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Freie aller Sender – vereinigt Euch, Teil II

Bitter Lemmer

Fortsetzung der Mai-Kolumne: Was beim SWR wirklich passiert, warum die Dinge beim Privatfunk anders liegen als bei den Öffis und die Heuchelei der Gewerkschaften.

„Kurz und knapp“, schrieb Ariane Pfisterer, die Sprecherin des SWR, „kann ich ihnen mitteilen, dass es beim SWR keine Zwangspausen bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter gibt.“ Kurz und knapp sei hiermit ergänzt: Damit hat Frau Pfisterer in Spindoktoren-Manier zwar nicht gelogen. Korrekt war die Antwort aber keineswegs, vollständig sowieso nicht.

Sie „weiß wohl nicht, was beim SWR tatsächlich vor sich geht“, schrieb ein Kollege, der es wissen muss, weil es ihn persönlich betrifft. Und bestätigt zwar, dass es für Freie keine Zwangspausen gibt – dafür aber die Zwangsentlassung. Nach sechs Jahren mit einem sogenannten 12a-Rahmenvertrag sei es schlicht vorbei. Nur für den Fall, dass eine Abteilung eine lebenslange Beschäftigungsgarantie gebe, werde der Mitarbeiter weiterbeschäftigt – nach Aussage des Tippgebers passiert das immer seltener.

Noch etwas wusste der Kollege zu berichten: „Diese Sechs-Jahres-Grenze ist offenbar Bestandteil einer Vereinbarung des Senders mit der Gewerkschaft“. Zu den Gewerkschaften gleich mehr.

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Warum ich nichts über die Freien bei den Privaten geschrieben habe, fragen einige im Forum. Weil die Sache da vergleichweise einfach ist. In vielen Teams sind Freie in der Mehrheit. Ihr kollegialer Status ist genauso hoch oder niedrig wie der von Festen. Es gibt freie Moderatoren, die pro Sendung bezahlt werden, hier und da gibt es Pauschalisten, dann Reporter und Autoren, die ihr Geld pro Beitrag bekommen. Es gibt ein paar extrem hoch bezahlte Leute, auf deren Visitenkarte Programmdirektor steht, die gleichzeitig moderieren, formal freiberuflich arbeiten und pro Jahr eine halbe Million Euro bekommen. Und es gibt – manchmal im selben Laden – sogenannte Vogelfreie, die plötzlich einfach nicht mehr auf dem Dienstplan stehen und wochenlang den Chefs hinterherrennen, um am Ende zu erfahren, dass es das war. Es gibt auch extrem niedrig bezahlte Leute, die alle zwei Monate mal einen Fuffi dazuverdienen. Und es gibt alles mögliche dazwischen. Nur eines gibt es wirklich selten: Gewerkschaften, Betriebsräte, Zwangspausen, Prognosen und ähnlich bürokratische Regeln.

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Das liegt nicht daran, dass Freie sich nicht manchmal auch wünschten, dass ihre Interessen besser vertreten würden. Es liegt daran, dass die Gewerkschaften die Institution Privatfunk in Wahrheit verabscheuen. Dabei waren sie zu keiner Zeit um kein noch so absurdes Scheinargument verlegen. “Die unter Marktverhältnissen absehbare Konzentration von Meinungsmacht in den Händen weniger…“ müsse „…verhindert werden“, heißt es auf der Verdi-Seite. Dabei ging es bei der Einführung des Privatfunks ja gerade darum, das Monopol der Öffentlich-Rechtlichen zu knacken. An deren Institut sind die Gewerkschaften aber als Rundfunkräte beteiligt. Wie offensichtlich der Interessenskonflikt der Funktionäre ist, zeigt der Lokalfunkstreik in NRW 1993.

Die Gewerkschaft sorgte dafür, dass die Medienbehörde LFM bestreikten Sendern die Übernahme des Mantelprogramms oder das Abspielen von Notbändern während der Streik-Zeiten untersagte. Die Drohungen reichten bis zum Lizenzentzug. Die Sender sollten tote Luft senden, das war das Ziel. Die LFM ist – wie alle Medienbehörden – ebenfalls eine GEZ-finanzierte öffentlich-rechtliche Anstalt, die von den sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen mitbestimmt wird. Diejenigen, die innerhalb der LFM auf Lizenzentzug drängten, waren die Gewerkschafter. In den Sendern ließ die Gewerkschaft streiken, in der Lizenzbehörde drängte sie gleichzeitig auf Abschalten. Erst höchstrichterliche Urteile setzten der Gewerkschaftsdiktatur in NRW wenigstens gewisse Grenzen.

Ein anderes Beispiel für Heuchelei besteht darin, dass die Gewerkschaften in ihren Mitgliederzeitungen jahrelang die Abschaffung des Privatfunks forderten und anderslautende Positionen ihrer zahlenden Mitglieder aus dem Privatfunk schlicht ignorierten. Das heutige Verhältnis der Gewerkschaften zum Privatfunk hat sich nur taktisch geändert. Privatfunk ist für die Funktionäre bis heute ein rotes Tuch – nicht wegen schlechter Bedingungen für die Mitarbeiter (das behaupten die nur), sondern aus machttaktischen und politisch-kulturellen Gründen.

Das ist am Ende auch der Grund dafür, dass sich die Gewerkschaften um die Freien im Staatsfunk nicht besonders scheren. Im Vergleich zum festangestellten Wasserkopf sind das einfach zu wenige. Lohnt nicht.

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Frau Pfisterer scheint jetzt auf Tauchstation gegangen zu sein. Die Mail, in der ich sie mit den Infos des dortigen Kollegen konfrontierte, hat sie nicht beantwortet.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de

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