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Medien-Jihad: DJV blamiert Journalistenzunft

Bitter Lemmer

Dänen mögen mutig sein, aber auch die mutigsten Dänen gehen manchmal in die Knie. In Kopenhagen geriet eine Tageszeitung unter Feuer. Islamisten und Autokraten verbündeten sich und setzen die Dänen wegen ein paar Karikaturen unter Druck. In dieser Lage hätten die Dänen Solidarität verdient. Natürlich erwartet niemand langatmige Bekundungen durchs Mikrofon, dafür sind handelsübliche Radiosender nicht da, das wäre absurd. Die eine oder andere Meldung in den Nachrichten – o.k., haben ja etliche auch gemacht. Manche Zeitungen haben das Thema ausführlich aufgegriffen, einige wenige haben die dänischen Karikaturen gezeigt, der Grundton war zustimmend. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat dagegen Journalisten-Interessen und Freiheitswerte verraten.

Darum geht es: Eine dänische Zeitung hatte vor einigen Monaten Karikaturen gedruckt, die sich den Islam vorknöpften. Warum auch nicht – es kräht ja auch kein Hahn, wenn ein Inri unter die spitze Feder gerät, ein Rauschebart auf Wolke 7 über die Hauptstadt schwebt oder ein bekiffter Jesus über den See spaziert. Alles schon dagewesen. Mehr als einen Rüffel vom Bischof (ja, auch der darf sich an seiner Meinungsfreiheit erfreuen) gab’s die letzten paar Generationen im großen und ganzen nicht. Die Verletzung christlich-religiöser Gefühle ist in der Öffentlichkeit keine besonders heißblütige Angelegenheit. Und jetzt also ein paar Illustrationen, die Mohammeds Turban als Bombe zeigen oder leicht verqualmte Selbstmordattentäter, denen der muslimische Petrus an der Pforte erklärt, daß leider keine himmlischen Jungfrauen mehr übrig seien. Über Geschmack mag man ja streiten, aber hierzulande, im Westen, ist das erlaubt bis erwünscht. Das muß man ertragen, das muß jeder ertragen.

Die dänischen Karikaturen hätten wir kaum kennengelernt, wenn nicht Monate später ach so menschenfreundliche Regierungen wie die der arabischen Liga eine Staatsaffäre daraus gemacht hätten und unter Aufbietung von Demonstrantenmassen in ihren Ländern die Bestrafung der verantwortlichen dänischen Journalisten sowie eine Entschuldigung der dänischen Regierung verlangt hätten. Das fordern ausgerechnet Leute, die Demonstranten ansonsten ganz gern einsperren, foltern oder töten lassen. Aufgestachelt worden waren die von dänischen Muslimgruppen, die scheinbar mit den Gepflogenheiten ihres Landes nicht klarkommen und zu den großen Brüdern im Nahen Osten reisten, um Hilfe von ganz oben zu erflehen. Seitdem steht die Welt Kopf. Weil Muslimgruppen einem kleinen EU-Land mittelalterliche Spielregeln aufzwingen wollen, marschieren bewaffnete Fatah-Kämpfer vor EU-Büros in Palästina auf, wird in Saudi-Arabien, einem Land, in dem Diebe öffentlich die Hand abgehackt bekommen, zum Boykott aufgerufen, feuert der ägyptische Eigentümer des französischen France-Soir seinen Chefredakteur, weil der es wagte, die beanstandeten Karikaturen nachzudrucken. Ja, jetzt wäre ein Statement des Deutschen Journalistenverbandes angebracht gewesen. Es hätte lauten müssen, daß Journalisten in westlichen Ländern nicht bestraft werden dürfen, weil sie strittige Meinungen publizieren, egal, ob getippt oder gepinselt. Daß Satire zu Diskussion führen mag, aber nicht ins Gefängnis. Daß überhaupt die Medien frei seien, Dinge aufzuschreiben, ohne vorher um Erlaubnis nachzusuchen. Daß dieser in westlichen Ländern übliche Maßstab in den hiesigen Breiten (mindestens hier!) zu akzeptieren sei und daß er aus gutem Grund für jeden gleichermaßen gelte, egal, ob Muslim, Christ, Agnostiker oder sonstwas. Daß man jeden Versuch von Seiten andersartiger Regime verurteile, einer westlichen Regierung die Rolle des Zensoren und Journalistenaufsehers aufzwingen und damit Verfassungsrechte zu brechen. Genau das haben einige Außenminister der arabischen Liga getan.

Und dann das: Der Sprecher des Journalistenverbandes, Hendrik Zörner, gab dazu der „Süddeutschen Zeitung“ zu Protokoll, es seien „Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren“. Jesus Christ – was da alles drunterfallen kann! Herr Zörner hat also nicht die Freiheit von Medien und Meinungen verteidigt, sondern die Bedrohung derselben. Herr Zörner hat sich empört – nicht gegen Fanatiker und Unterdrücker, sondern gegen die Satire. Herr Zörner fordert Zensur oder Selbstzensur. Und das nicht nur für den Fall einer bereits erwiesenen Empfindungs-Verletzung, sondern schon für den Fall des „verletzen können“. Wobei er ja nicht theoretisch herumschwadroniert, sondern – man muß es sich noch einmal klarmachen – seine Meinung im Kontext der Dänen-Affäre äußert. Herr Zörner billigt den Fanatikern in diesem konkreten Fall zu, ihren Maßstab unseren Medien anzulegen. Denn welchen Sinn hätte sonst sein implizierter Vorwurf, die Dänen hätten unverantwortlich gehandelt? Selbst Schuld, ihr Dänen, heißt das doch. Hätten deutsche Kollegen den dänischen Einfall gehabt, hätte Zörner vermutlich ebenso geklungen.

DJV-Chef Konkens Erklärung am Tag danach, Mordaufrufe von Islamisten gegen Journalisten seien „durch nichts zu rechtfertigen“, ist gewiß unstrittig. Was auch sonst – muß man neuerdings darüber diskutieren, daß Mordaufrufe inakzeptabel seien? Daß Konken seinem Sprecher Zörner entgegenhält, der Nachdruck der in Rede stehenden Karikaturen in einigen Zeitungen sei ein Beitrag zur Meinungsbildung, ist zwar begrüßenswert, aber banal. Zu welcher Meinung kommen Sie selbst, Herr Konken? Das hätte uns interessiert.

Der Claim des DJV lautet:

„Gewerkschaft der Journalisten“.

Man faßt es nicht.

Link:
http://en.wikipedia.org/wiki/Jyllands-Posten_Muhammad_cartoons


Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de

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