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Prometheus: Gut gemeint statt gut gemacht

Bitter Lemmer

Fair Radio – das klingt irgendwie nach Fair Trade. Ist aber ganz anders. Seit eineinhalb Jahren gibt es diese Gruppe, die das Radio zwar nicht besser, aber fairer machen will. Das hat den drei Initiatoren jetzt die Nominierung für den Goldenen Prometheus eingebracht, den Medienpreis des Magazins v.i.s.d.p., das von Hajo Schumacher herausgegeben wird, früher Vizechef des Berliner Spiegel-Büros, umtriebiger Buchautor und Spiegel-Online-Lesern bekannt als ironischer Langläufer Achim Achilles. Der Preis wird am 19. Januar verliehen.

Die Stifter begründen ihre Nominierung, da hätten sich „zahlreiche Radiomoderatoren und Journalisten von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zusammengetan, um auf Missstände um den um sich greifenden Hörerbetrug im Radio aufmerksam zu machen“. Dank der drei nominierten Initiatoren „Müller, Seiwert-Fauti und Foerster gibt es nun sogar ethische Leitsätze für ein glaubwürdiges Qualitätsradio, fernab der Hörerabzocke.“

Gegründet wurde Fair Radio nach eigener Darstellung während eines Seminars der Bundesanstalt für politische Bildung. Da hätten Radiomacher aus dem Nähkästchen geplaudert. Der Seminarleiter, Udo Seiwert-Fauti, lässt sich angesichts der gewonnenen Erkenntnisse so zitieren: „Der Schock saß tief darüber, wie wir Radiomacher mit unserem Medium umgehen und wie wir es täglich ‚verkaufen’“. Noch während der Veranstaltung habe man „Handlungsbedarf“ verspürt und ein sogenanntes Tutzinger Manifest formuliert. Pathetische Grundlage für ethisches Radio.

An der Glaubwürdigkeit und Integrität der Fair-Radio-Macher sind allerdings Zweifel angebracht. Wer sich den Sheriffstern für Ethikkontrolle anheftet, muss sich selber ethisch verhalten.

Dazu gehört, dass sich Journalisten vor Interessenskonflikten hüten sollten. Sich möglichst fern halten davon, PR und Journalismus zu vermischen. Wie es Seiwert-Fauti tut. Für das Magazin Cut berichtete er ausführlich über den Neubau des BBC-Funkhauses in Schottland. Der Text ist in Auszügen bei der Bundeszentrale für Politische Bildung eingestellt. Weshalb er da relevant ist, erschließt sich nicht. Dafür aber, dass Seiwert-Fauti selber BBC-Mitarbeiter ist und somit in eigener Sache berichtet. Sein Text ist streckenweise pure PR-Lyrik, etwa, wenn er den „international renommierten“ Architekten für den „Prachtbau“, ja: „Radiohimmel auf Erden“ preist.

Der zweite preiswürdige Fair-Radio-Gründer ist Max Förster. Auf seiner Homepage stellt er sich als Moderator und Webmaster des Funkhauses Ingolstadt vor. Unter dem Menupunkt Mediendesigner bietet er unter dem Markennamen „MaxMedien“ seine Produkte als „…die clevere Lösung“ an. „Wenn sich ein Unternehmen in den Medien präsentieren möchte, darf der Hörfunk nicht vergessen werden“, schreibt er. Und ermuntert: „Vom Konzept zum Werbespot bzw. redaktionellen Beitrag – lassen Sie sich beraten!“ Und schon lautet der Rat: „Eine weitere Lösung sind Audio-Presskits. Hierbei handelt es sich um eine für den Hörfunk gefertigte Presse-CD. Der Vorteil: Radiostationen haben keinen Produktionsaufwand, sondern können die redaktionellen Beiträge bzw. Interviews kostenfrei ausstrahlen.“

Damit ist der Fair-Radio-Gründer ein Beispiel für das, was sein Verein empört anprangert. Auf der Fair-Radio-Seite heißt es: „Viele Radiosender sind Dauerwerbesender. Sie berichten nicht mehr. Sie informieren nicht mehr. Und ihre Beiträge werden nicht mehr von Journalisten gemacht. Die Beiträge werden stattdessen kostenfrei übernommen – von Agenturen (z.B. Schlenker PR mit den Plattformen podfm und radioboerse, audioetage, …), die sich für diese Beiträge wiederum von Unternehmen und Verbänden bezahlen lassen.“ Es folgen diverse Sender, denen vorgeworfen wird, solche Beiträge zu senden.

