Politik streitet über Lokalfunk in Schleswig-Holstein

Lokalradio Schleswig-HolsteinPrivatradio im Bundesland zwischen den Meeren kommt heute in den meisten Fällen aus dem Funkhaus Wittland im Kieler Westen. Drei landesweite Frequenzketten strahlen die Programme R.SH, delta radio und Radio Nora aus. Hinzu kommt das Hamburger Klassik Radio auf 12 Ultrakurzwellen. Lokalradio sieht der aktuelle Medienstaatsvertrag jedoch nicht vor. Das könnte sich nun ändern.

MA HSHNeben den öffentlich-rechtlichen Programmen von NDR und Deutschlandradio, dem britischen Soldatensender BFBS und dem dänischen Rundfunk existieren drei Offene Kanäle: An der Westküste, in der Landeshauptstadt Kiel sowie in Lübeck. Derzeit sind sie die einzigen Programmveranstalter, die in gewisser Weise als Lokalradio agieren. Nördlich von Hamburg verfügen daüberhinaus Energy Hamburg und Oldie 95 über jeweils eine UKW-Frequenz, über DAB+ sind die bundesweiten Programme zu empfangen, während nach Angaben der MA HSH in naher Zukunft keine Ausschreibung für Kapazitäten in einem regionalen Digitalradio-Multiplex in Hamburg und Schleswig-Holstein geplant sei.

2009 vergab die Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein (MA HSH) eine 400 Watt starke UKW-Frequenz auf der Nordseeinsel Föhr, die keiner anderen Kette zugeordnet war. Bewerbungen hierfür erreichten die MA HSH von R.SH, dem Offenen Kanal Westküste, der letztlich die Lizenz zum Senden auf dieser Frequenz zugeteilt bekam und SyltFunk, einem Programm, hinter dem u.a. der Medienunternehmer Frank Otto steht und das 2010 kurzzeitig als Veranstaltungsfunk auf Sendung ging und derzeit im Internet als Livestream aktiv ist. Ebenfalls von der Urlaubsinsel zu hören ist Antenne Sylt, das im kommenden Sommer und Herbst auf UKW 106,40 MHz eine Fotografie-Ausstellung und den „Windsurf World Cup Sylt“ als Eventradio begleiten wird. Durchgehend sendet man auf 97,70 MHz in Rantum auf dem Gelände des „Dorfhotels Sylt“, um ca. 700 Besucher der Ferienwohnungen zu versorgen. Moderator und Programmverantwortlicher Hape Müller sieht in Projekten wie seiner „Antenne“ das beste Beispiel dafür, dass lokaler Rundfunk in Schleswig-Holstein funktioniert und angenommen wird.

Zwischenzeitlich war Antenne Sylt über den dänischen Privatsender „Radio Syddanmark“ auch terrestrisch zu empfangen, derzeit bemüht man sich erneut um Partnersendezeit. Diese Vorgehensweise erinnert an Projekte wie „Förde Fetz Radio“ (1990-1996) oder „Radio Flensburg„, die ebenfalls mit dänischen Lokalstationen kooperierten. Radio Flensburg produziert weiterhin Programme, die per Livestream verbreitet werden.

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Aus dem Süden des Landes sendet Radio RZ.1 – ebenfalls online. Im Sommer 2011 war das von ex. R.SH- und Alster-Radio-Moderator Roland Michels geleitete Programm anlässlich einer regionalen Messe auch als Veranstaltungsfunk auf UKW zu empfangen. Gemeinsam mit anderen Radiomachern und dem ehemaligen Geschäftsführer von Alster Radio, Ulrich Bunsmann, bemüht man sich nun um ständige Lokalradio-Frequenzen in Schleswig-Holstein.

Derzeit gäbe es für werbefinanzierten Lokalfunk „15 Standorte in unterschiedlicher Qualität“, wie der stellvertrende Regierungssprecher Lars Bethge der dpa in der vergangenen Woche mitteilte. Tatsächlich handelt es sich dabei noch um Planspiele, koordiniert sind bisher auch intern keine neuen UKW-Frequenzen.

 

SPD und SSW wollen Lokalradio, CDU, Grüne und FDP nicht

Zurzeit ist in Schleswig-Holstein kein lokaler, werbefinanzierter Hörfunk vorgesehen. Peter Eichstädt, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein sieht in lokalem Hörfunk „eine Möglichkeit, das Meinungs- und Informationsangebot gerade auf der lokalen Ebene vielfältiger zu gestalten“ und begrüßt die aktuellen Diskussionen und Prüfungen der Landesregierung. Es gäbe keinen erkennbaren Grund, Frequenzen für ein solches Angebot nicht zur Verfügung zu stellen, wenn diese grundsätzlich vorhanden seien. Grüne und FDP stehen diesen Gedanken jedoch kritisch gegenüber: „Werbefinanzierte Lokalradios und Fernsehsender (…) können unsere Zeitungslandschaft gefährden“, ließ Rasmus Andersen, medienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen per Pressemitteilung verkünden. Grundsätzlich sei man zwar an einer vielfältigen Medienlandschaft interessiert, gibt jedoch zu denken, dass der „Werbekuchen“ nicht größer werden wird. Wolfgang Kubicki (FDP) schließt sich an: Sollten die Pläne zur Einrichtung von lokalem Hörfunk intern bereits fortgeschritten sein, müsse die Landesregierung erklären „warum sie damit sowohl die werbefinanzierten Radiosender als auch die noch vorhandenen Lokalzeitungen massiv gefährenden will“. Die CDU schließt sich dieser Auffassung an.

Der Südschleswiger Wählerverband (SSW), Koalitionspartner von SPD und GRÜNE, steht „der Etablierung neuer Lokalradiosender in Schleswig-Holstein prinzipiell offen gegenüber“, heißt es in einer Mitteilung von Lars Harms, dem Vorsitzenden des SSW im Landtag. Jedoch wolle man in Disskussionen mit allen Beteiligten eruieren, ob die neuen Sender auf werbefinanzierter oder nichtkommerzieller Basis aufgebaut werden sollten.

Vor der Sommerpause des Landtags solle es jedoch noch keine Entscheidung geben, die die Macher von Radio RZ.1, SyltFunk, Radio Flensburg und Antenne Sylt seit Jahren sehnsüchtig erwarten, so Lars Bethge. Ob danach wieder eine radiophone Aufbruchstimmung im Land der Horizonte entsteht, wie im Sommer 1986, als R.SH in Kiel-Wittland Pionierarbeit leistete, bleibt abzuwarten. Eines scheint jedoch sicher: An enthusiastischen Radiomachern mangelt es in Schleswig-Holstein nicht.

 

Weiterführende Informationen

MA HSH: Zulassungen für Veranstaltungsradio
Herzogtum Direkt: RZ1 kämpft für dauerhafte UKW-Frequenz