Von Helmut G. Bauer
Es ist kaum wegzudiskutieren, der BR hat mit seinem Vorhaben, das Jugendmusikradio PULS aus dem Digitalradio in das analoge UKW-Netz auf die bisherige Frequenz von BR Klassik transferieren zu wollen, der digitalen Radioentwicklung einen echten Bärendienst erwiesen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wann der BR seine Pläne umsetzen will. Auch der jetzt favorisierte Termin 2018 macht das Vorhaben nicht besser, sondern verstärkt meinen Eindruck, dass die kulturorientierten Kräfte überhaupt nicht verstanden haben, welchen Gewinn DAB+ gerade für Klassik gehabt hätte. Mit Sicherheit wären die Nutzer von BR Klassik von den neuen klanglichen und jetzt sogar raumklanglichen Möglichkeiten des Systems richtig begeistert. Das zeigen andere Länder. Doch das will man den Hörern jetzt vorenthalten. Vielmehr traut der BR seinen Klassikfans nicht zu, sich mündig zu einem besseren Übertragungssystem zu bekennen, weil man im BR-Rundfunkrat rückwärts gesinnt befürchtet, dass mit einem Umstieg auf DAB+ Hörer verloren gehen. Und das ausgerechnet beim BR, der innerhalb der ARD-Anstalten immer der Vorreiter bei Digitalradio ist. Aus meiner Sicht wäre der richtige Weg gewesen, das Programm BR Klassik schnell über DAB+ zu verbreiten und gleichzeitig darauf zu verzichten, PULS über UKW zu verbreiten und die UKW-Frequenzen einfach freizulassen. Das hätte allerdings vorausgesetzt – und hier weicht mein Denkansatz von der bestehende Rechtslage ab – dass entsprechende gesetzliche Regelungen existieren, Frequenzen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr nutzt, weil er auf DAB+ geht, nicht an andere Veranstalter vergeben werden dürften.
Umso mehr sind jetzt die öffentlich-rechtlichen, aber auch die privaten Radioveranstalter in meinen Augen gefordert, sich grundsätzlich zu überlegen, wie die Zukunft des Radios in Deutschland aussehen soll. Wie bei dem Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 braucht es einen zwischen den Beteiligten im Bund und den Ländern abgestimmten Plan. Unumgänglich ist in diesem Zusammenhang auch eine Anpassung des Rundfunkstaatsvertrages, um unter anderem im Hinblick auf die Digitalisierung des Hörfunks zu überprüfen, welche Aufgaben der öffentlich-rechtliche Rundfunk inhaltlich vor allem aber auch verbreitungsmäßig erfüllen soll oder wie eine Radioplattform arbeiten kann. Ein Grundsatz sollte dabei immer sein: Wir brauchen im Radio auch in Zukunft ein eigenes und vom Internet unabhängiges Verbreitungssystem. Dafür kommt aber auf Dauer das analoge UKW-Radio nicht mehr in Frage, vor allem weil es keine ausreichenden Möglichkeiten mehr für mehr Vielfalt bietet. Die Planungen des BR stürzen nicht nur die Verfechter von DAB+ in Erklärungsnot, sondern verwirren vor allem auch die Endgeräte-Industrie, die zunehmend auf DAB+ umstellt. Ein Ja zu BR Klassik im Digitalradio und ein Nein für PULS im UKW hätte ein großer Schritt für die künftige Entwicklung von Digitalradio sein können. Jetzt aber bleibt der Eindruck einer vertanen Chance für die künftige digitale Radiolandschaft in Deutschland.
Am 03.07.2014 zuerst erschienen im Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk
Helmut G. Bauer, Rechtsanwalt in Köln, Studium der Rechtswissenschaften, Publizistik, Politik und Ethnologie in Heidelberg und Mainz. Er gehört zu den Pionieren des Privatfunks in Deutschland. In seiner Arbeit konzentriert er sich auf Fragen der Rundfunkinfrastruktur und neuer Medientechnologien, insbesondere für den Hörfunk. Bis Ende 2011 war er Geschäftsführer der Digitalradio Deutschland GmbH.
E-Mail: hgb@hgb.fm
Unter Mitarbeit von Anna Bienefeld M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kanzlei Helmut G. Bauer
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