charts waren wirklichkeitsnaher und breiter aufgestellt, da sie nicht nur den Musikbox-Erfolg zur Bewertung heranzogen, sondern auch den Notenverkauf, die Hörfunk-Einsätze sowie den Plattenverkauf in die Rangliste mit aufnahmen. Die erste Nummer 1 in den „Musikmarkt“-Hitparaden war im Juni 1959 übrigens der Titel „Die Gitarre und das Meer von Freddy Quinn.

15.06.19591

Mit der sich Mitte der 1970er Jahre abzeichnenden Professionalisierung im Tonträgergeschäft führte der damalige Bundesverband Phono ein neues, wegweisendes Drei-Säulen-Modell bei der Erhebung der deutschen Musik-Charts ein, das lange Zeit Bestand haben sollte. Dabei wurde die Erhebung der Ergebnisse dem Baden-Badener Institut Media Control übertragen und die exklusiven Veröffentlichungsrechte erhielt weiterhin das Fachmagazin „Musikmarkt“. Die Vorgaben der Regularien sowie die regelmäßige Kontrolle der wöchentlich ermittelten Ergebnisse lag in den Händen der Phonoverbandes – heute Bundesverband Musikindustrie (BVMI). Alarmiert durch Manipulationsversuche in anderen Ländern (vor allem in den USA) installierte der Verband dafür eigens einen Kontrollausschuss, der die Einhaltung der Regeln sowie die ermittelten Ranglisten von Media Control akribisch überwachte.

Das rasante Wachstum im Tonträgermarkt in den 1980er Jahren und später zu Zeiten nach der deutschen Wiedervereinigung bescherte den Verkaufs-Charts einen bislang ungekannt hohen Stellenwert. Am Veröffentlichungstag der Ergebnisse warteten Musikbranche, Handel und Medien gespannt auf die Platzierungen der wöchentlichen Top 100 – wo eine Präsenz auf der Rangliste die Umsätze der Musikschaffenden massiv befeuerte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt (Privatradio war zwischenzeitlich bundesweit auf Sendung und mit ihm erste formatierte Hörfunkkonzepte) schielten nun auch die Radiomacher bei der Bestückung ihrer Playlisten verstärkt auf die Platzierungen der deutschen Verkaufs-Hitparaden. Damals setzte sich die Formel durch: „Verkaufserfolg = Publikumserfolg, also müssen wir das auch senden!“ In den Jahren 1989 bis 2001 wurden sogar für die Ermittlung der Charts nicht nur der Verkauf der Tonträger, sondern auch die Funkeinsätze der Titel (zumindest teilweise) herangezogen.

Mit der immensen damaligen Bedeutung der Top 100 wuchs auch die Zahl der Beeinflussungsversuche von dritter Seite. Als Schwachpunkt bei der Ergebnisermittlung hatten findige Köpfe den sogenannten „Fragebogen“ ausgemacht, in den von den teilnehmenden Musikfachgeschäften ihre wöchentlichen Abverkäufe übertragen wurden. Die Durchsetzung von Einträgen neuer (bislang noch nicht platzierter) Titel in „Freifelder“ inspirierte die Musikbranche zu allerlei „kreativen“ (und gelegentlich auch grenzüberschreitenden) Aktionen. Dennoch: im Vergleich zu den bekannt gewordenen Beeinflussungen von Musik-Charts im Ausland blieben die deutschen Top 100 wohltuend sauber. Was – neben den besagten ständigen Anpassungen der Regeln und Kontrollen – vor allem am hohen Absatzniveau des deutschen Marktes sowie an der großen Anzahl teilnehmender Händler lag. Und einer wöchentlich wechselnden Stichprobe aus Handelsgeschäften, die für die Auswertung nach dem Zufallsprinzip herangezogen wurde. Punktuelle Beeinflussungsversuche liefen somit ins Leere. Zwar kamen immer wieder Manipulationsvorwürfe auf, während der zurückliegenden Jahre unter Federführung des Berliner Phonoverbandes wurden in der Öffentlichkeit allerdings nur zwei Fälle bekannt, hinter denen die Baden-Badener Chartermittler „begründete Anhaltspunkte“ für einen Verstoß gegen das Regelwerk feststellten: Im Jahr 2005 gab es offensichtliche Verdachtsmomente gegen den Musikproduzenten David Brandes (Gracia, Vanilla Ninja) und gerade wurden Unregelmäßigkeiten bei der vom Fürther Musikunternehmen Kickson Anfang September 2016 veröffentlichten Titel „Love On Repeat“ erkannt. Laut BVMI seien im Zusammenhang mit besagter Single bei einem Downloadhändler gezielt Ankäufe getätigt worden.

