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Volksmusik aus München, Schlager aus Nürnberg: Der BR startet neue Digitalradio-Programme

brheimat-bayernplus-kombiDigitale Heimat für Volksmusik- und Schlagerfreunde: Am heutigen Montag startet der Bayerische Rundfunk sein jüngstes Digitalradio, die Volksmusikwelle BR Heimat (RADIOSZENE berichtete). Zugleich wird Bayern plus, wo Volksmusik und Schlager bislang vereint waren, zum reinen Schlagerprogramm. Als erstes Vollprogramm des BR sendet Bayern plus nicht mehr aus dem Funkhaus in München, sondern komplett aus dem Studio Franken in Nürnberg.

Bei einer Pressekonferenz am Freitag in München konnte RADIOSZENE mit den Redaktionsleitern beider Programme sprechen. Zudem gibt BR-Intendant Ulrich Ausblick auf weitere Digitalradiopläne und verrät, wie Radio, Fernsehen und Online schon bald enger zusammen arbeiten sollen.

Den Hörern ein getreuer Knecht

Stefan Frühbeis, Redaktionsleiter BR Heimat
Stefan Frühbeis, Redaktionsleiter BR Heimat

Der Termin des Sendestarts von BR Heimat ist nicht zufällig gewählt: Der 2. Februar ist der Mariä-Lichtmess-Tag, ein christlicher Feiertag, an dem einst Knechte und Mägde den Arbeitsplatz gewechselt haben und in bäuerlichen Betrieben neu eingestellt wurden. In dieser Tradition will Stefan Frühbeis, Redaktionsleiter von BR Heimat, das neue Programm beginnen und den Hörern ein „getreuer Knecht“ sein.

Heimat als „Gfui“

Für Stefan Frühbeis ist Heimat „nichts, was man nur regional verorten kann, Heimat ist auch ein Gefühl“, sagt er im Interview mit RADIOSZENE. „Man schämt sich heutzutage nicht mehr, das Wort Heimat in den Mund zu nehmen“, beobachtet er und sieht Kaffeebecher mit Hirschgeweih und traditionelle modische Accesoires als Indiz dafür, dass Heimat auch und gerade bei jungen Leuten eine wichtige Rolle spielt.

„Ganz, ganz viele junge Leute“ würden selbst aktiv Blas- und Volksmusik machen, daher sei es „ein Trugschluss, anzunehmen, dass BR Heimat vorzugsweise für ältere Leute bestimmt ist“.

Bei BR Heimat stehen Volks- und Blasmusik sowie bayerische Themen in allen Facetten im Mittelpunkt. Der Tag beginnt morgens um 5.00 Uhr mit dem dreistündigen „Heimatspiegel“. Am Vormittag erzählen Menschen aus Bayern aus ihrem Leben, dabei soll die zweistündige Sendung kein Talk sein, sondern ein „Ratsch“. Im Mittagsmagazin berichten die BR-Korrespondenten aus allen Ecken des Freistaats, am Nachmittag wird bei „Obacht!Tradimix“ Tradition neu gemixt.

Umschalten erwünscht

Abgesehen davon, dass Volksmusik im Programm von Bayern plus wegfällt, bleibt in den anderen BR-Programmen alles beim Alten: Es gebe keine Pläne, Volksmusik und Brauchtumssendungen aus anderen Programm abzuziehen, vielmehr sollen die Sendungen in den UKW-Programmen als Werbefläche für BR Heimat dienen, um Hörer auf das neue Programm aufmerksam zu machen. Die Gefahr, dass andere Programme dadurch Hörer verlieren, nimmt Stefan Frühbeis in Kauf: „Da bricht dem Bayerischen Rundfunk keine Perle aus der Krone, wenn ein Hörer von einem bestehenden UKW-Programm zu einem neuen Digitalprogramm wandert.“

Heimat trifft Technik: BR-Heimat-Redaktionsleiter Stefan Frühbeis freut sich über das neue Volksmusik-Vollprogramm.
Heimat trifft Technik: BR-Heimat-Redaktionsleiter Stefan Frühbeis freut sich über das neue Volksmusik-Vollprogramm.

