Radio Herne: Bald weißer Fleck im NRW-Lokalradioverbund?

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Update: vom 02.07.2013

Radio Herne wird nun doch nicht geschlossen. Die BG und VG des Senders haben sich auf „ein tragfähiges Konzept zur Finanzierung des Senders geeinigt“. Das berichtet Hallo Herne am 30. Juni auf ihrer Homepage.

Erst war man in Düsseldorf eher vorsichtig: „Die Gerüchte habe ich auch gehört“, formulierte der Sprecher der Landesanstalt für Medien (LfM), Peter Widlok. Doch inzwischen ist es offiziell: Die Betriebsgesellschaft (BG) des Lokalsenders Radio Herne will den Vertrag mit der Veranstaltergeneinschaft Ende Juni kündigen. „Vorher aber finden noch Gespräche hier statt“, so LfM-Sprecher Widlok.

Peter Widlok (LfM)
Peter Widlok (LfM)

Die Betriebsgesellschaft, hinter der die „Westdeutsche Allgemeine“ (Funke-Mediengruppe) steht, begründet den Schritt mit fortdauernden Verlusten, die das Lokalradio seit Sendebeginn vor 20 Jahren einfahre. Eine Kündigung des Betriebsvertrages müsse zu Ende Juni erfolgen, um einen fristgerechten Auslauf des Vertrages zum Jahresende 2013 zu gewährleisten, so der Chef der Betriebsgesellschaft (BG) Weske, in einem Interview. Findet die Veranstaltergemeinschaft bis zu diesem Zeitpunkt keine neue BG, muss der Sendebetrieb eingestellt werden.

Wahrscheinlich aber sollen die Gespräche bei der LfM darauf hinauslaufen, irgendwie geartete Verschlankungen beim Programm und damit der Kosten auszuhandeln, vermutet man in der Branche. Denn weitere „Löcher“ im Netz des Senderverbundes unter dem Dach von „radio NRW“ kann man sich schon aus Gründen der landesweiten Markenartikel-Werbevermarktung nicht leisten. Schließlich propagieren sich die Oberhausener Rahmenprogrammmacher als reichweitenstärkster Radioanbieter der Republik. Die Probleme rund um die eingestellten Lokalsender „Welle West“ und „Radio Aachen“ wie auch des nie gestarteten Lokalsenders im Kreis Olpe haben aber schon Flecken auf dem Erfolgsimage des NRW-Lokalfunk-Modells hinterlassen.

Vielleicht aber hilft ja der Gesetzgeber. Eine mögliche fundamentale Reduzierung lokaler Programmanteile und damit der Kosten ermöglicht der Entwurf des neuen Landesmediengesetzes. So wäre denkbar, dass die Gespräche mit der Lizenzbehörde LfM schon einmal vorwegnehmen, was der neue Paragraph 55, Absatz 3 vorsehen kann. Danach könnte ein Lokalsender sein Eigenprogramm auf eine Stunde täglich reduzieren, wenn gleichzeitig entsprechende programmbegleitende Angebote im Internet gemacht werden. Und der Rest ist Rahmenprogramm. Das spart Kosten. Und derart abgespeckt wäre auch ein „Weisser Fleck Herne“ im NRW-Netz vermieden.

Sollte die WAZ-Gruppe aber endgültig als Betreiber ausscheiden, gebe es für die Veranstaltergemeinschaft in Herne nur die Alternative, sich eine neue Betriebsgesellschaft zu suchen. Auch wenn nach der Übernahme von „Antenne Frankfurt“ die Radiogroup angeblich erstmal konsolidieren, statt expandieren will (vgl. Interview mit Stephan Schwenk): Es pfeifen die Spatzen von den Branchen-Dächern, dass man neben dem Betrieb eines möglichen, zweiten Lokalsenders in Düsseldorf nach wie vor Ambitionen auf die Wiederbelebung der „Welle West“ im Kreis Heinsberg hat. Da würde ein drittes NRW-Standbein in Herne auch gut ins Bild passen.

Die Herne-Krise – generell aber ein Zeichen für ein Knirschen im Gebälk des NRW-Privatfunks. Bei den Betriebsgesellschaften ist offenes Geheimnis, dass das System des AC-formatierten Lokalfunks im Land zwischen Ahr und Weser zusammen mit seinen Hörern seit der Anfangszeit in Ehren alt geworden ist. Junge Angebote wie „1LIVE“ oder bigFM im Süden des Landes machen denn auch dem NRW-Senderverbund durchaus zu schaffen.

Die Formatierung des gesamten NRW-Netzes andererseits auf „jung“ zu trimmen, bedeute eine Quadratur des Kreises, sagt ein ungenannt bleiben wollender Repräsentant aus dem Kreis der BGs. Er hält das System kaum für reformfähig, schon weil die Mitglieder der Veranstaltergemeinschaften in den einzelnen Lokalradios zusammen mit ihrem Programm in Ehren ergraut seien. Diese Vertreter der gesellschaftlichen Kräfte repräsentierten insofern eben nicht mehr die junge Mediengesellschaft. Nachgerade symptomatisch sei -so der BG-Mann weiter-, dass da häufig bei VG-Sitzungen Mobiltelefone auf dem Konferenztisch lägen, bei denen zweifelhaft sei, ob man mit denen überhaupt telefonieren könne…

UPDATE vom 04. Juni 2013

Chefredakteur Wolfgang Tatzel wechselt zu Radio Vest

Der Chefredakteur von Radio Herne, Wolfgang Tatzel, wechselt zum Nachbarsender Radio Vest.

