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Heiligabend per Radioäther: „Gruß an Bord“ schippert wieder auf Kurzwellen

NDR auf KurzwelleAuch an Heiligabend 2013 nimmt der NDR seinen eigentlichen Versorgungsauftrag wieder nicht ganz so genau – zugunsten einer kleinen Perle der deutschen Hörfunklandschaft. Norddeutsche auf allen Weltmeeren bekommen per Radio eine Verbindung zur Heimat.

Ein bisschen wie aus der Zeit gerissen wirkt diese Sendung schon, die der Norddeutsche Rundfunk seit genau 60 Jahren veranstaltet. Nach und nach kommen Kinder, Frauen, Männer verschiedensten Alters vor das Mikrofon, grüßen mit teils zittrigen Stimmen ihre Verwandten, die irgendwo auf der Welt sind, im Suezkanal, kurz vor Java, am Kap der Guten Hoffnung, nur nicht daheim. Eine Shantygruppe singt, eine plattdeutscher Chor, ein Jazzmusiker – vielleicht wirkt diese Sendung so wie aus einer vergangenen Hörfunkzeit, weil sie so ruhig und gelassen daherkommt und geschickt nie die Grenze zur kitschigen Rührseligkeit übertritt.

„Gruß an Bord“ ist ein ganz besonderes Grußkonzert: Wer Verwandte hat, die auf hoher See schippern, und die nicht zum Weihnachtsfest zuhause sein können, der kann sie via NDR grüßen lassen – und das schon seit 1953.

Gruß an Bord Interview
Frohe Weihnachten per Radio: Grußübermittlung an den Vater auf hoher See. Foto: © NDR / Marcus Krüger

Damals lief die Sendung über die legendäre Küstenfunkstation „Norddeich Radio“ auch auf Kurzwelle, Ende der 90er Jahre stellte diese jedoch ihren Betrieb ein. 2012 sorgte der Norddeutsche Rundfunk dann für eine kleine Weihnachtsüberraschung und zeigte, dass, ebenso wie die Sendung selbst, auch der Sendeweg keinesfalls von gestern ist: Man mietete sich für einen Tag in die Kurzwellensendestationen der Media Broadcast ein, um die Grüße von Angehörigen von norddeutschen Seefahrern weltweit übertragen zu können. Kurzwellensignale werden an einer Schicht der Atmosphäre und dem Erdboden reflektiert und können so tausende von Kilometern zurücklegen.

In den vergangenen Jahren waren diese Sendungen sonst nur auf den UKW-Frequenzen von NDR Info und NDR 90,3 zu empfangen, außerdem via Satellit, Digitalradio DAB+, den regionalen Mittelwellen und im Internet.

Weihnachtsgrüße in der Arktis

Theoretisch erreicht man mit dem Livestream die ganze Welt, praktisch aber bricht die Verbindung auf so manchem Containerschiff, Forschungsdampfer oder Kreuzfahrtriesen ab, sofern keine stabile Satellitenverbindung mehr gegeben ist. So berichtete ein niedersächsischer Arktisforscher von seinem fahrenden Schiff, die Internetverbindung genüge zwar zur Übermittlung von Texten und Bildern, Livestreams würden es ans andere Ende der Welt bis zu ihm jedoch nicht mehr schaffen. Dank eines simplen Kurzwellenradios konnte er der Übertragung jedoch trotzdem beiwohnen.

Gruß an Bord Moderatoren
In dieser Konstellation 2013 wohl zum letzten Mal: Annemarie Stoltenberg und Herbert Fricke moderieren „Gruß an Bord“. Foto: © NDR / Marcus Krüger

Abschied von Moderator Herbert Fricke

Als RADIOSZENE im vergangenen Jahr auf den einstigen Spitznamen von „Gruß an Bord“ Bezug nahm und berichtete, die „Tränenolympiade“ sei zurück auf Kurzwelle, kommentierte die verantwortliche Redaktion noch mit einem Schmunzeln, dieser Begriff sei inzwischen überholt, Tränen würden während der Aufzeichnung der Sendung in der gemütlichen Kaffee-und-Kuchen-Atmosphäre in Hamburg nur noch selten kullern. In diesem Jahr könnte dies jedoch anders gewesen sein: Herbert Fricke, seit 35 Jahren Moderator der Sendung, geht gewissermaßen von Bord: Der Reporter und Buchautor mit Hang zu maritimen Themen wird in diesem Jahr zum letzten Mal durch das Programm führen. Beim traditionellen „Rolling Home“ zum Ende der Übertragung wird er also besonders gefühlvoll mitgesungen haben.

