Die Buzz-Wörter Crossmedia und Konvergenz sind seit Jahren auf fast allen Medienkongressen zu hören. Aber wo werden sie tatsächlich schon gelebt? Im Radio, zum Beispiel bei MDR SPUTNIK in der Morgenshow. Noch bevor Jörg Pilawa mit seinem Quizduell-Fehlstart im TV bekannt wurde, senden die „SPUTNIKER am Morgen“ ein Radio-Quizduell. Außerdem wird dort schon seit zwei Jahren der Kurznachrichtendienst „WhatsApp“ als fester Bestandteil in der Hörerkommunikation genutzt. RADIOSZENE fragte den Morgen-Moderator Raimund Fichtenberger, was denn daran so „crossmedial“ ist?
RADIOSZENE: Quizduelle im Radio gibt es ja schon seit eh und je, aber wie sieht das Quizduell im Jahr 2014 bei SPUTNIK aus?
Fichtenberger: „Wir benutzen dafür tatsächlich die ganz normale Quizduell-App. Der Hörer nennt uns seinen Usernamen, spielt eine Runde vor, danach versuchen meine Co-Moderatorin Wiebke und ich diese ebenfalls zu beantworten. Wir haben das einmal aus Spaß ausprobiert und es klappte so gut, dass wir nun regelmäßig spielen. Als Jörg Pilawa das im Ersten ausprobierte, hatten wir das schon seit fast einem Jahr im Programm.
Hörbeispiel vom MDR Sputnik Quizduell
RADIOSZENE: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, WhatsApp zu benutzen?
Fichtenberger: Die Idee kam, als wir feststellten, dass eigentlich keiner mehr SMS schreibt. Da war uns klar, dass wir da auch ran müssen. Die Show gibt es seit 4 Jahren und ist, so weit ich weiß, die erste in Deutschland, die über eine eigene WhatsApp-Nummer zu erreichen war. Wir sind immer dafür Dinge auch einfach mal auszuprobieren und ausgiebig zu testen. Das Echo ist ungelogen überwältigend. Wir haben die direkten Hörerreaktionen während der Sendung bestimmt mal locker gesprochen ver50facht.
RADIOSZENE: Ihr seid also da wo die Hörer sind. Deswegen hat Facebook bei WhatsApp wohl auch zugegriffen. Aber wie genau läuft das mit WhatsApp, wie bekommt Ihr die Messages im Studio angezeigt?
Fichtenberger: Am Anfang haben wir nur ein ganz normales Smartphone benutzt. Wir haben aber schnell gemerkt, dass das nicht praktikabel ist, weil uns bei den vielen Nachrichten fast die Finger abgebrochen sind. Inzwischen arbeiten wir zusätzlich mit einem externem, portablen Bildschirm und einer Bluetooth-Tastatur, das klappt sehr gut.
Weitere Beispiele, wie WhatsApp im SPUTNIK-Programm eingebunden wird:
RADIOSZENE: Es wirkt ein wenig kompliziert, wenn die Hörer morgens die nicht ganz leicht zu merkende Nummer aus dem Radio mitschreiben, ins Telefonbuch reinkopieren, dann bei WhatsApp hinzufügen muss? Wo ist der Vorteil gegenüber Facebook oder Twitter?
Fichtenberger: Es ist viel direkter…teilweise bekommen wir Reaktionen und Kommentare auf unsere Themen noch während der Take läuft, oft schon nach 10 Sekunden.
WhatsApp hat eh jeder ständig offen, da ist die Hürde zu schreiben ganz offensichtlich viel viel geringer. Auf der anderen Seite ist das Beantworten der Nachrichten bei WhatsApp sehr viel wichtiger. Unser Anspruch ist es, jedem der schreibt wenigstens ein kurzes „Hallo“ zurückzuschreiben. Es wird eine zeitnahe Antwortet erwartet, teilweise „beschweren“ sich besonders jüngere Hörer, wenn wir nicht nach spätestens 5 Minuten geantwortet haben. Intensive Betreuung ist superwichtig bei diesem Tool. Wer also denkt „cool, da leg ich mir ein Handy ins Studio und habe immer tolle Hörernachrichten ohne Aufwand.“…das wird nicht funktionieren. Es ist eben eine persönliche Kommunikation, so wie wenn man eine SMS bekommt.