 

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Update vom 24.05.2013: Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbands:

Schlägt die WAZ-Axt jetzt auch im Lokalfunk zu?

Konzern droht mit Rückzug aus Radio Herne

Der DJV-NRW warnt die Funke-Mediengruppe (vormals WAZ) davor, sich aus der Verantwortung für Radio Herne zu ziehen. Die zur Gruppe gehörende Betriebsgesellschaft des Senders droht damit, den Vertrag mit der Veranstaltergemeinschaft zu kündigen. Anscheinend schlägt die WAZ-Axt nun auch im Lokalfunk zu.

Wird die Sparpolitik, die bereits bei den Zeitungstiteln der Funke-Gruppe üblich ist, auf die Lokalradios übertragen? Diese Sorge treibt den DJV-NRW um, nachdem die Rückzugspläne bekannt wurden. „Wieder wird mit fortlaufenden hohen Verlusten argumentiert, wieder ist für Außenstehende nicht erkennbar, wie der Konzern rechnet“, kritisiert Frank Stach, Vorsitzender des Landesverbands.

Radio Herne ist einer von zehn Lokalradiosendern aus dem Ruhrgebiet und dem Sauerland, die in der Westfunk GmbH, einer Tochtergesellschaft der Funke-Gruppe, zusammengeschlossen sind. Für den DJV-NRW bleibt rätselhaft, warum ausgerechnet dieser eine Lokalradiosender im Westfunk-Verbund derart defizitär arbeiten sollte.

Die Argumentation des Konzerns erinnert an den Fall der Westfälischen Rundschau (WR): Auch hier hatte das Medienhaus nicht nachvollziehbare Verluste geltend gemacht. Mit der kompletten Einstellung eigener WR-Lokalausgaben entstand deutschlandweit die erste Zombiezeitung – eine Zeitung ohne Redaktion.

„Das Print-Sparmodell darf nicht auf den Lokalfunk übergreifen“, fordert Frank Stach. Wenn sich die Funke-Gruppe nicht besinne, wäre es Zeit für neue Player auf dem Markt. „Und zwar für solche, die Presse- und Meinungsvielfalt ernst nehmen und Lokalfunk ernsthaft betreiben wollen.“

Quelle: Pressemietteilung des Deutscher Journalisten-Verband Landesverbands NRW e.V.

 

Update vom 24.05.2013:

FUNKE MEDIENGRUPPE zur Pressemitteilung des DJV-NRW vom 24.05.2013 zum Thema „Radio Herne“

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Mit Hinweis auf die heute vom DJV-NRW herausgegeben Pressemitteilung (siehe oben) verweist die Funke Mediengruppe bei der geplanten Kündigung des Vertrages mit der Veranstaltergemeinschaft zum Betrieb von Radio Herne darauf hin, dass der Sender seit Bestehen defizitär ist. Hintergrund der geplanten Kündigung ist unser Bestreben, Radio Herne auf ein gesundes wirtschaftliches Fundament zu stellen!

Gunther Fessen, Sprecher der FUNKE MEDIENGRUPPE, dazu: „Fakt ist, dass der Sender seit Gründung im Jahre 1990 bis zum heutigen Tag nur negative Ergebnisse erwirtschaftet hat. Gründe hierfür liegen vor allem in der geringen technischen Reichweite des Senders im regional sehr begrenzten Sendegebiet, das von seiner Wirtschaftskraft nicht in der Lage ist einen Lokalsender zu tragen. Eine wirtschaftlich tragfähige Lösung wäre sicher, die Sender Herne und Bochum zusammen zu legen. Dies entspricht zum Beispiel auch der Struktur der dortigen IHK. Hier ist auch die LfM gefordert, eine Lösung zu finden. Gutes Beispiel hierfür ist das Sendegebiet Mülheim/Oberhausen.“

Um Radio Herne eine Zukunft geben zu können, ist es notwendig, strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Pläne für einen möglichen wirtschaftlichen Betrieb wurden von der Betriebsgesellschaft Radio Herne bereits erarbeitet. Wie auch sonst den Gesellschaftern alle Fakten bekannt waren und alle Zahlen offen gelegt wurden.

Fessen: „Die FUNKE MEDIENGRUPPE wird vor dem Hintergrund anderer Stellenkürzungen in der Gruppe den defizitären Lokalfunksender nicht weiter betreiben! Dies ist nicht zu rechtfertigen“

Die geplante Kündigung zum 31.12.2013 bietet der Veranstaltergemeinschaft nun ausreichend Zeit, eine neue Betriebsgesellschaft zu finden oder im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des Landesmediengesetzes, das derzeit novelliert wird, ein tragfähiges Konzept zusammen mit der Betriebsgesellschaft zu entwickeln.

Link-Tipp
Radio Herne von Schließung bedroht