Von Horst Müller
Zeugnistag für Hörfunker. Wenn die Ergebnisse der Media Analyse für Deutschlands Radiomacher veröffentlicht werden, gibt’s regelmäßig Zahlen-Wirrwarr in Pressemitteilungen und Mediendiensten. Dabei könnte stärkere Beachtung der Marktanteile für mehr Klarheit sorgen.
In diesem Slider gibt’s die Ergebnisse der MA 2016 Radio I nach Marktanteilen für alle Bundesländer:
Es gibt gute Gründe dafür, warum die zweimal im Jahr für Deutschlands Radioprogramme veröffentlichte Media Analyse misstrauisch beäugt werden sollte: Die Erhebungsmethode auf Basis von Gedächtnisprotokollen ist fragwürdig, die Hörzeiten (Verweildauer) werden sehr großzügig berechnet und die Ergebnisse sind im Schnitt neun Monate alt, wenn sie veröffentlicht werden. Nutzt nichts — die MA Radio ist gültige Währung in Deutschland für Radiomacher, deren Zuhörer und vor allem für die Werbebranche.
radio SAW vor Antenne Bayern
Für Ergebnisanalysen, Vergleiche, Eigenlob bei Gewinnen und Schuldzuweisungen bei Verlusten wird zumeist der Wert “Hörer pro Durchschnittsstunde, Montag-Freitag zwischen 06.00 und 18.00 Uhr”, herangezogen. Doch dieser Wert ist nur bedingt aussagefähig und lässt kaum Vergleiche außerhalb der eigenen Sendegebiete zu. Schließlich empfangen die meisten Hörer ihre Programme immer noch über UKW. Die Radionutzung wird zumeist nach Bundesländern erhoben und verglichen, was ungleiche Voraussetzungen für die einzelnen Sender mit sich bringt, wie ein Vergleich zwischen radio SAW und Antenne Bayern zeigt.
Der landesweite Sender aus Ismaning bei München kommt in der jetzt veröffentlichten Media Analyse auf stolze 1,259 Mio. Hörer ab 10 Jahren in der Durchschnittsstunde (Montag-Freitag, 06.00–18.00 Uhr) — und ist damit der Einzelsender mit den meisten Zuhörern, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Glückwunsch — und Glück für die Bayern zugleich: Immerhin haben sie knapp 11,2 Millionen potentielle Hörer im eigenen Bundesland.
Die Kollegen von radio SAW aus Magdeburg können da eigentlich nur neidisch in Richtung Süden blicken. Schließlich könnten sie maximal nur etwas mehr als 2 Millionen Hörer ab 10 Jahren in ihrem Kernsendegebiet Sachsen-Anhalt erreichen. Immerhin kommt radio SAW einschließlich ein paar “Gasthörern” aus den angrenzenden Bundesländern in der jetzt veröffentlichten MA 2016 Radio I auf 278.000 Hörer — und ist damit erneut das erfolgreichste Programm zwischen Harz und Halle. Beim Vergleich der Marktanteile in den eigenen Kernsendegebieten hat allerdings radio SAW mit 29,5 Prozent in Sachsen-Anhalt die Nase vorn. Antenne Bayern kommt dagegen im Freistaat “nur” auf 26,3 Prozent — bei einer durchaus vergleichbaren Wettbewerbssituation in beiden Bundesländern.
Auch bei der Vermarktung von Werbezeiten kann der Marktanteil — wenn er denn hoch ist — durchaus ein besseres Verkaufsargument sein, als die Zahl der Hörer; zumindest in Verbreitungsgebieten mit geringen Bevölkerungszahlen — so wie beispielsweise Sachsen-Anhalt. Einen Münchner Werbeentscheider werden die 278.000 Hörer in der Durchschnittsstunde von radio SAW vermutlich nicht sonderlich beeindrucken, wenn er von Antenne Bayern und Bayern 1 Hörerzahlen in Millionenhöhe gewohnt ist. Am Marktführer in der Region wird er indes kaum vorbeikommen, wenn er in Sachsen-Anhalt über das Radio seine Werbebotschaften verbreiten lassen will.
Marktführer werden ignoriert
Es gibt einen weiteren gewichtigen Grund dafür, warum der einseitige Blick auf die Hörerzahlen nur ein unvollständiges Bild ergibt: Unter den öffentlich zugänglichen Auswertungen “Hörer pro Durchschnittsstunde” werden nur die Sender aufgezeigt, die Werbung senden (dürfen). Das führt vor allem im Verbreitungsgebiet des NDR zu völlig verzerrten Darstellungen der Ergebnisse, weil die werbefreien Landesprogramme der Vier-Länder-Anstalt bei Betrachtung von MA-Ergebnissen häufig ignoriert werden. Immerhin sind NDR 1 Radio MV in Mecklenburg-Vorpommern, NDR 1 Niedersachsen und NDR 1 Welle Nord in Schleswig-Holstein Marktführer in ihren Bundesländern. NDR 90,3 rangiert in Hamburg hinter Radio Hamburg auf Platz 2. Gut für den NDR, dass es auch die Ausweisung der Marktanteile gibt.
Horst Müller (blogmedien.de)