Mit der digitalen Revolution veränderten sich in den 2000ern angesichts rapide sinkender physischer Absatzzahlen sowie neuer Verbreitungsquellen von Musik die Charts erneut von Grund auf. Seit dem 13. Juli 2007 wurden die Auswertungen auf sogenannte Werte-Charts umgestellt. Für die Chartplatzierung waren nicht mehr wie bisher die Anzahl verkaufter Tonträger bzw. Downloads ausschlaggebend, sondern der von einem Produkt erzielte Umsatz (Wert). Auf Platz eins der Hitparade steht nun also nicht notwendigerweise das am häufigsten verkaufte Lied oder Album, sondern dasjenige, für das am meisten Geld ausgegeben wurde. Seit dem Jahre 2014 wird nun auch Musik-Streaming in die Berechnung der Singlecharts in Deutschland einbezogen. Seit Mai 2015 ist die Chart-Ermittlung bereits am Freitag direkt nach dem Ende des Erfassungszeitraums abgeschlossen.

GFK-Switzerland-300Im Jahr 2003 stieg die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit in die Chart-Ermittlung ein, es entstand Media Control GfK International. 2013 übernahm die GfK vollständig die Charterstellung. Zu aktuellen Fragen der Chart-Ermittlung sprach RADIOSZENE mit GfK Entertainment-Geschäftsführer Dr. Mathias Giloth.

Mathias Giloth (Bild: GfK)
Mathias Giloth (Bild: GfK)

RADIOSZENE: GfK Entertainment erhebt im Auftrag für den Bundesverband Musikindustrie die wöchentliche Bestenliste. Nach welchen Kriterien werden diese Charts ermittelt?  

Dr. Mathias Giloth: Basis der „Offiziellen Deutschen Charts“ sind die Verkäufe bzw. erzielten Umsätze von Musikprodukten in einer Chartwoche (Freitag bis Donnerstag). Berücksichtigt für die Single-Charts werden physische Produkte (CD, DVD, Vinyl), digitale Produkte (Downloads) und Premium-Streams. Werbefinanzierte Streams oder auch Musikclips werden nach dem Regelwerk des BVMI nicht berücksichtigt. 2.800 Händler aller Absatzkanäle (stationärer Handel, E-Commerce, Download, Streaming) liefern uns täglich ihre Verkaufsdaten, die geprüft, elektronisch verarbeitet und schließlich gemäß den Regularien zusammengestellt werden.

Und wie läuft die Erfassung der Album-Charts?

Bei der Erfassung der Album-Charts spielen die gleichen Kriterien eine Rolle. Sogar Premium-Streams werden seit Anfang 2016 berücksichtigt.

Wer bestimmt das Regelwerk und kontrolliert die Erhebung Ihrer Arbeit?

Das Regelwerk wird vom Bundesverband Musikindustrie erstellt. In Zusammenarbeit mit den Gremien des Bundesverbandes wird dieses immer wieder überprüft und auf aktuelle Marktveränderungen angepasst. So fließen seit Anfang 2016 Premium-Streams in die Album-Charts ein. Die Industrie hat in vielen Fällen ebenfalls Zugang zu Marktdaten und kann so die Charts nachvollziehen.