Herbert Fricke in einer Doku des NDR zur Geschichte des deutschen Küstenfunks. Audio unten: Herbert Fricke: „Wir wünschen ein glückliches und gesundes Rolling Home!“ – Ende der „Gruß an Bord“-Sendung von 2012, empfangen auf Kurzwelle.

Dass die Sendung tatsächlich gehört wird, beweisen einerseits die Vertreter von namhaften Reedereien und Unternehmen, die ihre Grüße durch das NDR-Mikrofon durchgeben lassen und die Hörerpost: „Wir haben massenweise Mails und Briefe aus der ganzen Welt bekommen“, freut sich Redakteur Wolfgang Heinemann, „sogar aus Japan, von der US-Westküste, aus Australien und viele aus Russland“. Auch einige Reedereien und Segler hätten positives Feedback an den NDR geschickt.

Weltweite Übertragung auf Kurzwelle

Der Empfang wird in Deutschland auf den Frequenzen von NDR Info Spezial (Mittelwellen 972 kHz, 702 kHz, 828 kHz, 792 kHz, DAB+) möglich sein, der erste Teil der Sendung wird außerdem auf UKW übertragen.

Issoudun Sendeantennen
Sendeantennen für Kurzwelle in Issoudun. Foto: RADIOSZENE

Die Kurzwellensendungen sind für Übersee bestimmt und werden in Deutschland vermutlich nur schlecht zu hören sein, da die Sendeantennen direkt in Richtung der entsprechenden Zielgebiete eingestellt sind. Ausgeschlossen ist ein Empfang jedoch nicht. Genutzt werden in diesem Jahr die Sendeanlagen in Nauen bei Berlin, in Moosbrunn nahe Wien und in Issoudun, Zentralfrankreich. Damit die Zielgebiete auch über mehrere Stunden hinweg erreicht werden können, kommen jeweils zwei Frequenzen zum Einsatz:

ZielgebietGruß an Bord, Teil 1: 20.00-22.00 Uhr MEZChristmette aus Köln und Gruß an Bord, Teil 2: 22.00-24.00 Uhr MEZ
Nordatlantik6125 kHz6040 kHz
Südatlantik11955 kHz9435 kHz
Atlantik, Indischer Ozean, Südafrika9925 kHz9925 kHz
Indischer Ozean (West)9460 kHz9880 kHz
Indischer Ozean (Ost)9885 kHz9625 kHz

Auch wer keine Angehörigen hat, die das Weihnachtsfest auf hoher See verbringen, wird Gefallen an der urigen Übertragung vom ebenso urigen Museumsschiff „Rickmer Rickmers“ im Hamburger Hafen haben. Abgerundet wird das Programm mit vielen Studiogästen wie z.B. Abenteurer Arved Fuchs oder Musiker Stefan Gwildes. Der zweite Teil des Programms wurde im ostfriesischen Leer aufgezeichnet.

Gruß an Bord Rolling Home
Uschi Wittich, Joscheba, Stefan Gwildis und Herbert Fricke singen das traditionelle „Rolling Home“. Foto: © NDR / Marcus Krüger

Egal ob aus Hamburg oder Leer, ob auf Kurzwelle via „Norddeich Radio“ oder auf Mittelwelle: Seit 60 Jahren bringt die NDR-Sendung den Geruch von Weihnachtsgans und Weihnachtsbaum in die Kajüten auf allen Weltmeeren. „Gruß an Bord“ ist ein kleiner Schatz im Äther, der ein Stück Heimat per Radiowellen liefert. Und das noch hoffentlich recht lange. Oder um es mit den Worten eines Nutzers in den Kommentaren der NDR-Homepage zu sagen: „Gruß an Bord darf niemals untergehen!“

Frohe Weihnachten, egal wo auf der Welt, egal auf welcher Welle.

 

Weitere Informationen zum Thema
Mitschnitte aus der Geschichte und Bildergalerie von der Aufzeichnung
2012: Hamburger Tränenolympiade zurück auf Kurzwelle

Video: Herbert Fricke in einem Bericht des Hamburg Journals

Titelfoto oben: Die Sendemasten von Norddeich Radio. Quelle: http://www.pust-norden.de/gal_ndd_dt.htm

 

XPLR: MEDIA Radio-Report