Relaunch bei DRadio Wissen: „Wir wollen keine Mainstreamberieselung“

dradio-wissen-mueller-schmid-bigDas jüngste Programm des Deutschlandradios erfindet sich neu: Seit Wochenbeginn sendet DRadio Wissen ein Best-Of aus den vergangenen vier Jahren und baut im Hintergrund sein Programm um. RADIOSZENE sprach mit Programmleiter Dr. Ralf Müller-Schmid über den Relaunch, der für den 19. Februar angesetzt ist.

RADIOSZENE: Herr Müller-Schmid, wie startet das neue Programm?

Am 19. Februar um 6:30 Uhr, also ganz pünktlich zu unserer Frühshow. In dieser Sendung wollen wir dann unseren Hörern künftig bis 10.00 Uhr einen schönen Morgen bereiten und sie live informieren. „Wissen ob die Welt noch steht“ ist dann unser Thema – und dabei geht es dann um Politik, Gesellschaft und Musik, also alles was junge Leute interessiert.

Höreindruck zu „Schaum oder Haase“:

RADIOSZENE: Das Programm ging 2010 an den Start, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen als Deutschlandradio Kultur und der Deutschlandfunk. Jetzt wird kräftig umgebaut – wurde das Ziel, jüngere Hörer zu erreichen, also nicht zufriedenstellend erreicht?

Ja, das stimmt. Aber jetzt sind wir so ehrgeizig, dass wir ein anspruchsvolles, wortgetriebenes Jugendprogramm mit guter Musik machen wollen. Wir würden nicht sagen, dass wir bisher „zu alt“ waren, denn DRadio Wissen soll, was Recherche und Verlässlichkeit angeht, genauso aufgestellt sein, wie die beiden anderen Programme des Deutschlandradios. Aber von Sound, Musik und Gesamtangebot sollen sich die jüngeren bei uns eher einklinken können.

RADIOSZENE: Gab es Vorbilder für das neue DRadio Wissen?

Speziell ein Vorbild hatten wir nicht, wir haben viele gute Sachen gesehen. Wir haben uns im Redaktionsteam vieles angehört, sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern und uns Websites angesehen. Zum Beispiel haben wir auch einen Blick nach England gewagt, denn was Jugendkultur angeht, ist man dort etwas weiter.

Dann haben wir geguckt, was wir von diesen Vorbildern gebrauchen können und was in die Deutschlandradio-Familie passt. DRadio Wissen ist und bleibt natürlich aber ein Wissensprogramm, ein interessengeleitetes, wortorientiertes, journalistisches Angebot. Das passt unheimlich gut mit der jungen Zielgruppe zusammen. Auch die will ihre Informationen in der Früh, aber eben bevor es in die Hochschulen oder in die Ausbildung geht. Abends taucht dann in unserem Programm die Redaktionskonferenz wieder auf. Da setzen wir dann Themenschwerpunkte und nehmen diese Sendung aus der ersten Phase von DRadio Wissen mit. Da ändert sich unsere journalistische Grundhaltung auch überhaupt nicht.

RADIOSZENE: Welche Sendungen werden noch aus dem alten Programmschema übernommen?

Auf jeden Fall dabei ist der „Hörsaal“. Das ist eine Sendung, die es von Gehalt und Anspruch her in einem Jugendprogramm sonst nirgends gibt. Wir haben darin zum Teil recht komplizierte Themen behandelt. Da müssen wir vielleicht die Schwelle etwas niedriger machen. Das heißt, bevor wir über Teilchenphysik oder Molekularbiologie sprechen, gibt es einen Vorsetzer, in dem erklärt wird, worum es geht, wer der Forscher ist, der gleich spricht und warum das etwas mit dem Leben der Zuhörer zu tun haben kann. Auch in dieser Sendung werden wir versuchen, mit unserer Community den Kontakt zu halten und zu schauen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder ob es noch Verbesserungsvorschläge gibt.

RADIOSZENE: Wie wird das neue Programmschema strukturiert? Das alte Programmschema erinnerte mit den wiederkehrenden Rubriken ein wenig an ein Inforadio…

Das war tatsächlich die Struktur. Wir hatten Viertelstunden, die immer durch den Tag rotierten und immer wiederkehrende Themenschwerpunkte erzeugten. Wir wissen aus Befragungen nun aber, dass gerade dieses Viertelstundenraster zu kleinteilig ist und bei den Hörern nicht gut ankommt. Jetzt setzen wir uns ganz klare Schwerpunkte.