Reaktionen selbst aus Usedom

Bereits am 28. Januar hat der Bayerische Rundfunk alle Radioprogramme auf DAB+ umgestellt. In diesem Zuge fiel das Programm Bayern2 plus weg, das bis auf wenige Ausnahmen wie der Übertragung des ARD-Radiofestivals mit dem UKW-Programm von Bayern2 identisch war. Seit der Umstellung ist bereits ein Test-Programm von BR Heimat auf Sendung. Redaktionsleiter Stefan Frühbeis berichtet von ersten Reaktionen sogar aus Köln und Usedom, wo BR Heimat über Satellit und übers Internet empfangen werden kann. Die bisherigen Volksmusik-Sendungen im BR erhalten Zuschriften von Menschen aus aller Welt, die „Bayern schwersten Herzens verlassen mussten“, so Frühbeis, der sich freut, diesen Menschen „ein Stück Heimat in ihre neue Heimat mitliefern“ zu können.

Audio-Interview mit Stefan Frühbeis über BR Heimat (5:54)


Mittelfranken statt München

Veränderungen gibt es auch bei Bayern plus: Das erfolgreichste Digitalprogramm des Bayerischen Rundfunks verabschiedet sich nicht nur von der Volksmusik im Programm, sondern auch vom Senderstandort München. Als erstes Vollprogramm des BR sendet Bayern plus nun komplett aus dem Studio Franken in Nürnberg. BR-Intendant Ulrich Wilhelm spricht von einer „Zäsur in der Unternehmensgeschichte des Bayerischen Rundfunks“.

Ulrich Wilhelm zu den Veränderungen bei Bayern plus (0:47)

Norbert Küber, Redaktionsleiter Bayern plus
Norbert Küber, Redaktionsleiter Bayern plus

Hörbar Fränkisch

Die Redaktionsleitung von Bayern plus hat mit dem Wechsel nach Nürnberg Norbert Küber übernommen, der zugleich stellvertretender Leiter des Studios Franken ist. Er will im Programm von Bayern plus „fränkische Impulse setzen“, gibt im Interview mit RADIOSZENE jedoch Entwarnung: „Es gibt keine Dienstanweisung Fränkisch zu reden.“ Bayern plus werde ein Programm für ganz Bayern bleiben.

Gesundheitsthemen für die BestAger

Die geographische Nähe zum „Medical Valley“ will Küber für thematische Schwerpunkte nutzen, die für die angepeilte Zielgruppe der „BestAger“ ab 58 Jahren relevant sind. In der Region rund um Nürnberg und Erlangen sitzen zahlreiche, namhafte und renommierte Medizintechnikunternehmen, folgen sollen die Themen Medizin, Gesundheit und Wellness im Programm von Bayern plus eine größere Bedeutung bekommen.

Deutscher Schlager und Oldies

Bislang lief bei Bayern plus eine Mischung aus Schlagern und Volksmusik. Mit dem Start von BR Heimat konzentriert sich Bayern plus ganz auf deutsche Schlager und Oldies. Für Norbert Küber eine „saubere Trennung“, damit niemand mehr schauen muss, „zu welcher Uhrzeit läuft wann was“. Zwar ist neben deutschen Schlagern „vom französischen Chanson bis zum englischen Rock’n’Roll-Titel alles dabei“, dennoch liegt der Schwerpunkt auch bei den Oldies auf deutschsprachigen Titeln.

