ego FM: Verschmelzung von Radio und Web

Interview mit Jörg Landfried, Programmdirektor von ego FM

Der Lizenznachfolger des Volksmusiksenders Radio Melodie in Bayern ist die junge Alternativstation ego FM. Das neue Logo ist bereits im Internet online und auch ein Teststream ist schon zu hören. RADIOSZENE hatte auf den Medientagen München Gelegenheit, mit Programmdirektor Jörg Landfried über das neue Programm zu sprechen.

ego FM
Das Logo von ego FM

RADIOSZENE: Wann ist der offizielle Sendestart von ego FM auf UKW?

Landfried: Der Sendestart wird terrestrisch in den Städten, in denen wir senden, am 21. November sein. So ist es im Augenblick zumindest geplant. Wenn dem technisch nichts im Wege steht, ist es ein fixer Termin.

RADIOSZENE: In welchen Städten senden Sie? Gibt es freie Frequenzen und sind die schon getestet worden?

Landfried: Frequenzen gibt es und diese sind auch getestet. Wir könnten darauf sogar schon beschallen, wenn wir wollen würden, aber wir tun es einfach noch nicht, weil wir auch im Haus noch nicht mit allen Details fertig sind. Die Frequenzen sind in München, Nürnberg, Würzburg, Augsburg und Regensburg, also in fast allen großen bayerischen Städten.

RADIOSZENE: Zuerst hieß das Projekt ja „radio blut“, ist ego FM der endgültige Name?

Jörg LandfriedLandfried: Radioblut war nur ein Arbeitstitel – so wie Herzblut. Es sollte eigentlich nur beweisen, dass Leidenschaft ‚drin steckt. Ego FM ist der letzte Titel. Wir haben eigentlich auch nie ein Geheimnis daraus gemacht und Radioblut hat sich nur so verselbständigt und sich in die Radiolandschaft ergossen. Das hat auch wilde Diskussionen ausgelöst, die wir gar nie wollten und die wir dann eigentlich mehr interessiert beobachtet haben. Wir waren auch viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt. (Bild: Köring/RADIOSZENE)

RADIOSZENE: In Radioforen liest man auch schon einiges über das neue ego FM. Was genau ist denn der Hintergrund von ego FM? Ist es ein individualisiertes Radio, ein user generated Radio?

Landfried: Also, was stimmt ist auf jeden Fall, dass ego FM – wie viele es genannt haben – ein formatfreies Radio sein wird. Formatfrei aber „nur“ – wenn man es überhaupt so nennen will, weil die musikalische Spannweite so groß ist, dass sie mit heutigen Namen nicht einzugrenzen ist. Das heißt, wir bewegen uns musikalisch erstmal in einem sehr breiten Spektrum, das nicht individuell ist, sondern ganz grundsätzlich. Wir fassen Musik an, die andere nicht anfassen. Wir haben ein reines Independent-Format. Das bedeutet, man hört bei uns Musik, die man woanders gar nicht hört. Deswegen ist es auch ein in Deutschland einzigartiges Projekt, vergleichbar vielleicht mit ganz wenigen Ländern, wo diese Sender aber letztendlich immer auch einen sehr großen Erfolg erzielen. Es ist auf der ganzen Linie ein Radio für Leute, die im Augenblick wenig oder kein Radio hören. Es ist eine relativ relevante Zielgruppe, gerade in dem Alter von dem wir reden. Wir reden schwerpunktmäßig von unter 20-Jährigen, die sich aus X Gründen vom normalen Radio weitgehend abgewendet haben. Das heißt, wir sind musikalisch sehr breit angelegt, beschäftigen uns thematisch neigungsweise mit dem Thema Jugend – ich sage „neigungsweise“ jetzt so, weil Jugend ja zu differenzieren ist. Wenn ich 15 und Schüler bin, habe ich eine andere Erlebniswelt als mit 20, wenn ich studiere oder wenn ich mit 25 fertig studiert habe und arbeite und meine Welt wieder anders aussieht. Wir reden ja von fast den gleichen Menschen, die sich letztendlich aber ganz anders verhalten. Deswegen sind wir ein absolutes Jugendradio, aber mit einer gewissen Projektionsfläche natürlich, damit man sich – auch wenn man zwei, drei Jähre älter wird und sein Leben verändert – noch immer bei unserem Radiosender wieder findet.

RADIOSZENE: Wie positioniert ego FM sich im Vergleich zu Galaxy?

Landfried: Galaxy hat eine ganz andere Ausrichtung mit dem populärsten Stil – R’n’B. Wenn ich letzte Woche nicht irgendetwas verpasst haben sollte, beschäftigt sich Galaxy ausschließlich mit der Musik, die in der Zielgruppe absolut in ist. Das heißt: absoluter Mainstream und das ist überhaupt nicht negativ gemeint. Mainstream hat funktioniert, funktioniert immer noch, bringt viel Erfolg. Nur einen weiteren Mainstreamsender braucht niemand, wir werden deshalb etwas ganz anderes machen, für genau die Menschen, die das bisher nicht bekommen.

RADIOSZENE: Gibt es ein paar musikalische Beispiele?

Landfried: Ist dahingehend schwer zu bringen, weil es zwei Besonderheiten gibt: A – die Musikauswahl und B – die Zusammensetzung. Und weil das dann ganz hypothetisch klingt, würde ich vorschlagen lieber am Donnerstag 21. November einzuschalten.

RADIOSZENE: Ist das nicht eher ein Jack FM-Format, nur extremer und jünger?

