Play it again, Sam…

Bitter Lemmer

So, dann wollen wir mal wieder in die Umfragesaison starten. Da ist es dann erstmal wieder vorbei mit den Gedankenspielen über digitale Radioübertragung, die Podcasting-Revolution oder sonstige technische Zukunftsspiele. Nüchterne Gegenwart, triste Realität, kühler Professionalismus. Es geht nur um eines: Möglichst viele Hörer, die auf UKW möglichst lange einschalten.

Gemessen an dieser einfachen Tatsache verbringen manche Radiomacher überraschend viel ihrer knappen Zeit mit Themen, die heute und womöglich auch später höchst abseitig sind. Aus irgendwelchen Gründen geht es dabei immer irgendwie um Technik und eher weniger um Programm. Das meistmissbrauchte Business-Buzzword, Innovation, wird praktisch nur in technischen Zusammenhängen verwendet, merkwürdigerweise auch von Programmleuten.

Wohin das technische Herumphilosophieren führt, zeigt eindrucksvoll die typisch deutsche DAB-Geschichte. Von Technikdirektoren der Gebührensender erdacht, zu Zeiten ohne Mobilfunk und Internet, seitdem mit schier grenzenlosem Geldeinsatz unter Ausschluss der Öffentlichkeit immer weiter entwickelt, aber immer noch mit einem schweren Schönheitsfehler behaftet: Niemand braucht es, niemand will es, die UKW-zufriedenen Hörer hat niemand bedacht, weshalb unsere Bürokratie den Volkssouverän demnächst mit Gewalt zum Wegschmeißen der analogen Radios zwingen und zum Kauf der DAB-Kisten peitschen wird. Ausgerechnet Sachsen-Anhalt, das Land, das praktisch sämtliche seiner Investitionsfördermittel aus Steuerzahlers Kasse im Konsumschornstein verbrennt, profiliert sich als “Vorkämpfer” dieser überflüssigen “Innovation”. Wir müssen digital werden, heißt es, weil… ja, wieso eigentlich? Weil das Fernsehen digital werde (und damit allerdings ganze Qualitätsschübe realisieren kann, die tatsächlich sichtbar und hörbar sind), weil analog veraltet sei (na und?), was sonst immer für unplausible Gründe genannt werden. Die Wahrheit ist: Es geht nur noch um die Eitelkeit alter Herren, die sich selber endlos modern finden.

Erfolgreich ist, was der Konsument kaufen und bezahlen will. Auch Radio ist ein Produkt, für das der Hörer bezahlt. Nicht mit Geld, sondern mit etwas viel wertvollerem: Mit Zeit (die sich via Werbung für die Sender zu Geld machen lässt). Dass die deutschen Radiosender in den letzten Jahren Gesamtmasse verloren haben, liegt nicht an iPods oder sonstigem Technikkram, sondern an mangelnder Bereitschaft zu programmlicher Innovation. Es ist die alte Leier: Kein spannendes News-Programm, nur die langweiligen Infowellen der Öffis. Kein kontroverser Talk, ein Format, das zwar nicht offiziell gesetzlich verboten ist, aber völlig chancenlos bei jeglichem Lizenzschaulaufen (und in den Köpfen von Gesellschaftern und Chefs). Immerhin tut sich was im Musiksektor, jedoch nur in Nischen und kleinen Märkten, die aber keine kritische Masse zur Veränderung des Marktes auf die Waage bringen. Von den Großsendern sind Neuheiten nicht zu erwarten, weil sie mit ihren riesigen Sendegebieten zur Mitte verdammt sind und überdies eingebunden in das fesselnde Geflecht aus Politik, Bürokratie, Korporatismus und Geschäft.

Die typisch deutsche Mischung anno 2006. Innovation gibt es, wo sie bürokratisch, teuer und sinnlos ist, aber nicht da, wo sie einfach, bezahlbar und Erfolg versprechend wäre.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de