„DAB+ ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte“ – Albert Malli findet deutliche Worte. Der stellvertretende Senderchef der ORF-Welle Ö3 ist im Wiener Funkhaus auch für die Entwicklungen im Bereich „Neue Medien“ seiner Station zuständig. Digitalradio sieht er höchstens als Teil eines hybriden Modells.
Im März 2014 soll der erste DAB+-Testbetrieb in Wien starten (RADIOSZENE berichtete). „Warum muss man DAB+ testen? Dass es technisch funktioniert, wissen wir ja. Wenn man wissen will, ob das neue Angebot angenommen wird, reicht ein Blick nach Deutschland“, meint Malli und fasst damit die Haltung des ORF zum Digitalradio gleich zusammen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Alpenrepublik habe gegenüber DAB+ eine „abwartende Haltung“ eingenommen, mit dem Handy-TV DVB-H habe man bereits gesehen, wie eine Technik scheitern könne. Man habe zunächst alle Anstrengungen unternommen, auch die ORF-Hörfunkwellen ins Programmportfolio aufzunehmen, doch wenig später sei die Ära DVB-H wieder zu Ende gegangen. Viele Teilnehmer hätten viel Geld verloren – der ORF letztlich nicht.
Und so habe man sich „nach reiflicher Überlegung“ auch dazu entschieden, nicht am Digitalradio-Testbetrieb in Wien teilzunehmen, obwohl sich der Verein Digitalradio Österreich im Sommer diesbezüglich noch hoffnungsvoll zeigte. Doch die aus Sicht des ORF schleppende Entwicklung von DAB+ in Deutschland lässt zweifeln: „Wir befürchten, dass der Test den Initiatoren wenig Freude bereiten wird.“ Sinn ergeben würde eine Beteiligung nur mit neuen Programmangeboten des ORF. Auch der Digitalradio-Verein wünscht sich ein attraktives Programmangebot, gab gegenüber RADIOSZENE auch an, dieses bereits gefunden zu haben, die „Liste der Interessenten“ für den DAB-Testbetrieb sei gut gefüllt.
Albert Malli bezieht sich bei der Sicht auf Digitalradio in Deutschland auf eine Studie des WDR vom Mai 2013, die RADIOSZENE vorliegt. „Im Januar und Februar 2013 hatten erst 44% der Befragten schon einmal etwas von ‚Digitalradio‘ gehört, 7,4% besaßen laut eigener Angaben ein Digitalradio und nur 2,1% planten die Anschaffung.“ Besonders letztgenannter Wert gebe keine Hoffnung, dass sich DAB+ durchsetzen könne.
„Wir beobachten den deutschen Markt intensiv, denn nur wenn DAB+ sich in Deutschland durchsetzt, gibt es eine realistische Chance, dass das auch in Österreich gelingt.“ Die Versorgung von ORF-Programmen sei in entlegenen Gegenden auf UKW einwandfrei. Auch bei einem Digitalradio-Start müsse gleich das ganze, gewünschte Versorgungsbericht sofort erreicht werden, um einen Imageverlust in den ersten Ausbauphasen zu vermeiden. Dies gelte auch für die Tunnelversorgung.
Der Blick des ORF geht dabei aber nicht nur nach Deutschland: DAB+ setze sich sogar nur „zögerlich“ dort durch, „wo größte Anstrengungen unternommen wurden“, also etwa in der Schweiz, Großbritannien und Schweden. In Dänemark seien die Sender verpflichtet DAB+ zu nutzen, Spanien und Portugal hätten ihre Sender wieder abgeschaltet – tatsächlich handelte es sich dabei aber um einen reinen DAB-Betrieb, der ohne besondere Marketingaktivitäten von statten ging. Im Falle des Digitalradio-Betriebs in Portugal ist zudem die desaströse, finanzielle Lage des öffentlich-rechtlichen RTP zu bedenken.
Terrestrisches Digitalradio könne nur ein Erfolg werden, wenn sowohl private, als auch öffentlich-rechtliche Sender neue Angebote beisteuern würden. „Aber auch das ist keine Erfolgsgarantie, auch mit neuen Programmen wird sich DAB womöglich nicht oder nur sehr zögerlich durchsetzen. Ein jahrzehntelanger kostspieliger Simulcastbetrieb wäre die Folge.“
Ein pauschales Nein zu digitalem Radio und insbesondere DAB+ gibt es dennoch nicht aus dem ORF-Funkhaus. Man erfreue sich an den zahlreichen Downloads der Radioapps für Smartphones. „Radio wird immer mehr auf Endgeräten gehört, die per se kein Radio sind“, auf diesen Geräten müsse man sich immer besser präsentieren. Die Radiosender seien gefordert, Displays von Smartphones, Tablets und Smart-TVs zu nutzen und dort Zusatzinfos anzuzeigen.
„DAB+ könnte Rückenwind bekommen, wenn sich die Smartphone-Hersteller dazu entschließen könnten, einen DAB-Chip in ihre Handys einzubauen“, so Malli. Die EBU fordere, zusammen mit Mitgliedern wie dem Deutschlandradio, genau diesen Ansatz – und der ORF unterstütze dies durchaus. „Technisch wäre das schließlich problemlos möglich und würde auch so manchen Datenstau verhindern.“ Wenn kein DAB+ empfangbar sei, könne das Radio auf das Mobilfunknetz zurückgreifen, das sei ein guter Ansatz, „mit Radiogeräten im Schick der Neunzigerjahre wird sich DAB jedoch nicht durchsetzen.“