Landfried: Ich würde es eigentlich gar nicht vergleichen. Wenn man erstmal sagt, man bedient sich nicht der üblichen Chart-Titel, das was erstmal grundsätzlich jeder mögen kann, sondern man geht breiter und sagt, ich beschäftige mich mit Musik, die gut ist, auch wenn sie vielleicht gerade nicht so viele Leute kennen, dann hat man einfach nur sehr viel Musik davon. Und wenn man keine Angst hat, den Hörer auch mit neuen Dingen zu konfrontieren, dann hat man einfach nur sehr viel Musik in der Rotation, in einer Qualität, die man spielen möchte, aber das ist eigentlich fast ein Nebeneffekt des Grundgedankens.

RADIOSZENE: Das heißt: neue Titel einfach öfter warm spielen, damit die Leute sich daran gewöhnen?

Landfried: Ich rede nicht von neuen Titeln – ich rede auch von Titeln, die man vielleicht vor einem halben, einem Jahr oder zwei Jahren verpasst hat, einfach gute Musik, die nicht im Radio tot gespielt wurde. Es nichts dagegen zu sagen, einen Titel im Radio häufig zu spielen, aber man muss es ja nicht. Es gibt sehr viele gute, spannende Musik, die bei weitem nicht immer nur bekannt ist, außer man hat die Zeit – und das hat ja wiederum auch fast niemand – sich damit zu beschäftigen. Deswegen ist ego FM auch eine Orientierung , weil wer hat schon Zeit in einem CD-Laden oder auf einer Musik-MP3-Plattform mal zwei, drei Tage mit Stöbern zu verbringen. Wo fange ich denn überhaupt an? Am einfachsten wäre, ich fange bei ego FM an, höre da mal rein, höre, was es alles gibt und kann dann, wenn ich will, sogar gezielter suchen, weil man bei uns ja Informationen bekommt, was der Titel ist, wo er herkommt, wer ihn gemacht hat.

RADIOSZENE: …begleitet von einer Homepage, die 1:1 das Musikprogramm abbildet udn eine Einheit bildet, wie Sie auf den Medientagen gesagt haben?

Landfried: Wir haben unsere Internet-Programmierfirma natürlich auch vor neue Herausforderungen gestellt, die auch nicht in ein paar Wochen oder Tagen zu erledigen waren. Da wird sich also noch ganz viel tun. Aber das Endziel ist, etwas zu haben, was im Internet mit der gleichen Präsenz und Bedeutung wie im Radio da ist. Man muss einfach sagen – auch das ist nicht negativ gemeint – die meisten Internetseiten von Radios sind letztendlich eine Art gute Visitenkarte. Es sollte für diese Zielgruppe im Internet aber mehr sein.

RADIOSZENE: Wie viele Personen beschäftigen sich mit ego FM?

Landfried: Das ist eine sehr gute Frage, die ich gar nicht beantworten kann. Es beschäftigen sich sehr viele Menschen damit, unabhängig vom Team. Gefühlt halb Deutschland, muss ich sagen – natürlich nicht um sich einzubringen, sondern einfach weil es offensichtlich ein spannendes Thema ist. Und das freut uns sehr. Es haben sich sehr viele Menschen damit beschäftigt und sich auch angeboten. Auch Leute, mit denen man gar nicht rechnet, sehr kompetente Leute und auch Jugendliche, die einfach ihre Meinung eingebracht haben. Es gibt in München ja viele Möglichkeiten für Jugendliche, Radio zu machen, auch wenn man kein alter Radiohase ist, wie ich es einer bin. Auch die haben sich mit uns wiederum sehr beschäftigt. Das heißt: die Jugend, die wir eigentlich erreichen wollen, hat sich mit uns beschäftigt und wir mit uns selber natürlich.

RADIOSZENE: Wie ist ungefähr das Durchschnittsalter der Mitarbeiter?

Landfried: Knapp unter Mitte 20.

RADIOSZENE: Wie alt sind Sie?

Landfried: Ich bin nicht mehr Mitte 20, ich bin 39.

RADIOSZENE: Als schon raus aus der Zielgruppe, aber natürlich gefühlte …

Landfried: …schwer zu sagen, ich sag‘ mal so: ich mache sehr lange Radio und habe Radio in allen Schienen gemacht. Heute definiert man sich nicht mehr über das Alter, sondern durch eine gewisse Verhaltensweise mit neuen Dingen. Ich war in meinem beruflichen Leben bislang gezwungen – muss man fast schon sagen – mich ständig mit neuen Dingen zu beschäftigen. Inzwischen tue ich es längst gern. Also Jahre, wo nicht irgendwas neues, spannendes kommt, sind schlechte und langweilige Jahre. Und ich glaube, das ist eigentlich was einen Jugendlichen ausmacht. Etwas Neues ist selbstverständlich und immer erstmal gut – und damit hat der Jugendliche auch recht.

RADIOSZENE: Herr Landfried, vielen Dank für das Gespräch.

Die neuen ego FM-Frequenzen ab 21.11.2008

München 104,0 MHz
Nürnberg 103,6 MHz
Würzburg 95,8 MHz
Regensburg 107,5 MHz
Augsburg 94,8 MHz

Sowie über Satellit (ASTRA): Satellit ASTRA 1 H Transponder 103 horizontal
Downlinkfrequenz: 12.460,50 MHz (Symbolrate 27,5 MSymb/s FEC 3/4, Position 19,2° Ost, Kodierung unverschlüsselt)

ServiceID: 0x00AC (172 dez)
Audio PID: 0x0180 (384 dez)

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