RADIOSZENE: Unter dieser URL habe ich gesehen, dass dieser Kontaktweg wohl wirklich nur für die Morningshow ist. Warum nutzt Ihr das nur am Morgen oder plant ihr, bald noch mehr mit WhatsApp zu machen?
Fichtenberger: Naja, Die Morningshow steht im Vordergrund – aber natürlich sind auch die anderen Moderatoren per WhatsApp erreichbar.
RADIOSZENE: WhatsApp hat ja nun nicht das beste Image, was den Datenschutz angeht. Wie geht Ihr mit den Userdaten um?
Fichtenberger: Das ist für uns tatsächlich eine wichtige Überlegung. Wir müssen erstmal davon ausgehen, dass jeder der WhatsApp benutzt, sich darüber im Klaren ist, was er tut. Entscheidend ist, was WIR mit den Daten der Hörer, wie Telefonnummer, machen. Und da haben wir von Anfang an gesagt: Absolut nichts. Das geht sogar so weit, dass wir die Hörer, die uns per WhatsApp schreiben, auch niemals einfach anrufen, ohne vorher zu fragen. Unsere Hörer vertrauen uns, dass wir keinen Mist damit machen und sie nicht nerven und genau so halten wir das auch.
RADIOSZENE: Wie ist denn so das Verhältnis des Hörer-Feedbacks, wie viele kommunizieren mit MDR SPUTNIK via E-Mail, Telefon, SPUTNIK-App, Facebook, Twitter, WhatsApp, Sonstige?
Fichtenberger: WhatsApp hat das Potential SMS und E-Mails mehr oder weniger abzulösen. Diese Entwicklung muss man als Sender im Blick haben! WhatsApp ist schon ein sehr wichtiger Kommunikationsweg von unseren Hörern zu uns und zurück geworden. Über die sozialen Netzwerke wird natürlich auch viel kommuniziert, aber dort sehen wir nicht mehr so ein starkes Wachstum. Das Telefon ist für uns als Radio vor allem für Hotline-Anfragen und die On-Air-Aufschaltung ganz wichtig. Es wird aber wesentlich seltener genutzt, obwohl wir eine kostenfreie Telefonnummer haben. Die Leute sind einfach an die kurze schriftliche Kommunikation vom Smartphone oder Tablet gewöhnt und machen das natürlich auch mit uns so.
RADIOSZENE: Spürt Ihr irgendwelche Trends, merkt Ihr vielleicht eine Verlagerung von Facebook zu Instagram und WhatsApp?
Fichtenberger: Instagram wird ein interessanter Dienst auch in Deutschland werden, glaube ich. Wenn man mal bei den Kollegen in den USA reinhört, da hat der Dienst schon einen viel höheren Stellenwert als zum Beispiel Facebook. Die Schwierigkeit dabei ist nur, dass Instagram eher ein Bilderdienst ist.
RADIOSZENE: Wo ist MDR SPUTNIK sonst noch crossmedial im Programm?
Fichtenberger: Der Sender hat schon sehr früh damit angefangen. Als ich vor sieben Jahren hierher kam, wurde gerade ein crossmediales Studio gebaut – da haben andere Sender noch Faxe verschickt. MDR SPUTNIK war auch der erste Radiosender in Deutschland mit einer eigenen Handy-App. Auf jeden Fall der erste Sender, der Sendungen per Videostream aufs Handy geschickt hat. Das war bei einem Radiokonzert von Tocotronic im Januar 2010. Der MDR hat hier auch schon ausprobiert wie man eine Sendung machen kann, die zeitgleich im Radio und Fernsehen ausgestrahlt wird, ohne auf dem jeweiligen anderem Medium langweilig zu sein.
RADIOSZENE: Einen schönen crossmedialen Tag noch und danke für das Gespräch.
Raimund Fichtenberger moderiert seit 4 Jahren die Frühsendung bei MDR SPUTNIK. In dieser Zeit hat der Sender seine Hörerzahlen in etwa verdoppelt. Die Sendung wird in Halle (Saale) für das Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks produziert. Einigen ist Raimund vielleicht auch bekannt von seinen Computerspieltipps, die seit 8 Jahren bei RadioNRW und Deutschlandradio Kultur zu hören sind. Er ist außerdem Produzent der beiden Preisverleihungen „Deutscher Entwicklerpreises“ und des „European Games Award“, welche von Aruba-Events aus Köln veranstaltet werden.