Wie barrierefrei sind die Charts? Kann sich jeder Tonträger beziehungsweise jeder Song auch ohne Mitgliedschaft beim Verband in den Bestenlisten platzieren?

Grundsätzlich besteht für jeden Titel die Möglichkeit, sich in den Charts zu platzieren. Artikelstamminformationen müssen jedoch vorhanden sein. Diese können entweder über Phononet oder bei GfK angemeldet werden. Außerdem muss der Händler, der das Produkt verkauft, an unser Panel angeschlossen sein. Titel deren Stammdaten unbekannt sind können leider nicht erfasst werden.

Die „Offiziellen Deutschen Charts“ haben eine hohe Bedeutung für Handel, Medien und Öffentlichkeit. Zu welchem Zeitpunkt und über welche öffentliche Kanäle werden die Ranglisten verbreitet? 

Die „Offiziellen Deutschen Charts“ erscheinen jeden Freitag um 15 Uhr. Dazu gibt es eine Pressemeldung und Posts auf unseren Social Media-Kanälen. Außerdem sind sie über unsere Website www.offiziellecharts.de zugänglich. Zu unseren Partnern und Kunden gehören Zeitungen, Radiosender, TV-Sender, Onlineseiten (VIVA, Ampya), die regelmäßig die Top 100, Genrecharts oder auch Auszüge daraus veröffentlichen.

Wer finanziert die doch offenbar sehr aufwändige Erhebung dieser Bestenlisten?

In Deutschland werden die Charts über die Partnermedien finanziert, die die Veröffentlichungsrechte an den Charts erwerben.

Wie sichern Sie das System gegen mögliche Manipulationsversuche ab?

Unsere Systeme sind darauf ausgelegt, mögliche Manipulationen sofort zu erkennen. Dies läuft unter dem Begriff „fraud detection“ und nimmt einen zentralen Platz in der Qualitätssicherung unserer Charts ein. Bei Verdachtsfällen wird ein umfassender Prüfprozess ausgelöst, den auch die Industrie und der Bundesverband intensiv begleiten.

Welche Arbeit steckt hinter der wöchentlichen Erhebung und wie groß ist das daran beteiligte Team?

Es ist ein aufwändiger Prozess mit einem größeren Team, der insbesondere viele Prüfschritte wie z.B. auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Händlerdaten und Qualitätssicherungsmaßnahmen enthält. Daneben aber auch und insbesondere vorbereitende Schritte, wie das Coding neuer Titel und Alben. Nicht zu vergessen die unterstützenden Aufgaben, wie Händlerbetreuung, die Pflege und Weiterentwicklung der Systeme, Anpassungen auf die sich verändernden Marktbedingungen wie Streaming und eben die Kommunikation der Charts und die Verleihung des „#1 Award der „Offiziellen Deutschen Charts“.

Erhebt Ihr Unternehmen noch weitere Bestenlisten aus dem Musik-Bereich bzw. weiterer Medien-Gattungen? 

Ja, GfK Entertainment ist seit vielen Jahrzehnten offizieller Chartermittler und betreibt Marktforschung im Entertainment-Bereich. Wir erstellen offizielle Charts in den Bereichen Musik, Buch, Video und Games. Hier arbeiten wir eng mit den entsprechenden Verbänden zusammen und sind insgesamt als 100prozentige Tochter der GfK in mehr als 30 Ländern weltweit tätig.

Neben den „Offiziellen Deutschen Musik-Charts“ entstehen in Baden-Baden viele weitere Hitlisten. Musik: u.a. Streaming-Charts, Download-Charts, Vinyl-Charts, Musikvideo-Charts, HipHop-Charts, Dance-Charts, etc. Buch: Sachbuch, Ratgeber, Belletristik, Kinderbücher, Jugendbücher, etc. Video: DVD, Blu-ray, Neuerscheinungen
Games: PC, einzelne Konsolen (Xbox One, Xbox 360, PS4, PS3, Wii, Wii U, NDS, etc.).