Highlights aus dem neuen Programmschema

Werktags:
06.30-10.00: „Schaum oder Haase“ (Frühsendung)
10.00-18.00: „Grünstreifen“ (Begleiter durch den Tag, mit Rubriken wie z.B. „Zeitmaschine“)
18.00-18.15: „Update“ (Nachrichtenkonzentrat mit Wissensnachrichten, gesellschaftlicher und musikalischer Aktualität)
18.15-20.00: „Redaktionskonferenz“, Freitags darin: „Einhundert“ (Storytelling-Programm mit featureähnlichen Beiträgen)

Wochentags sind von 20.00-21.00 Uhr Special Interest-Programme mit Musik und folgenden Inhalten zu hören:
Montags: Musik, Dienstag: Film (jedoch ohne Beschränkung nur aufs Kino, auch Videoclips, TV-Serien sollen eine Rolle spielen), Mittwochs: Netz, Donnerstags: Was mit Medien (mit Daniel Fiene und Herrn Pähler), Freitags: Liebe, im Anschluss Freitags „Green Goes Black“.

Am Wochenende sind u.a. Sendungen wie der „Hörsaal“ um 18.00 Uhr, aber auch der „Grünstreifen“ und „Endlich Samstag“ bzw. „Dein Sonntag“ geplant.

Wir hatten bisher kein richtiges Wochenendprogramm. Das ist künftig anders, etwa auch mit dem „Grünstreifen“ auch am Wochenende. Dann gibt es aber auch von 10 bis 14 Uhr Sendungen, die endlich mal diesen feinen Unterschied zwischen Samstag und Sonntag unterstreichen. Der Samstag fühlt sich ja auch ganz anders an, als der Sonntag, oder nicht? Wir finden, dass der Samstag der viel schönere Tag ist, deshalb heißt die Sendung auch „Endlich Samstag“. Für Sonntag bereiten wir in „Dein Sonntag“ etwas vor, dass sich an die „Earobics“ anlehnt, also die Radiorätsel, die wir schon gemacht haben. Neben schwierigen Kopfnüssen werden wir in der Sendung viel Spielen, viel Experimentieren. Da wird auch schon mal die ein oder andere Cappucinotasse am Frühstückstisch überschäumen. So vermitteln wir den Spaß am Wissen.

Höreindruck zum „Grünstreifen“:

RADIOSZENE: Apropos Community: Werden die sozialen Netzwerke in das Programm eingebunden, so wie es inzwischen allgemeiner Trend zu sein scheint? Bei so manchen Sendern klingt es dann fast so, als würde regelmäßig um die Facebook-Kommentare und Likes gebettelt werden…

Wir betteln nicht. Wir haben so gute Kontakte mit unserer Community. Der Dialog ergibt sich einfach und ich glaube daran, dass sich der fortsetzen wird. Da mussten wir gar keinen Appell starten und „Redet mit uns!“ sagen. Unser Appell waren und sind unsere Themen, die man sonst nicht überall bekommt. Da kamen in der Vergangenheit schon genügend Rückmeldungen, die auch weiterhin willkommen sind.

Wir werden aber auch ein Experiment in der Frühsendung „Schaum oder Haase“ wagen, das es so im gegenwärtigen Radio noch nicht gibt. In einem Liveblog wird die laufende Sendung im Netz kommentiert. Wir werden  Auszüge online stellen und Querverlinkungen machen. Im Grunde also das, was man eigentlich aus der aktuellen Berichterstattung oder der Sportberichterstattung kennt. Das holen wir jetzt in die Frühsendung. Da wollen wir noch aktueller sein und auch den Leuten, die mobil sind und vielleicht gar nicht zuhören können, einen Eindruck aus der Sendung bieten.

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„Schaum oder Haase“ moderieren künftig die Frühsendung. Grafik: DRadio Wissen / Chrissie Salz, Quelle: facebook.com/dwissen

RADIOSZENE: Sie erwähnten schon mehrfach die Musik im Programm von DRadio Wissen. Wie wird sich die künftig anhören?