Foerster meint dazu im Blog von Ulrike Langer, er übernehme lediglich die „Dienstleistung in der Produktion von Medien“. Mit der Weitergabe dieser Medien an Radiosender habe er nichts zu tun. Das mag so sein oder auch nicht, es ist egal. Foerster räumt damit implizit ein, dass er das von Fair Radio kritisierte PR-Treiben unterstützt und dass er daran mitarbeitet. Seine Einlassung verwischt außerdem Grenzen – statt sie zu ziehen. Die „Beiträge werden nicht mehr von Journalisten gemacht“, meint Fair-Radio. Als solcher („…Redakteur und CVD…“) bezeichnet sich aber Foerster. Was denn nun?

Immerhin: Über Sandra Müller, die dritte im Bunde, ist nichts Kompromittierendes zu finden. Wohl aber in der Liste der Unterstützer, auf der sich die – laut Prometheus-Stiftern – „zahlreichen Radiomoderatoren und Journalisten“ finden sollen. Tatsächlich gibt es zwei Listen. Eine ist mit Radiomacher, die andere mit Radiohörer überschrieben. Die Liste der sogenannten Radiohörer ist belanglos, da könnte im Grunde jeder draufstehen. Sie ist auch nicht besonders lang. Länger und aufregender ist die Liste der Radiomacher.

Auf der finden sich nach näherer Überprüfung bestenfalls eine Handvoll Radiomacher, die tatsächlich Radio machen. Eindeutig überrepräsentiert sind Medienpädagogen etwa in städtischen Diensten, Dozenten, Initiatoren von Internetprojekten oder dem Webmaster einer Seite, die sich mit Plane-Spotting beschäftigt – also Fotos diverser Fluggeräte zeigt, die irgendwann auf Berliner Flughäfen gesichtet wurden. So eine Webseite ist natürlich vollkommen okay, aber Radiomachen ist für mich etwas anderes.

Unter radiomachenden Radiomachern scheinen Kollegen öffentlich-rechtlicher Sender die Mehrheit zu bilden. Einer der wenigen aus dem Privatradio ist der Ex-Programmchef von JamFM, Ricky Breitengraser. Was der sich bei seiner Unterschrift dachte, ist mir ein Rätsel, ebenso, warum Fair Radio sie listet. Breitengraser firmiert nebenbei als CEO der Firma „DieMedienagentur“. Man ahnt, was jetzt kommt. „Wir sind Radioprofis“, preist er sich der werbenden Wirtschaft an, „wir kennen beide Seiten“. Und bietet dann neben anderem ausdrücklich „Product Placement“ im Radio.

Die PR-CDs, die ständig in den Redaktionen auftauchen, mag ich auch nicht. Allerdings eher aus Qualitätsgründen: Die Beiträge, die sich darauf finden, sind bestensfalls schmerzfreie Weghörer, tragen aber nichts zum Erfolg der Programme bei. Ich habe noch nie einen PR-Beitrag gehört, für den jemand das Radio eingeschaltet hätte. Redakteure, die sie ins Programm heben, tun das ja auch immer in dem Bewusstsein: Wird schon nicht schaden. Tut es aber doch, weil es dem Programm nicht nützt. Vertaner Sendeplatz. Da wäre eine Musik besser.

Und fair wäre das auch.

v.i.s.d.p. sollte sich überlegen, ob hier nicht die Falschen für ein im Prinzip richtiges Anliegen nominiert sind. Und konsequent reagieren: Nicht einfach still einem anderen den Preis zuerkennen, sondern Fair Radio ehrlich entnominieren.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de

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