In den Song-basierten Charts finden sich auffallend wenige Schlager-Titel …

Das Genre Schlager funktioniert besser in den Album-Charts. Hier sind regelmäßig Schlagerkünstler auf den vorderen Plätzen vertreten. Fans von Schlagermusik kaufen lieber gleich das ganze Album als nur einen einzelnen Song oder eine Single.

Welche aktuellen Trends kann man derzeit aus den deutschen Charts ableiten?  

In den „Offiziellen Deutschen Album-Charts“ sind Genres wie HipHop und Schlager sehr beliebt. Außerdem geht der Trend hin zu deutschen Künstlern. Diese platzieren sich häufiger bzw. sind länger dabei als internationale Künstler. In den Single-Charts ist das anders. Hier haben internationale Künstler in vielen Fällen die Nase vorn.

Zuletzt erreichen im Vergleich zu früheren Jahren relativ viele, zuvor unbekannte Künstler die Song-Charts. Gibt es hierfür besondere Gründe?

Es gibt mehrere Einflussfaktoren. Zum einen haben sich die technischen Voraussetzungen, Musik in guter Qualität zu produzieren enorm verbessert, und so ist es für Künstler einfacher geworden, sich mit ihrer Kreativität dem Wettbewerb zu stellen. Zum anderen haben sich mit den Social Medien Plattformen herausgebildet, die es ermöglichen, neue Songs ohne hohe Kosten vorzustellen und zu verbreiten. Steht dann noch ein gutes Label mit einer guten Kampagne hinter dem Künstler und treffe ich mit meiner Musik den Geschmack der Fans, steht einer Chartplatzierung eigentlich nichts mehr im Wege.

Gibt es Erkenntnisse welche medialen oder sonstige Quellen besonderen Einfluss auf die Platzierungen der Charts haben?

Man merkt es immer wieder, dass nach Großereignissen oder großen TV-Shows die Künstler in den „Offiziellen Deutschen Charts“ nach oben klettern. Das ist bei Konzerten nicht anders. Befindet sich eine Band gerade auf Tour kann man fast davon ausgehen, dass sie auch in den Charts höher platziert ist als sonst. Auch Titelsongs von Kinofilmen profitieren oft vom Erfolg des Films.

Nur wenige Straßenzüge weiter in Baden-Baden betreibt mit Media Control der ehemals alleinige Platzhirsch unter den Entertainment-Marktforschern weiter das Geschäft mit den lukrativen und öffentlichkeits-wirksamen Bestsellerlisten. Nach dem Verkauf von Teilen der Angebotspalette an die GfK bietet die Media Control GmbH heute wieder ein Sortiment an Produkten und Dienstleistungen wie Marktforschungsdaten und Abverkauf-Charts für den Bereich Sport an, sowie Musik Analysen, Diskotheken Monitoring, Buch Analysen, Kino Analysen, Social Media Analyse, ceebo–ebook-Download-Plattform und Konsumentenpanel. Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) vermarkten die  Baden-Badener seit dem Jahr 1992 die TV-Quoten.

charts-de-logo-smallIm März 2015 ging das Unternehmen mit den „Media Control Mega Charts“, einem konkurrierenden Angebot zu den „Offiziellen Deutschen Charts“ des BVMI in den Markt – allerdings nach eigenen Vorstellungen und Kriterien. Media Control-Geschäftsführerin Ulrike Altig: „Die Charts werden grundsätzlich nach dem Mengenprinzip erhoben, so wie es international Standard ist. Alle Kanäle der Musiknutzung werden berücksichtigt. Das heißt sowohl die ‚klassischen‘ Kanäle aus physischem und digitalem Verkauf aber auch Audio und Video Streams aus bezahlten und werbefinanzierten Portalen, wie YouTube und bald auch Soundcloud etc. Auch Radioeinsätze werden nach dem Mengenprinzip, also ohne Hochrechnungen oder Neuheiten Boni eingerechnet.“

