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Vtuner, Radioplayer & Co: Wer wird Radio-Gatekeeper?

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Wenn es nicht um Internetradio an PC oder Smartphone geht, sondern um ein „richtiges“ Radio, ob als Küchenquäke oder in einer HiFi-Anlage, sind Verzeichnisse wie Vtuner, Tunein, oder Radioplayer gefragt, im Satellitenbereich als EPG bekannt. Diese bestimmen dann aber auch, welche Sender man hören kann und welche nicht.

Internetradio hören ist ganz einfach, wenn es nach den Vorstellungen der Sender geht: Den Webbrowser am PC öffnen und die Homepage des Senders aufrufen oder die App laden und installieren, die dann natürlich nur diesen einen Sender mit vielleicht noch ein paar Zusatzstreams aufrufen kann und sonst gar nichts.

Doch wenn man nicht gerade am PC sitzt und das Smartphone scheppert wie ein 30 Jahre alter Mülleimer, sind andere Lösungen gefragt. Und da wird es kompliziert: Eine einfache Homepage-Adresse hilft hier nicht weiter, es sind die direkten Adressen der Streams gefragt, die beispielsweise http://sc3.radiocaroline.net:8030/ lauten.

Sowas will niemand eintippen und Internetradios haben auch keine Tastatur zur Eingabe. Viele Sender geben diese Adressen auch gar nicht öffentlich bekannt und zudem ändern die Sender auch die Streamadressen hin und wieder – dann bleibt das Radio stumm. Und wer nicht nur seinen einen Lieblingssender hören will, sondern mal allgemein nach Rocksendern oder Stationen mit irischer Folklore stöbern möchte, kommt so nicht weiter. Dafür gibt es dann EPG-Dienste wie Vtuner, TuneIn oder Radioplayer, die die Stationen auflisten.

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Ein Problem gelöst – einige neue eröffnet

Alles prima, oder? Leider nicht. Diese Dienste wollen schließlich Geld verdienen. Also muss entweder der Sender, der gelistet werden will, zahlen, wie bei Radioplayer und dem englischen SKY-EPG, oder der Hörer, der den Dienst nutzen will. Doch der Hörer zahlt ja schon Rundfunkgebühr und seinen Provider sowie seine Geräte und ist nicht bereit, noch jemandem etwas zu zahlen. Also springt üblicherweise ein Hardware-Fabrikant ein.

terratec-noxon-iradioDas Problem hierbei: Kommt ein Gerät in die Jahre, wird es vom Hersteller nicht mehr unterstützt, gibt es keine Treiberupdates und Hilfestellungen mehr, dann wird auch das Abo beim EPG-Anbieter gekündigt. Und plötzlich gehen nur noch die paar zuvor fest einprogrammierten Stationen – solange sich deren Streamadressen nicht ändern. So lief es mit meinem ersten Noxon Audio Internetradio.

Ohne EPG kein Internetradio

Manchmal passiert so ein Unterstützungsende auch schneller, wie Ende letzten Jahres bei Sony: Weil man sich dort nicht mit Vtuner einigen konnte, waren alle Sony-Geräte mit Internetradio plötzlich solche ohne Internetradio. Wenn dann nicht wenigstens DAB+ oder UKW eingebaut ist, ist das Radio gar kein solches mehr. Nur wenige Hersteller wie Pure pflegen ihre Senderlisten selbst. Doch auch da kann es Probleme geben und auf dem Kanal von Oldies Paradise ist plötzlich eine Jazzstation zu hören. Und wenn ein Hersteller Konkurs gehen sollte, wird seine Senderliste auch Geschichte.

Ein weiteres Problem: Manche der EPG-Dienste liefern einige Programme nur in bestimmte Länder aus – Geoblocking ist das Stichwort. Manche englische Stationen schweigen so in Deutschland.

Also lieber den Ansatz wie bei SKY in England und bei Radioplayer? Die Sender zahlen lassen?

Dies geht zu Lasten von Vielfalt und benachteiligt kleine Stationen, die sich die Gebühren nicht leisten können. Ohnehin listet SKY nur Satellitenstationen und Radioplayer nur Stationen, die auch terrestrisch empfangbar sind und nicht nur im Internet.

Nur wer zahlt, ist gelistet

Doch die Gebühren, um im EPG gelistet zu sein, sind bei SKY höher als die Kosten für den Satelliten-Uplink eines Radioprogramms. Wer nicht gelistet ist, ist mit normalen Free-to-Air-Sat-Receivern, wie sie in Deutschland üblich sind, problemlos zu empfangen – in UK sieht es dagegen anders aus: Zwar können in die dort üblichen SKY-Boxen auch Sender manuell programmiert werden, doch werden die Senderlisten bei Stromausfällen oder Software-Updates gelöscht und aus dem EPG neu aufgebaut. Damit sind alle nicht gelisteten Stationen weg.
Dies war der Grund, wieso Radio Caroline die Satellitenabstrahlung aufgab und heute nur noch via Internet zu empfangen ist: Der Empfang über Satellit war nur außerhalb des Zielgebiets UK ohne EPG-Ärger möglich – doch dort war wiederum die Satellitenposition 28,2° Ost ungebräuchlich.

Radioplayer ist gegenwärtig die einzige Lösung, die die kommenden EU-Forderungen nach Interoperabilität und Auffindbarkeit erfüllt und es ermöglicht, dass Radios sich automatisch auf vorhandene Verbreitungswege einstellen und einen gewünschten Sender terrestrisch – über UKW oder auch DAB+ – empfangen und die Internetdatenströme entlasten. Allerdings gibt es Radioplayer nur als App für Smartphones und nicht als EPG für Internetradios – weil reine Internetstationen ja auch gar nicht gelistet werden. Und die mit Lizenzen (und Frequenzen) für terrestrische Abstrahlung auch nur, wenn sie sich das leisten können.

Somit ist noch immer keine Lösung parat für ein Radio, das UKW, DAB+ und Internetstreams empfängt und eine gemeinsame Senderliste führt – und das auch noch, wenn sein Hersteller pleite geht oder die Lust an Internetradios verliert.

 

Wolf-Dieter Roth
Wolf-Dieter Roth

Über den Autor:
Wolf-Dieter Roth
, Dipl.Ing. Nachrichtentechnik, ist Radiofan seit der Kindheit und war in den Datennetzen über Festnetz und (Amateur-) sowie Mobilfunk schon aktiv, als 1200 und 9600 Bit/s als „schnell“ galten und man gewohnt war, die eingehenden Daten live mitlesen zu können. Beruflich ist er in Elektronik, Internet- und Funktechnik, Fachjournalismus, PR und Marketing zu Hause.

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