Christiane Korch über die neue Webradio-Quote

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Die Radioquote feiert Premiere: Zum ersten Mal hat die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (agma) die Radio-Livestreams über das Internet analysiert. Für die „ma 2014 IP Audio I“ wurden 25 Webradio-Publisher mit 153 Channels und 50 Angeboten mit Audiowerbeformen unter die Lupe genommen. Sebastian Pertsch hat sich mit Christiane Korch, der Ressortleiterin Radio der agma, über den neuen Messstandard unterhalten.

Pertsch: Frau Korch, schon vor der Veröffentlichung hatten Sie angekündigt, dass mehr als 150 Channels an der Webradio-Messung teilnehmen werden, einzeln ausgewertet sind es keine 40 Sender. Zwar bilden Sie vielleicht die meistgehörten Livestreams ab, in Deutschland gibt es hingegen rund 350 Hörfunksender plus mehr als 1.200 von der GEMA lizenzierte Webradios. Die „ma 2014 IP Audio I“ deckt demnach nur ein Bruchteil der Hörfunksender ab.

Christiane Korch (Bild: agma)
Christiane Korch (Bild: agma)

Korch: So ist das bei Pionierprojekten: Man steigt zunächst in einen Testbetrieb, dann in den Regelbetrieb mit ersten Interessenten ein. Aber es spricht sich in der Branche bereits herum. Mit Veröffentlichung der ma IP Audio I steht nun erstmals ein methodisch valider Messstandard für Webradios zur Verfügung – und damit einheitlich gemessene, untereinander vergleichbare Leistungswerte zur Planung und Buchung von Webradioangeboten. Die nächsten Interessenten für das Messquartal von April bis Juni haben sich bereits angemeldet.

Pertsch: Wie erheben Sie die Daten im Konkreten? Verlassen Sie sich auf die Livestream-Daten, die die Radiostationen zur Verfügung stellen, oder analysieren Sie, ggf. in Kooperation mit Diensten wie Radio.de, eigenständig?

Korch: Wir lassen die Logfiles von den Teilnehmern der Webradiomessung in einem standardisierten Format regelmäßig an einen zentralen, unabhängigen Dienstleister der MMC schicken. Die Logfiles werden dort geprüft und nach vorab mit unserem Methodengremium, der technischen Kommission, vereinbarten Konventionen weiterverarbeitet. Dabei zählt die agma keine reinen Stream-Starts, sondern bildet auf Basis identischer Clientinformationen sogenannte Sessions und damit zusammenhängende Nutzungsvorgänge ab. Wichtig war uns dabei mit der Logfile-Messung die komplette Webradionutzung darzustellen, d.h., alle denkbaren Nutzungswege abzudecken, egal ob stationäres oder mobiles Internet, WLAN-Radio, externe Player oder Apps. Das konnten andere Messverfahren so nicht leisten.

Pertsch: Welche technischen, aber auch inhaltlichen Hürden gab oder gibt es möglicherweise noch immer bei der Messung?

Korch: Wir haben zwei Jahre geforscht, haben uns mit Teilnehmern und Dienstleistern an der Messung sowie Vertretern des Bundesverbandes der Digitalen Wirtschaft ausgetaucht: Welche Messtechnik ist die geeignete und welche Konventionen sind für die Datenaufbereitung festzulegen? Es wurde zum Beispiel diskutiert, die sogenannten „Streamripper“, die nur sehr kurz ein Webradio aufrufen, auszuschließen. Der Prozess ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Wir beschäftigen uns zum Beispiel im Moment damit, wie wir user generated radio in die Messung mit einbeziehen können oder über welche Endgeräte die Sessions abgerufen werden.

Pertsch: Welche Maßnahmen werden gegen Missbrauch betrieben?

Wir validieren und evaluieren die gelieferten Mess-Daten permanent im Prozess und melden Unregelmäßigkeiten gegebenenfalls zurück.

Pertsch: Weshalb bringt die agma erst jetzt die Webradioquote heraus? Die Webradios mit aufzunehmen wird schließlich schon seit vielen Jahren von der Radioszene gefordert.

Korch: Es war jede Menge Forschungsarbeit notwendig, um eine valide Messung zu etablieren. Das kostet Zeit, wie ich gerade schon sagte. Studien gibt es zwar jede Menge, aber keinen einheitlichen Messstandard, der es ermöglicht, die Angebote untereinander einheitlich zu vergleichen. Und genau das braucht der Markt: eine einheitliche vom Werbemarkt akzeptierte Währung. Dafür ist die agma als bewährte Währungsinstitution genau die richtige.

Pertsch: Sie haben eine Konvergenzdatei angekündigt, die sowohl die etablierte, zwei Mal jährliche publizierte Radioquote mit der neuen Webradio-Quote verknüpfen soll. Wann können die Radiokollegen mit den ersten Zahlen rechnen und wie werden die beiden Werte (mathematisch) verrechnet?

Korch: Die Vorbereitungen dazu sind in den agma-Gremien im Gange. Denn erst, wenn die technisch gemessenen Daten mit Personendaten verknüpft werden, wird es für den Werbemarkt zur Zielgruppenplanung interessant – das ist uns völlig klar. Für eine verlässliche Zeitschätzung, wann das Modell steht, ist es noch zu früh. Wir arbeiten aber mit Hochdruck dran.

Pertsch: Wäre dieser Zusammenschluss aus Ihrer Sicht eine neue ernst zu nehmende Währung, die aussagekräftiger ist als die bisherige ma radio?

Korch: Sie wird aus meiner Sicht die ma Radio ergänzen oder sogar komplettieren. Um die Vielfalt der Webradio-Landschaft darstellen zu können, braucht es eben diesen neuen Weg, den wir mit der Logfile-Messung beschritten haben.

Pertsch: Vielen Dank, Frau Korch für das Interview!

 

Das Interview führte Sebastian Pertsch. Ein kleiner Rückblick zur fragwürdigen Radio-Währung, die brandneuen Webradio-Charts und weitere Analysen zur „ma 2014 IP Audio I“ finden Sie auf seiner Website.

Sebastian Pertsch (Bild: privat)Sebastian Pertsch ist Radiojournalist aus Berlin und arbeitet vor allem als Nachrichtenredakteur und -sprecher im Hörfunk. Nebenbei ist er Dozent für Journalismus und Social Media, spricht und produziert die wöchentliche Nachrichtensendung von Eine-Zeitung.net, analysiert mit TRAXY.de die deutschsprachigen Medien in den Sozialen Netzwerken und berichtet hin und wieder auch für die RADIOSZENE (z.B. vom Deutschen Radiopreis). Beruflich führte es Pertsch nach Afghanistan und Frankreich sowie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.