UKW-Radio verliert an Bedeutung. Vor allem bei den Jungen. 70,7 Prozent der 20-29jährigen Deutschen haben im vergangenen Jahr ihre Lieblingssender noch überwiegend via Radiowecker, Küchen- oder Autoradio, also mit klassischen UKW-Radios, empfangen. Dieses Jahr waren es nur noch 62,3 Prozent, ein Minus von 8,4 Prozentpunkten. Das geht aus den eben veröffentlichen Zahlen des Digitalisierungsberichts 2014 der deutschen Medienanstalten hervor.
Wenig überraschend ist im Gegenzug das Internet als meistgenutzte Radioempfangsgart gestiegen. Bei den 20-29jährigen innerhalb eines Jahres von 11,6 auf 14 Prozent. Auch die Nutzungsdauer steigt, sie liegt laut aktuellen agma-Daten bei über einer Stunde und 17 Minuten pro Webradio-Session.
Nach wie vor ein Schattendasein führt DAB. Als meistgenutzte Empfangsart hat sich DAB in dieser Altersdekade zwar verfünffacht, allerdings auf sehr bescheidenem Niveau, nämlich von 0,2 auf 1,1 Prozent.
Bei den jüngeren Zielgruppen verliert UKW nun immer rascher an Bedeutung, bei den über 50jährigen gibt es kaum Veränderungen, hier sind die Zahlen stabil. Das analoge UKW-Radio wird also noch viele Jahre weiterbestehen (außer die Politik hat etwas dagegen), deren Nutzer aber zunehmend älter und weniger. Die Zukunft von DAB bleibt weiter ungewiss, denn trotz großer Anstrengungen scheint der Durchbruch nicht zu kommen. Bei der „meistgenutzten Radioempfangsart“ sind die DAB-Zahlen zwar relativ am stärksten von allen Nutzungsarten gestiegen, aber eben auf sehr niedrigem Niveau. Für gerade einmal 1,1 Prozent der Deutschen ist DAB die wichtigste Empfangsart. Von einem Siegeszug kann man nicht sprechen, vor allem, wenn man DAB-Geräte mit der Markteinführung und dem schnellen Aufstieg anderer neuer Technologien vergleicht, etwa dem Smartphone. Es ist deshalb nicht schwer zu erraten, wer beim Duell Streaming gegen DAB als Sieger hervorgehen wird.
Der gesamte Radiomarkt wird sich massiv verändern. Abgesehen von einigen Oldie- und Schlagersendern, die ihre Hörer auch noch in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten primär über UKW erreichen werden, müssen sich die jüngeren Sender dieser Entwicklung bereits jetzt stellen und zwar in allen Bereichen, von der Programmierung bis hin zur Vermarktung. Es scheint, dass da noch viel zu wenig passiert.
Die Zeitungsbranche hat diese Entwicklung seinerzeit weitgehend verschlafen, mit fatalen (bis hin zu letalen) Folgen, wie wir nun sehen. Aber die Veränderungen bei den Verbreitungswegen und der Radionutzung müssen keine Gefahr für die Radiosender sein. Sie öffnen auch viele neue Möglichkeiten. Weg vom einheitlichen linearen Massenprogramm, hin zu individualisierten Inhalten und Programmen.
Radiospots können künftig, so wie die Banner auf den Internetseiten, genau auf die Interessen des Hörers zugeschnitten werden. Der Radiohörer bekommt nur noch die Werbung, die ihn wirklich interessiert. Das freut sowohl die Werbewirtschaft, als auch die Hörer. Die Streuverluste werden minimiert, der Hörer wird nicht mehr mit Spots für Produkte, die er nicht braucht oder will, belästigt.
Auch die Musik zwischen den Wortbeiträgen oder umgekehrt die Inhalte zwischen der Musik können so den Vorlieben und Interessen des Hörers entsprechend selektiert werden.
Es gibt viele neue Möglichkeiten. Die Vordenker in der Branche arbeiten bereits daran. Voraussetzung für den Erfolg sind aber starke Radiomarken, die auch in dieser neuen Situation bestehen können und für die Hörer auch unter den geänderten Bedingungen attraktiv sind. Auch für die Medienanstalten und die Politik wird sich einiges ändern. Denn höhere Internetnutzung bedeutet auch mehr privat und weniger Staat. Mit dem Wandel wird der Gesetzgeber als regulierende Kraft an Bedeutung verlieren. Mit der Vergabe und Zulassung von UKW-Frequenzen konnten die Länder den Rundfunkmarkt noch weitgehend nach ihren Vorstellungen gestalten. Im Internet ist das (außer in totalitären Systemen wie in Nordkorea) nicht mehr möglich. Hier können, im Gegensatz zum analogen und digitalen terrestrischen Radio, unendlich viele Programme gesendet werden. Eine Regulierung wie bei UKW oder DAB ist damit hinfällig. Und das ist in jedem Fall ein erfreulicher Fortschritt. Der Hör„funk“ wird sich in den nächsten Jahren jedenfalls massiv verändern (müssen).
Über den Autor:
Werner Reichel (47) studierte Publizistik und Ethnologie an der Universität Wien, ist seit 1995 im Rundfunk tätig, hat mehrerer private Radiostationen in führenden Positionen mit aufgebaut.
Er ist Inhaber einer Audio-Content Agentur und Lektor an der Fachhochschule für Journalismus und Medienmanagement in Wien.
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