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republica 2015: Radio tanzt mit Algorithmus

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Radio trifft Internet. An der Digitalkonferenz Re:publica in Berlin wurde über die Ultrakurzwelle hinausgedacht. Eine Übersicht von Felix Unholz über die spannendsten Diskussionen.

1. Personalisierung und Responsivität

App-02A-PersonalisierungIm Podium «futureRadio – It might get loud» des MIZ Innovationspace stellte Armin Hirsch vom Bayerischen Rundfunk das Konzept von SpotiNews vor. Das Herzstück ist eine Radioapp, welche eine Schnittstelle zu Spotify nutzt. Dadurch wird es möglich, personalisierte Playlists von Spotify mit Wortinhalten zu kombinieren. Der Nutzer erhält so ein personalisiertes Radioprogramm. Er kann beispielsweise auswählen, aus welchen Rubriken, in welchem Umfang und wie oft er Wortbeiträge hören möchte – ob viertelstündlich, jede Stunde oder zweistündlich. Unter Soundticker.de gibt es eine Demoversion der App, die derzeit noch entwickelt wird. Die Idee macht nicht nur Nerds Freude: Laut Insiderinformationen denkt man bei einem grossen bayerischen Privatradio bereits darüber nach, welche neuen Angebote mit der App geschaffen werden können. Eine Schwäche im Vergleich mit klassischem Radio: Die Wortinhalte werden momentan nur nach einer algorithmischen Logik und nicht redaktionell gewichtet. Das bedeutet, nicht das Wichtigste, sondern die neueste Nachricht der jeweiligen Rubrik läuft zuerst.

Ein anderer Ansatz ist das Projekt Responsive Radio, welches Frank Melchior von der BBC vorstellte. Dabei passt sich das Radioprogramm an die aktuelle Hörsituation an. Also daran, wer wie lange an welchem Ort über welches Gerät ein bestimmtes Radioprogramm hören möchte. Im Podcast von Was Mit Medien führt Melchior die Idee von Responsive Radio an einem Beispiel aus:
«Es ist, wie wenn wir im Strandkorb sitzen und ich überlege: Wie krieg ich denn jetzt meine Geschichte so verpackt, dass es mein Gegenüber versteht? Und wenn ich weiss, dass wir noch ein bisschen Zeit haben, kann ich länger ausholen.» So soll sich der gleiche Podcast an das Zeitbudget des Hörers anpassen. Hört dieser beispielsweise auf einer kurzen Busfahrt, werden weniger wichtige Dinge oder Nebenschauplätze der Geschichte weggelassen. Melchior möchte aber «keine Algorithmen, die Geschichten erzählen». Die Gewichtung findet immer noch durch den Beitragsmacher statt. Responsive Radio könnte auch bedeuten, dass sich die Audioqualität bestimmter Podcasts verändert. Bei Kopfhörernutzung etwa könnte ein Hörspiel mit 3D-Sound abgespielt werden.

2. Die Zeitung will ins Radio

phonicle-logo«Hör die besten Artikel. Gesprochen von den besten Stimmen.» Mit diesem Claim wirbt die neue App Phonicle, die ausgewählte Zeitungsartikel etwa vom «Handelsblatt» oder der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vorliest. Bemerkenswert ist, dass die Artikel nicht von einer Computerstimme, sondern von Profis des Internetradios Detektor.fm gesprochen werden. Christian Bollert, Geschäftsführer des Radios, erklärte die App in seinem Lightning Talk zu einer möglichen Konkurrenz des klassischen Radios. Etwas nüchterner sieht dies Radiokollege Marc Krueger in seinem Blogpost zu Phonicle.

3. Algorythm is a dancer

Genug geredet, nun wieder drei Hits am Stück! Moment, vor den besten 80ern noch ein kurzer Abstecher in die Neuzeit. Musikjournalist Kevin Schramm erklärte in seinem Vortrag die Welt von Big Data und Musik. Für sein Radiofeature über das Thema hat er unter anderem den Wortschatz verschiedener deutscher Rapper ausgewertet und mit ihrem kommerziellen Erfolg verglichen.
Was Radio und die Musikindustrie von Spotify & Co. lernen können, erzählt er uns im Interview. Und wir erfahren, wie der perfekte Radiohit klingt:

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Wer mehr darüber erfahren möchte, wie sich Hits voraussagen lassen und warum Helene Fischer mit wenig Songtext viele Facebook-Likes erzielt, findet hier Kevins eigene Linkliste zum Vortrag.

Die Re:publica 2015 hat gezeigt: Das Radio und die Algorithmen beherrschen bereits erste gemeinsame Tanzschritte. Jetzt müssen die klassischen Radioredaktionen nur noch das Parkett für den Tanz verlegen.

Weiterführemde Informationen
re:publica15: Rethinking Broadcasting – Wie mutig bist Du?

 

Felix Unholz
Felix Unholz

Über Felix Unholz

Felix Unholz ist Moderator beim Ostschweizer Radio FM1 in St. Gallen. Zudem studiert er Geschichte und Medienwissenschaft an der Universität Basel. In seiner Sendung FM1 am Samstag mit Felix Unholz gibt’s wöchentlich von 10 bis 14 Uhr die Hits fürs Wochenende und Themen, die für Gesprächsstoff sorgen. Kontaktiere @FelixUnholz auf Twitter oder via felixunholz.ch.

 

 

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