Ulrike Altig (Bild: Media Control)
Ulrike Altig (Bild: Media Control)

Und wo liegen die Vorteile gegenüber den „Offiziellen Deutschen Charts“? „Wie gesagt“, so Altig, „die ‚Mega Charts‘ sind Mengenbasiert, nach dem Motto 1+1=2. Die Industrie Charts orientieren sich nach dem erzielten Umsatz. Sprich da fließen auch die Beigaben wie T-Shirt und Schlüsselanhänger mit ein. Zudem kann in die Werte Chart ja auch nur etwas einfließen, wofür der Konsument auch etwas bezahlt. Bei den Mengenbasierten ‚Mega Charts‘ kommt es eben auf die Menge an und so können hier auch Musiknutzungen aus kostenfreien YouTube oder Soundcloud Diensten etc. einfließen. Die Nutzung von Musik heute und in der Zukunft auf allen erdenklichen Wegen und die Flexibilität der ‚Mega Charts‘ sich dem Markt anzupassen ist wohl der größte Unterschied zu einer Wertechart“.

Auch Media Control lässt nach eigenen Angaben seine Arbeit durch einen externes Gremium in regelmäßigen Abständen überprüfen. Basis für die wöchentlich unter anderem in „Focus“ und „Stern“  abgedruckten „Mega Charts“ ist ein 70seitiges Regelwerk. Besondere Priorität misst Media Control-Chefin Ulrike Altig der Sicherheit ihrer Bestenlisten bei: „Media Control sind die Erfinder der Sophisticated Frauddetection. Somit sind alle Alarmglocken immer scharf gestellt und funktionieren. Unsere Systeme werden ständig den Anforderungen angepasst und die ‚roten Lichter‘ gehen immer wieder an, wenn es jemand mal versucht. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass unsere Manipulationskontrollen funktionieren.“

Wie GfK Entertainment ermittelt auch Media Control ein weiteres Bündel von Bestenlisten und bedient dabei teils auch identische Mediengattungen. Ulrike Altig: „Eine der spannendsten Charts sind wohl zur Zeit die Socialmedia Charts. Socialmedia ist heute nicht mehr wegzudenken und auch die Möglichkeiten wie hier die Interpreten – oder sagen wir ‚Stars‘ um es nicht ‚nur‘ auf Musik zu beschränken – mit Ihren Fans interagieren und sich auch selbst promoten können, ist hochspannend, zeitgemäß und messbar. Sowohl global als auch national. Unsere Web Charts – egal ob aus Buch oder dem Musikbereich – geben ein realistisches Bild dessen wie die Interpreten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden bzw. wie sie im Web dastehen. Übrigens fließen diese beiden Charts unter anderem auch in unser Musikbarometer, welches eine Artist bezogene Chart ist und den Interpreten oder die Band listet, welche(r) gerade der/die relevanteste in Deutschland ist. Neben Blu Ray, DVD, TV Einschaltquoten, Buch Bereich sind wir natürlich noch  der offizielle Ermittler für die Kino Charts. Media Control ist durch seine Auswertungen, Analysen und Trenderkennung seit 40 Jahren ein fester innovativer und zuverlässiger Partner der Entertainmentbranche.“

Charts, Charts, Charts. An Orientierungsmöglichkeiten für Medien und Verbraucher, wer oder was gerade angesagt ist besteht beim reichhaltigen Angebot der beiden Baden-Badener Entertainment-Forschungsspezialisten wahrlich kein Mangel. Offen bleibt die Frage, wer bei den Musik-Bestenlisten vor dem Hintergrund der grundlegend unterschiedlichen Erhebungsansätze der Wahrheit im Markt am nächsten kommt. Aber auch das wird sicher schon bald ein Institut via Charts ermitteln.

(Titelbild oben: ©Olekcii Mach/123rf)