Der Nürnberger Privatsender vilradio stellt den Sendebetrieb ein. Warum er sich nach 30 Jahren aus der Radiobranche zurückzieht, was er jetzt vorhat und wie vilradio weiterleben wird, erklärt Geschäftsführer Matthias Lenardt im Gespräch mit RADIOSZENE, in dem er sich erstmals zu den jüngsten Vorgängen äußert.
Abschaltung von DAB+ schon um Mitternacht
Erst DAB+, dann UKW: vilradio wird die Verbreitung im Digitalradio-Multiplex auf Kanal 10C im Großraum Nürnberg nach Angaben Lenardts in der Nacht vom 15. auf 16. März 2015 um Mitternacht beenden. Auf den Fürther UKW-Frequenzen 91,0 MHz (0,5 kW ERP) und 96,4 MHz (1 kW ERP) wird vilradio vorerst weiterhin zu hören sein – so lange, bis die Nachfolger startbereit sind.
Der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) hatte die beiden Frequenzen in seiner Sitzung am 12. März 2015 neu vergeben: egoFM erhält 91,0 MHz, Star FM erhält 96,4 MHz. Lenardt schätzt, dass es noch maximal einen Monat dauern wird, bis die neuen Anbieter die Frequenzen übernehmen. Der genaue Termin stehe noch nicht fest.
„20 Jahre sind eine runde Zahl“
Wie kam es zum Rückzug? „Ich mache seit 30 Jahren Radio, davon seit 20 Jahren meinen eigenen Sender vilradio“, blickt Lenardt zurück. „Es stellte sich die Frage, ob man das bis zum Umfallen machen will.“ Am 17. Oktober 1995 war vilradio als erster originärer Digitalradio-Anbieter gestartet, also mit neuem Programm statt nur dem Simulcast eines UKW-Programms. Dann kamen Kabelfrequenzen, dann UKW dazu. „20 Jahre sind eine runde Zahl, damit belassen wir es“, sagte Lenardt. „Ich will mal wieder etwas ganz Neues machen und mich mit meinem Knowhow vielen neuen Dingen widmen, die es sonst noch gibt.“
Lenardt, einziger Gesellschafter des Senders, widerspricht Gerüchten, wonach die Einstellung von vilradio aus Kostengründen erfolgt: „Andernfalls hätte ich den Sender nicht 20 Jahre lang laufen lassen können.“ Auf die Frage, ob er damit Geld verdient oder verloren habe, meinte er: „Das Radiogeschäft war ein gutes Geschäft.“ Der Sender habe nicht in den roten Zahlen gesteckt. „Sonst hätte ich viel früher Schluss machen müssen.“
Der Grund für den Rückzug sei eher prinzipieller Natur, erklärte Lenardt. „Man sagt sich: Wie lange willst Du noch Radio weiter machen? Wenn Du 20, 30 Jahre lang Radio machst, dann hast Du die ganzen Höhen und Tiefen alle schon hinter Dir.“ Es sei eine grundsätzliche Entscheidung gewesen: „Will man noch fünf Jahre dranhängen? Man wird ja auch älter dabei. Wenn man lieber etwas Neues, etwas Anderes machen will – warum dann noch warten?“ Der Ausstieg betreffe alle Verbreitungswege, betonte Lenardt: DAB+, UKW und Internet. Die UKW-Frequenzen abzugeben und nur via DAB+ oder als Webradio weiterzumachen, sei keine Option gewesen, da er sich komplett neuen Tätigkeiten zuwenden wolle.
„Void Inspiration Life“
In den Mittelpunkt seiner neuen Aktivitäten will Lenardt Mentoring und Coaching, also praktische Lebensberatung, stellen: für Einzelpersonen und auch Unternehmen. „Weil das die Menschen heutzutage am meisten brauchen“, meint er. Er wolle damit Menschen aus Problemsituationen heraushelfen, die das alleine nicht schaffen und bereit sind, auf Know-How zurückzugreifen. „Zu zweit geht es so viel schneller und außerdem machte ich das eh schon die letzten 30 Jahre“, so Lenardt. Geplant seien etwa Seminare und persönliche Beratungen, auch das Internet soll als Plattform dienen. Hier schließt sich der Kreis zu vilradio, das als audiovisuelle Marke und Webseite weiter bestehen bleibt.
Ein lineares Radioprogramm soll es nicht mehr geben, dafür aber Audio und Video on demand, Podcasts und andere Abrufdienste. Den Namen vilradio behält Lenardt für sein Coaching-Angebot bei, allerdings unter neuem Vorzeichen: „vil“ steht künftig für „Void Inspiration Life“ (übersetzt: „Leere Inspiration Leben“). Und auch „radio“ passt aus Lenardts Sicht nach wie vor: „Jeder Mensch ist im Grunde selbst ein Radio, das sendet und empfängt.“