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Merkels Rehblick

Bitter Lemmer

Antonia von Romatowski ist eigentlich keine Radiofrau. Aber sie ist in Radiosendern zu hören (u.a. Bayern 3 und Radio Fritz). Antonia von Romatowski imitiert Stimme und Spreche von Kanzlerin Angela Merkel. Klar, dass sie ihre Protagonistin mag: „Sie hat Arbeitsplätze versprochen. Mir hat sie einen gegeben.“

Auch, wenn es mit der akustischen Merkel-Satire nicht ganz so läuft wie früher mal gedacht. „Nach dem ersten Hype dachten alle, das geht genauso ab wie mit Schröder“. Ging es aber nicht. Vor allem nicht im Radio, wo Schröder (und vor Schröder Kohl) bei mehr oder weniger jedem Sender in Deutschland mehr oder weniger täglich von Stimmen-Imitatoren aufgespießt wurde. Die „Gerd Show“ von Elmar Brandt, der Antonia von Romatowski übrigens als Doris Schröder-Köpf einsetzte, war der Radio-Höhepunkt des Genres. Die ähnlich konzipierte Merkel-Show lief vorübergehend bei sechs Sendern, starb aber letzten Dezember mangels weiteren Interesses.

„Mit und über Frauen Witze machen – das fällt den männlichen Autoren schwer“, lautet eine Erklärung Romatowskis. „Die gehen häufig über das Aussehen, was mir sowieso nicht passt“. Außerdem gebe es da eigentlich kaum noch Ansatzpunkte. Merkels Frisur und Kleidung seien längst schick und angemessen. Sie mache kaum Fehler. Sie sei so stark, „dass eigentlich immer ein Heiligenschein über ihr schwebt“. Zudem: „Manchmal habe ich das Gefühl, sie hat einen Rehblick drauf“. Ganz anders als vor ihr Schröder, der Basta-Kanzler mit den Gottschalk-Auftritten und der Debatte um gefärbte Haare oder nicht. Wie soll man so eine Frau zur Karikatur verarbeiten, wenn vor ihr einer war, der die Gags nur so herausforderte?

Indem man, so Romatowski, die Kanzerlin-Persönlichkeit mit Absurditäten bricht. Sie auf der Bühne eine Spezialfassung von Britney Spears‘ „Oops, I did it again“ singen lässt. Oder über Ehemann Joachim räsonieren. Oder den Schwanensee tanzen. „Auf der Bühne läuft das total anders“, freut sich die Merkel-Darstellerin. Als Merkel verkleidet bringe sie otpisch „Seiten zum Vorschein, die man sonst nicht an ihr sieht“.

Man muss sich halt trauen. Radiosender aber, sagt Romatowski, eben Künstlerin, keine Radiofrau, trauten sich häufig nicht so recht. Und freut sich, dass sie für Galas gebucht wird („eh besser bezahlt“), mit zwei Merkel-Imitatorinnen-Kolleginnen als „No Angies“ auf der Bühne des Düsseldorfer Kommödchens steht oder jüngst in der ARD bei der Rudi-Carell-Gedenkshow auftreten durfte.

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Die Geschichte der akustischen Kanzler-Persiflagen begann mit Helmut Kohl. Zwar existierte noch kein Privatradio, und beim Staatsfunk wären morgendliche Kohl-Gags unvorstellbar gewesen. Aber die Idee war einfach zu gut, um nicht trotzdem erfolgreich zu sein. Der erste Kohl-Imitator, Stefan Wald, konnte mit seinen Gags und seiner Performance einen Plattenvertrag beim damaligen Major-Label CBS (heute Sony Music) ergattern und verdiente zusätzlich auf diversen Bühnen gutes Geld. Ausgerechnet Kohl stellte dann die politischen Weichen für den Privatfunk und ermöglichte die eigentlich natürliche Plattform für die Verhohnepipelung seiner Person. Denn jetzt kamen die Kohl-Gags tagesaktuell und zudem zur besten Radio-Sendezeit. Als Schröder ihm folgte, lautete die Frage nicht, ob, sondern wie schnell gleichwertiger Ersatz für die Kohl-Imitatoren auftauchen würde. Mit Merkel, einst „Kohls Mädchen“, scheint das Genre sich aus dem Radio zu verabschieden. Man könnte die zunehmende Einförmigkeit und Langeweile der Politik dafür verantwortlich machen, für die Merkel wohl eher Symptom als Ursache ist. Man könnte sich aber auch fragen, ob es sich nicht eher um eine generelle Lustlosigkeit und Verzagtheit des Radios handelt. Trends ausbeuten, statt welche zu setzen. Nichts Neues mehr wagen, nur noch plattspielen, was halt rumliegt.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de

XPLR: MEDIA Radio-Report