Öffi-Heuschrecken

Bitter Lemmer

Wenn ein großes privates Unternehmen wegen schlechter Geschäfte Mitarbeiter entlassen muß, gibt es regelmäßig ein kritisches Medienecho. Daß aber öffentlich-rechtliche Sender inzwischen vielerorts als unsozialere Arbeit- und Auftraggeber gelten als Privatradios, ist bisher nur ein geflüstertes Tabu-Thema. Neuerdings kommt es immer wieder vor, daß Öffi-Kollegen bei Privatsendern nach Jobs anfragen und am Ende gar überrascht sind, daß sie da bisweilen besser fahren als bei den Anstalten.

Zunächst ist festzustellen, daß die Gebührenanstalten – anders als Privatsender – prak-tisch niemanden mehr fest anstellen. “Die Zeiten sind vorbei”, höre ich allerorten von Öffi-Freelancern, die jede Perspektive auf sichere Anstellung aufgegeben haben. Dieselben Leute, die die private Wirtschaft lautstark ermahnen, mehr Leute zu beschäftigen oder mehr Lehrstellen einzurichten, schweigen, wenn die eigene Anstalt das Gegenteil tut. Aber es kommt noch besser: In heuer-und-feuer-Manier treiben die Öffis ihre Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit – nur deshalb, weil sie präventiv Ansprüche auf Festanstellung vermeiden wollen.

Bei der einen Anstalt gibt’s nach zwei Jahren, bei der nächsten nach sechs, bei wieder einer anderen nach acht Jahren keine Aufträge mehr. Andernorts verkündet die Anstaltsbürokratie wiederum “Prognosen”, die besagen, wie viele Beiträge oder Moderationen ein Mitarbeiter in einer bestimmten Zeit abliefern darf. Wer über der Quote liegt, fliegt. Manche dürfen nach verstreichen einer Schamfrist weitermachen. Andere sind für immer raus aus dem Geschäft.

Das ist schon deshalb skandalös, weil die gesamte deutsche Öffentlichkeit mit ihren Gebühren und der gesetzlichen Entwicklungs- und Bestandsgarantie die Existenz der Sender quasi für die Ewigkeit absichert. Als Gegenleistung gibt es schädliches und asoziales Verhalten. Nicht nur Privateigentum verpflichtet, sondern erst recht Gemeinschaftseigentum.

Das Thema ist es wert, mit Details und Beispielen aufbereitet zu werden. Dafür benötige ich möglichst viele konkrete Fälle, die auf Wunsch vertraulich oder anonymisiert behandelt werden.


Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de