Die Gattung Radio wirkt (immer noch), agiert nah am Menschen und ist damit schon per se ein soziales Medium. Doch um sexy zu bleiben, muss Hörfunk „smart, social und mobile“ werden. Darüber waren sich die Programmverantwortlichen beim Radio-Gipfel während der MEDIENTAGE MÜNCHEN einig.
Social-Media-Aktivitäten via Facebook oder Twitter sind mittlerweile Alltag für die Radiomacher in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Social Media ist für uns nicht nur Ideenquelle, sondern der Rauch, um das Feuer zu finden“, bekannte die Radio-ffn-Programmchefin Ina Tenz. Denn dadurch entstehe mehr Authentizität und außerdem die Möglichkeit, Kritik aufzunehmen und ständig an sich selbst zu arbeiten. „Die Hörer nehmen uns in Facebook in die Pflicht“, bestätigte Martin Kunze, Programmchef von Antenne Bayern. Und der Schweizer Radiomacher Marc Jäggi ergänzte, dass es das Ziel von Radio 24 sei, aus Followern Hörer zu machen, indem ein Blick hinter die Kulissen ermöglicht werde. Zwiespältig sieht Georg Spatt, Programmchef von Ö3 aus Wien, den Social-Media-Einsatz, der einerseits „ein großes Geschenk“ sei, andererseits aber „die größte Konkurrenz im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit“.
Eine immer wichtigere Rolle, insbesondere für die Generation Mobile, spielen nach Ansicht der Experten Messenger-Dienste wie WhatsApp. Radio ffn sammelt damit erste Erfahrungen, und das Jugendprogramm Radio Fritz plant laut Programmchefin Karen Schmied eine neue App mit einem Rückkanal, der wie ein Messenger-Dienst funktioniere. Gerade weil die Hörer heute kein Gerät mehr, sondern eine „Radiomarke“ einschalteten (Martin Kunze), sind die Visualisierung von Radioinhalten und die Anpassung an die mobile Nutzung durch Smartphones und Tablets sehr wichtig. Der Bildschirm der mobilen Geräte wird programmbegleitend (Ö3) oder sogar für eine Art visueller Morningshow genutzt, wie sie Radio 24 in Kooperation mit einem TV-Sender macht. „Video muss auch als Audio funktionieren“, sagte Jäggi und bekannte sich zur Visualisierung als Pflicht im neuen Radiozeitalter.
Nicht jeder Sender könne sich allerdings Trimedialität leisten – weder personell, noch finanziell, warnten Tenz und Schmied. Deshalb bleibe die Visualisierung häufig eine Wunschvorstellung. Um die Radiomarken „in der Mobilität zu platzieren“, erläuterte Martin Kunze, seien aber auch Social Media-affine Talente als Moderatoren gefragt. Und die scheinen gar nicht so einfach zu finden sein: Denn früher sei Radio für den Nachwuchs sexy gewesen, „heute wollen sie alle ein Start up gründen“, bekannte Ina Tenz. Deshalb müsse man dafür sorgen, dass die jungen Talente auch das Radio finden. Um aus der Not der konkreten Zielgruppenansprache eine Tugend zu machen, hat Antenne Bayern eine „talent pipeline“ ins Leben gerufen, aus der „Social-Media-Moderatoren“ hervorgehen sollen.
Trotz aller Herausforderungen schätzten fast alle Programmmacher beim Gipfeltreffen der Radio-Branche die Rolle des Wortes hoch ein. Ina Tenz nannte den Wortanteil „unser Unterscheidungsmerkmal“, und Marc Jäggi bezeichnete die Regionalität als Mittel zur „Hörerbindung“. Nur Ö3- Programmchef Georg Spatt mahnte, realistisch zu bleiben, denn die jungen Hörer „finden uns über die Musik“. Das sei das Fundament. Das Rückgrat dagegen seien die News. Deshalb, so erklärte Spatt, sei der Aufbau von Newsrooms auch ein geeignetes Mittel, um im neuen Radiozeitalter zu bestehen.
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