10 Jahre Radio über UMTS: „Für uns war es der Beginn einer neuen Ära für den Hörfunk“

Heute vor zehn Jahren ist in Österreich mit LoungeFM das weltweit erste UMTS-Radio gestartet (vgl. RADIOSZENE 2005: Erster Handy-Radiosender Österreichs startet“). Anlass für uns, mit dem Initiator des Projekts, Florian Novak, einen Blick zurück zu werfen – und dabei auch einige Fragen zur Zukunft des Radios zu stellen.

Das Überraschende: Was die Bedeutung der Terrestrik betrifft, hält sie der Pionier des Mobile Streamings für weitaus überlegener und für bestehende Radiomacher auch für die bessere Alternative. Ein Wandel vom Saulus zum Paulus?

Florian Novak (Bild: ©Stephan Rauch)
Florian Novak (Bild: ©Stephan Rauch)

RADIOSZENE: Das zehnjährige Jubiläum von LoungeFM über UMTS, ist das nun ein Grund zum Jubeln?

one-autria-logo Florian Novak: Für uns war der Launch im UMTS-Netz des damaligen Mobilfunkanbieters ONE mehr als der Start von LoungeFM, es war der Beginn einer neuen Ära für den Hörfunk, nämlich, dass digitales Radio endlich mobil wird und das Handy künftig auch zum Radioempfänger wird – mit unendlich vielen Programmen.

RADIOSZENE: Wie war damals die Reaktion?

Florian Novak: Ich erinnere mich noch gut: Bei vielen Gesprächspartnern haben wir in erster Linie Kopfschütteln und Verwunderung geerntet. Nach dem kostspieligen Erwerb der UMTS-Lizenzen waren die Datenautobahnen faktisch leer und alle wesentlichen Player – vom Mobilfunker, über Hersteller bis zu den Lieferanten – haben alle wie das Kaninchen vor der Schlange starrend auf Fernsehen am Handy gehofft. Nur: Die Sehnsüchte der Industrie ließ die Konsumenten kalt – es war ja noch die Pre-Smartphone-Zeit mit briefmarkengrossen Bildschirmen. Und dann kommt so ein kleines Start-Up aus Wien daher und sagt: Wer braucht Bilder? Radio ist gelernt, wir legen los – ganz ohne Hörfunkzulassung und langwierige Verfahren vor Landesmedienanstalten.

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RADIOSZENE: LoungeFM hat ja dann einen spannenden Wandel durchgemacht zum UKW Sender heute mit Zulassungen in fast allen österreichischen Bundesländern, fast könnte man sagen, es hat sich vom digitalen Radio zum analogen entwickelt?

Florian Novak: Ja, was den Verbreitungsweg betrifft, haben wir uns auf den analogen Wegen etabliert, übrigens bis heute im Vergleich zum Mobile Streaming das wirtschaftlich bedeutendere Standbein. Natürlich war dabei auch hilfreich, dass wir unser Programm bereits betrieben haben.

RADIOSZENE: Wird sich die starke Bedeutung der analogen Verbreitung auf absehbare Zeit ändern?

Florian Novak: Kein Radiosender kann heute ernsthaft auf mobile Verbeitung am Handy verzichten. Aber: Absehbar ist, dass im Mobile Streaming ganz neue, starke Player auf ein Radio-Hörerlebnis setzen, gegen die anzukommen, selbst für bestehende Radiomarken nicht leicht sein wird. Ich denke da vor allem an Spotify, in den USA Pandora und kommender Woche wohl auch Apple. Was mich im übrigen besonders freut: Fast auf den Tag genau nach unserem Start vor zehn Jahren setzt Apple als global Player nun kommenden Dienstag ein wichtiges Signal für unsere Branche mit einem linearen Angebot, das auf intelligentes Wort und kuratiertes Musikangebot setzen wird.

RADIOSZENE: LoungeFM hat ja zwischendurch auch immer auf die digital-terrestrische Verbreitung über DAB+ gesetzt – in Deutschland bundesweit mit endenwollendem wirtschaftlichen Erfolg, nun ist LoungeFM auch in Österreich am Start. War und ist das ein Sinneswandel eines Pioniers des „mobilen Internetradios“, hier auf digitale Terrestrik zu setzen?

Florian Novak: Unsere Lektion aus den den vergangenen zehn Jahren ist: Im Kern kann Radio in erster Linie mit Komfort punkten, im New-Media-Sprech gern als „Convenience“ bezeichnet. Heute sehe ich durchaus viele Nachteile beim Handy als Radiogerät. Während das normale Radio einfach nur einen Knopf braucht, damit es verlässlich läuft, ist das Handy als Empfangsgerät unverändert komplizierter, der Datenempfang läuft nicht immer stabil und konkurriert mit anderen Usern in der Mobilfunkzelle, außerdem kostet es mich als Hörer neben der Datenrate auch wertvolle Akku-Kapazität. Auch wenn das alles irgendwann gelöst ist, merke ich im Alltag dennoch, dass ein gesondertes Gerät für Audiobeschallung im selben Raum oder im Auto durchaus eine Berechtigung haben wird. Hier kann das Radio, wie wir es kennen, durchaus punkten. Neue Technologien wie DAB+ können sich etablieren, wenn die Inhalte passen. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten, indem wir für jene Programmvielfalt sorgen, die UKW bisher nicht bieten kann. Freilich würde ich mir wünschen, dass alle Radiosender gemeinsam an einem Strang ziehen – auch angesichts der starken, internationalen Konkurrenz auf dem Smartphone.

RADIOSZENE: Wo wird das Radio in zehn Jahren sein?

Florian Novak (Bild: ©Stephan Rauch)
Florian Novak (Bild: ©Stephan Rauch)

Florian Novak: Meine Meinung: Stark, relevant und so vielfältig wie noch nie zu vor – das wird das Radio in zehn Jahren sein. Internationale Anbieter werden dabei auf Augenhöhe mit lokalen Playern um die Gunst der Hörerinnen und Hörer buhlen, voraussichtlich mit unterschiedlichen Businessmodellen. Die Finanzierung über Werbung wird unverändert wesentlich – aber nicht der einzige Weg – sein, allerdings individueller und intelligenter messbar als heute. In zehn Jahren wird die analoge Terrestrik weiterhin eine maßgebliche Rolle spielen, aber weniger prominent als heute, darüber hinaus wage ich das aber nicht zu behaupten.

 

Über Florian Novak

Florian Novak, 40, ist Gründungsgesellschafter von Radio Energy Wien und LoungeFM. Sein neues Startup Tonio – Ton mit Information setzt auf die lautlose Synchronisation aus Radio und Smartphone über Audio. Anfang Juni wurde er dafür mit dem 1. Österreichischen Radiopreis ausgezeichnet.