Radio-Rentner

Bitter Lemmer

Schau her – schon wieder einer aus der Privatradio-Riege im Altersruhestand. Diesmal Kollege Sonny Rocket, Veteran des Nürnberger Radio Gong. Radiodeutschland wird doch nicht ebenso kollektiv vergreisen wie der Rest des Landes?

Damals, als alles anfing, hätte das niemand für möglich gehalten. Als Privatradio noch – je nach Geschmack und Vorlieben – für Freiheit, Rebellentum oder grenzenlose Kommerzkacke stand, war klar, dass nur junge Menschen sowas tun könnten. Jedenfalls sahen das Gewerkschafter und auf Sicherheit bedachte Öffi-Spießer so. Privatradio sei das leibhaftige Heuer-und-Feuer. Denen ginge es nur um den schnellen Profit. Ganz und gar igitt also, auf jeden Fall nichts, worauf man bauen könne. Nichts Beständiges. Außerdem brutal. Das halte man eh nur ein paar Jahre aus. Und sollte so ein Sender ausnahmsweise nicht raubtierkapitalistisch gesinnt sein, so sei gehe er garantiert demnächst pleite – was alterssicherungstechnisch auf dasselbe hinausliefe. So oder so – Privatradio: nur was für hasardeurisches Jungvolk.

Privatfunker haben über so etwas eher selten nachgedacht. Statt mit der bösen, schlimmen Zukunft beschäftigten sie sich mit der Gegenwart. Das hat eindeutig mehr Spaß gemacht, als die Sorgen der Welt, die Zukunft des Planeten und der Menschheit und – damals total modern – die Aussicht auf den atomaren Holocaust (die nannten das wirklich so – in absurder Verharmlosung des anderen Holocaust) zu schultern.

Seitdem hat sich eine Menge geändert. Die ARD-Sender senden lustige Micky-Maus-Programme, gegen die der durchschnittliche Privatsender geradezu intellektuell wirkt. Nehmen wir mal als Beispiel Hessen: FFH oder die Jugendwelle des amtlichen Hessischen Rundfunks – wo steht der Flohzirkus? Oder die Heuer-und-Feuer-Mentalität: Gibt es mehr Willkür als für die Freien der Öffis mit ihren fiesen Knebelverträgen, die allein auf schnelle Entsorgbarkeit des Menschenmaterials zugeschnitten sind? Bei Privaten geht so etwas kaum noch, bei Anwesenheit eines Betriebsrats schon gar nicht. Nur mehr Geld haben die Öffis – aber das ist ein anders Thema.

Oder vielleicht doch nicht? Funkbeamte, also die Feudalherren des Staatsfunks, leben natürlich in jeder Lebensphase exzellent, mit großzügiger Aktivalimentation wie auch späterer Gebührenpension. Das ist im Funkleben nicht anders als im funklosen Leben bei den sonstigen Beamten. Typisch deutsch halt. Ändert es was, sich darüber aufzuregen? Natürlich nicht.

Aber eines darf man festhalten: Als sie damals die Zukunftstauglichkeit des Privatfunks bestritten, haben sie schlicht Unsinn geredet. Reich, aber spießig. Dann lieber arm, aber sexy. Und zwar bis zum Schluss.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de