Keine Angst vor neuer Technik

bayern-plus-dab-displaySorgen, dass die BestAger das Programm nicht finden könnten, hat Norbert Küber nicht. Schon jetzt ist Bayern plus das erfolgreichste Digitalradio-Programm des Bayerischen Rundfunks. Ohnehin glaubt Küber, dass „auch ältere Menschen durchaus technikaffin“ sind. Gerade dieser Hörerkreis sei daran interessiert, „das zu hören, was er gerne möchte“ und auch bereit, sich dafür auf eine neue Technologie einzulassen, gibt sich optimistisch.

Audio-Interview mit Norbert Küber über Veränderungen bei Bayern plus (3:51)


ARD-Pläne für ein Kinder- und Familienradio

Ulrich Wilhelm, Intendant Bayerischer Rundfunk
BR-Intendant Ulrich Wilhelm ist bekennender Digitalradio-Fan.

Voll des Lobes fürs Digitalradio ist auch Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks. Der BR ist innerhalb der ARD und Bayern innerhalb Deutschlands Vorreiter in Sachen Digitalradio.

Zusätzlich zu seinen fünf UKW-Programmen darf der BR fünf Digitalprogramme veranstalten. Neben Puls, BR Heimat und Bayern plus sowie dem Ereigniskanal B5 plus, der neben Debatten aus dem Bundestag oder dem Bayerischen Landtag auch Sportereignisse in voller Länge überträgt, wäre somit noch ein Programm frei.

Ulrich Wilhelm deutet an, dass es dafür bereits Ideen gibt: Derzeit sei in der Überlegung, „im Laufe dieses Jahres gemeinsam mit Partnern in der ARD ein Angebot für junge Familien und Kinder“ zu machen.

Ulrich Wilhelm über weitere Digitalradio-Pläne (0:19)

Fortgeschrittener sind dagegen Gespräche mit dem ORF und der italienischen RAI, die Programme des Bayerischen Rundfunks via Digitalradio auch in Teilen Österreichs und in Südtirol auszustrahlen, damit die Hörer bei der Urlaubsfahrt über den Brenner nicht auf ihre gewohnten Programme verzichten müssen.

Ulrich Wilhelm über Gespräche mit dem ORF und der RAI (0:27)

Eine weitere Baustelle – im wahrsten Sinne des Wortes – hat der BR im Münchner Norden. In Freimann, wo bislang nur das Fernsehen sitzt, sollen in Zukunft auch die aktuellen Hörfunkredaktionen arbeiten. Derzeit läuft ein Architekturwettbewerb, im April rechnet Wilhelm mit den Entwürfen. Selbst, wenn sich der BR für einen der Entwürfe entscheidet, wird die Realisierung einige Jahre in Anspruch nehmen, bedauert Wilhelm. Als öffentlich-rechtliche Anstalt unterliegt der BR den Restriktionen des öffentlichen Bauens, kann also „nicht wie ein privates Unternehmen schnell bauen“. Dennoch soll die Sport-Redaktion bereits in wenigen Monaten vom Funkhaus nahe des Münchner Hauptbahnhofs nach Freimann ziehen. Weitere Pilotredaktionen sollen folgen, die dann als „integrierte Redaktionen alle Ausspielwege bedienen.“

Ulrich Wilhelm über trimediale Redaktionen in Freimann (1:09)

(© für alle Fotos: Björn Czieslik)

Weiterführende Links:

Alles Bayern: Im Februar startet BR-Heimat.
(Radioszene.de vom 13.01.2015).

Bayern plus – Schlager aus dem Studio Franken
(Live-Reportage in der BR-Frankenschau vom 30.01.2015)

Start für „BR Heimat“, Neustart für „Bayern plus“
(Beitrag und Live-Reportage in der BR-Abendschau vom 30.01.2015)

BR Heimat – Ein Blick hinter die Kulissen.
(Medienmagazin „Einblick“ im Bayerischen Fernsehen vom 01.02.2015)

Neu im Digitalradio DAB+: BR Heimat.
(B5aktuell-Medienmagazin vom 01.02.2015)

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