Wir haben viele Erfahrungen mit Musik gemacht. Wir wissen mittlerweile, dass der elektronische Sound stark polarisiert hat, auf den wir uns am Anfang noch mit guten Gründen festgelegt haben.  Von dem verabschieden wir uns aber nun. Die Musikvielfalt werden wir jetzt öffnen. Wir orientieren das Programm am Heute, spielen also Titeln der letzten zehn Jahren, aber auch ganz stark Songs aus der Gegenwart. Wir werden versuchen uns auch in diesem Bereich klug aufzustellen, wir wollen keine Mainstreamberieselung. Schließlich finden wir, dass gutes Wort und gute Musik zusammengehört.

Ein musikalisches Highlight wird Freitags von 21 Uhr bis Mitternacht „Green Goes Black“ sein, eine Black Music und Hip-Hop-Sendung, in der aktuelle Tracks aus der schwarzen Musik präsentiert werden. Da freue ich persönlich mich sehr drauf, denn da erweitern wir uns wirklich.

Wir werden uns aber entwickeln, was die Musik angeht. Es war ja immer klar, dass DRadio Wissen nicht in einer Formatierung aufgehen kann. DRadio Wissen ist eine Idee, ein Versprechen auch an die  Zukunft. Am 19.2. ist nichts abgeschlossen, da ist für uns Aufbruch.

DRadio Wissen Studio
Das Team von DRadio Wissen zum Sendestart 2010. Foto: Deutschlandradio

RADIOSZENE: DRadio Wissen will auch die studentische Zielgruppe erreichen, das wurde in der Vergangenheit mit Zusammenarbeiten mit verschiedenen Hochschulradios unterstrichen. Wird es das auch in Zukunft geben?

Wir hatten viele Uniradios zu Gast bei uns – und das hat uns auch viel Spaß gemacht. Wir sind ja hier auch auf keinem hohen Ross und für junge Talente immer offen. Die Botschaft ist weiterhin, dass die jüngeren, die Bock auf Radio haben, bei uns eine offene Tür vorfinden. Für die machen wir schließlich auch das Programm, auch ab Mitte Februar wenn sich das Programm häutet und wir in eine neue Entwicklungsstufe gehen, hoffentlich in eine bessere. Die uns bekannter macht und unsere Reichweite verbessert.

RADIOSZENE: Apropos Reichweite: DRadio Wissen ist u.a. über DAB+ und im Webradio zu hören. Welche Verbreitungswege sind für Sie die wichtigsten?

Wir hatten in den vergangenen Jahren immer ein ganz gutes Mittel von rund einer Million Zugriffe auf den Livestream pro Monat. Ein stetiges Wachstum hatten wir zudem in Social Media und das wird auch noch so weitergehen. Mittlerweise verstehen wir auch besser, wie wir da mit unserem Publikum kommunizieren können.

Digitalradio ist für uns sehr, sehr wichtig. Nicht nur als Programmfamilie Deutschlandradio, die bundesweit sendet. Wenn man im Auto unterwegs ist, will man schließlich einmal die Frequenz einstellen und klaren Empfang haben. Als einziges Mitglied dieser Familie werden wir ja ausschließlich digital verbreitet. Und das macht uns auch ehrgeizig: Neben einer neuen Website zünden wir auch im Digitalradio eine neue Stufe und wollen dort einen Mehrwert schaffen. Zum Beispiel möchten wir sinnvolle Informationen als Bilder auf die Radios  übertragen. Das soll DRadio Wissen attraktiv machen – und da arbeiten wir fieberhaft dran.

RADIOSZENE: Auch an der neuen Website wird offenbar fieberhaft gearbeitet.

Ja, das ist jetzt ein ganz neues Haus, in das wir da ziehen. Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht, wie ein Radioprogramm heute aussehen kann. Wir glauben dass die Leute nicht wollen, dass sie sich die Inhalte suchen müssen, sondern dass wir die interessanten Themen auffindbar machen müssen, auch auf mobilen Endgeräten. Da haben wir viel Sorgfalt verwendet, dass DRadio Wissen auch auf allen Mobilgeräten gut genutzt werden kann.

Sowohl was das Programm als auch unsere Angebote im Web angeht, laden wir alle ein, sich am 19.2. ein eigenes Bild zu machen und mit uns in das neue Programm zu gehen. Denn das lohnt sich.

RADIOSZENE: Herr Müller-Schmid, vielen Dank für das Gespräch.

 

Weiterführende Informationen
Tweets zum Hashtag #dradiowissenneu
Facebookseite von DRadio Wissen

Teaserfoto: © Deutschlandradio – Bettina Fürst-Fastré