Das ist nicht fair
Von Horst Müller
Abschied von Steffen Möhring. Der Journalist und Privatradiopionier in Mecklenburg-Vorpommern starb unerwartet in der Nacht zum vergangenen Montag im Alter von nur 46 Jahren in der Nähe von Schwerin. Unser Mitgefühl gilt vor allem seiner Frau Petra Küntzer und seinen beiden Kindern, die nicht nur Ehemann und Vater, sondern vor allem einen großartigen Menschen verloren.
Bevor ich diese Zeilen zu schreiben begann, habe ich mehrere Telefongespräche geführt mit ehemaligen Kollegen und Mitarbeitern von Antenne MV. Ich wollte auch von ihnen wissen, was sie mit Steffen Möhring verbinden, an ihm besonders schätzten und ob sie sich erinnern können, wie er damals kurz nach dem Sendestart im Sommer 1993 zum ersten Privatsender in Mecklenburg-Vorpommern kam. Die letzte Frage konnte mir keiner von den Angesprochenen vollends beantworten. “Irgendwie kam Steffen über die Schweriner Theaterszene zu uns”, glaubt sich Peter Kranz, der damalige Wortchef und spätere Chefredakteur, erinnern zu können.
Spektakuläre Auftritte waren nie sein Ding. “Steffen war leise, eher zurückhaltend — gleichzeitig aber auch hartnäckig, zäh und vor allem die Zuverlässigkeit in Person”, weiß Ingo Lorenz zu berichten, der in den Anfangszeiten einer der wenigen Radioprofis bei Antenne MV war. Zuerst fiel Steffen Möhring als Nachrichtensprecher wegen seiner honorigen dunklen Stimme auf, die nach meiner Erinnerung nie einen Versprecher hervorbrachte. Das Umformulieren von dpa-Meldungen und Anmoderieren von Korrespondentenberichten reichte ihm bald nicht mehr. Steffen war Mitte der 1990er Jahre längst zum investigativen Journalisten geworden. Gemeinsam mit Kollegen deckte er illegale Machenschaften des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern auf. Die so genannte “Buntgescheckten-Affäre” machte 1996 bundesweit Schlagzeilen und führte schließlich zum Rücktritt von Landesinnenminister Rudi Geil, einem Vertrauten des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl.
Neben Reportagen aus dem Verkehrsflieger und der Gestaltung der ersten Homepage von Antenne MV hatte Steffen auch noch Zeit, das Herz seiner Kollegin Petra Küntzer zu erobern, die seinerzeit die Mittagssendung moderierte. Später heirateten die beiden, zogen in die Gemeinde Pinnow bei Schwerin und wurden Eltern von zwei Kindern. Beruflich gab’s derweil Rückschläge. Weil die damalige Geschäftsführung von Antenne Mecklenburg-Vorpommern — wie sich der Sender zwischendurch nannte – Anfang der 2000er Jahre mehr Wert auf Profit und weniger auf Qualität im Programm legte, verloren Petra und Steffen ihre Jobs bei dem Privatradio.
Trotz vorübergehender Arbeitslosigkeit gab Steffen nicht auf. Er lernte mit Foto– und Videokamera umzugehen und nutzte weiterhin sein journalistisches Gespür. Jahre später entdeckte ich ihn wieder im NDR Fernsehen, wo er sich mit penibel recherchierten Beiträgen inzwischen erneut einen Namen gemacht hatte. Die Themen mit denen er sich beschäftigte, wurden größer und bedeutender als jemals zuvor, gipfelten schließlich in seinen Recherchen zum Korruptionsverdacht beim Landeskriminalamt (LKA) Mecklenburg-Vorpommern vor wenigen Wochen. Das, so sagte mir Petra Küntzer am Telefon, war sicherlich seine wichtigste journalistische Arbeit, die Steffen Möhring weit über Mecklenburg-Vorpommern hinaus Lob und Anerkennung einbrachte. Es hätten noch viele weitere Recherchen und Beiträge von ihm folgen sollen.
Fassungslos — so wie Ex-Kollegin Wiebke Weitendorf und viele andere seiner Weggefährten bin auch ich angesichts der schlimmen Nachricht über den viel zu frühen Tod von Steffen Möhring. “Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück; es kommt nicht darauf an, wie lang es ist, sondern wie bunt”, zitierte seine Frau Petra den römischen Philosophen Seneca bei Facebook. Und trotzdem — “das ist nicht fair”, schrieb sie weiter.
Horst Müller (blogmedien.de)
Die Trauerfeier ist am Freitag, 20. Mai, um 15 Uhr in der Kirche in 19065 Pinnow bei Schwerin.