Sendernetzbetreiber ORS will nach Deutschland expandieren

Neues Telekommunikationsgesetz: Radiosender, Politik und Netzagentur auf dem Weg zu mehr Wettbewerb im Sendebetrieb weiterhin gefordert

Medientreffpunkt MitteldeutschlandUm von einem stärkeren Wettbewerb im terrestrischen Sendernetzbetrieb zu profitieren, sollten Radiosender ab sofort in Dialog mit neuen Anbietern treten. „Wer 2016 einen neuen Sendernetzbetreiber haben will, muss jetzt etwas tun“, sagte Frank Schulz von der Österreichischen Rundfunksender GmbH (ORS comm) am Dienstag beim Panel des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig.

Die Rahmenbedingungen ändern sich durch das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) zwar erst in gut zweieinhalb Jahren. Doch für Vertragsverhandlungen und vor allem die Schaffung der rechtlichen und technischen Voraussetzungen an den Sendestandorten werde noch viel Zeit benötigt. Zugleich kündigte Schulz auf dem Medientreffpunkt erstmals an, dass die ORS comm auf dem deutschen Markt expandieren will. „Wir betreiben Netze und wollen dies auch in Deutschland tun. Derzeit reden wir bereits mit Kunden über ihre Bedürfnisse“, so Schulz.

Die Österreicher wollen der Media Broadcast Konkurrenz machen, die nach Ansicht von Experten eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland besitzt. „Momentan ist der Markt durch Preissteigerungen und fehlenden Wettbewerb gekennzeichnet“, sagte Sebastian Artymiak vom VPRT. Mit der Novelle des TKG komme nun Bewegung in den Markt. „Wir kommen in die heiße Phase“, so Artymiak.

Sebastian Artymiak (Bild: Ulrich Köring/RADIOSZENE)
Sebastian Artymiak (Bild: Ulrich Köring/RADIOSZENE)

Dass die privaten Radiostationen unter dem fehlenden Wettbewerb im Markt leiden, machte Hans-Jürgen Kratz von Antenne Thüringen deutlich. „Nach dem Personal sind die Sendekosten der größte Posten in unserer Kalkulation“, sagte er. In den vergangenen 20 Jahren habe es zudem Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich gegeben. Dabei sei der terrestrische Sendebetrieb – trotz aller Digitalisierung – noch immer der wichtigste Verbreitungsweg.

Auf dem Weg zu einem Wettbewerb zwischen den Sendernetzbetreibern sind allerdings auch die Bundesländer gefordert „Einige Landesgesetze müssen umgestrickt werden“, sagte Martin Deitenbeck von der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM). Dies betreffe vor allem die Lizenzvergabe an die Sender. Diese sollen zukünftig zuerst ihre die Erlaubnis zum Senden einer bestimmten Kapazität erhalten, um sich dann einen Sendernetzanbieter zu suchen. Derzeit ist das Verfahren vielerorts umgekehrt.

Ebenfalls in der Pflicht ist die Bundesnetzagentur als zentraler Regulierer der Radioübertragungskette. „Wir haben in einem aktuellen Gutachten festgestellt, dass die Preisveranschlagungen der Standort- und Antennenbetreiber intransparent sind“, erklärte Sebastian Schweda vom Institut für Europäisches Medienrecht (EMR). Innerhalb weniger Wochen würden Sendernetzbetreiber ganz unterschiedliche Angebote erhalten. Hier müsse die Bundesnetzagentur ihre Eingriffsmöglichkeiten nutzen.

Weiterführende Links

Event-Tipp Medientreffpunkt Mitteldeutschland
Zu wenig Konkurrenz unter Sendernetzbetreibern
HL komm und derutec wollen Monopol bei UKW-Sendeleitungen brechen

Pressemeldung des VPRT vom 7. Mai 2013:

Netzbetreiber, Sender und Regulierung bereiten liberalisierten Sendernetzbetrieb vor

VPRTAuf Einladung des VPRT haben beim „Medientreffpunkt Mitteldeutschland 2013“ Vertreter von Sendernetzbetreibern, Regulierern, Radiosendern und Wissenschaft die Liberalisierung des Sendernetzbetriebes diskutiert. „Die UKW-Verbreitung als entscheidender Weg, unsere Programme zu den Hörern zu bringen, verursacht Kosten von bis zu 40 Prozent in den Etats der Radiosender“, so Hans-Jürgen Kratz, Geschäftsführer von Antenne Thüringen und Mitglied im Radiovorstand beim VPRT. „Die fehlende Auswahl bei den Dienstleistern sowie jährliche Preiserhöhungen ohne Verhandlungsmöglichkeiten beim derzeit faktischen Monopolisten halten diesen Kostenblock beständig hoch“, erklärt er weiter.

Die im Telekommunikationsgesetz (TKG) festgeschriebene Möglichkeit einer Marktliberalisierung ab 2016 macht den Sendern Hoffnung, bei der Verbreitung zukünftig die Preisspirale zu durchbrechen. Wenn Radiosender ab dem 1. Januar 2016 ihren Sendernetzbetreiber auswählen können, müssen Ländergesetze geändert und die Probleme um den Betrieb der Senderstandorte gelöst werden. „Die Mediengesetzgebung muss jetzt überall angepasst werden, um das mit der TKG-Novelle geänderte Verfahren zu regeln“, erklärt Martin Deitenbeck, Geschäftsführer der SLM und Vorsitzender der Technischen Konferenz der Landesmedienanstalten.

Aber auch potenzielle neue Marktteilnehmer sehen Hürden: „Wir betreiben in Österreich Sendernetze und wollen in den deutschen Markt eintreten“, erklärt Frank Schulz vom österreichischen Sendernetzbetreiber ORS. „Das Verfahren ist kompliziert und Handeln ist jetzt nötig, wir brauchen Investitionssicherheit, um am 1. Januar 2016 mit dem Sendernetzbetrieb zu beginnen. Die technische Ausstattung müssten wir 2015 installieren und wollen daher schon Mitte 2014 mit den Veranstaltern Verträge schließen.“ Die Relevanz der bestehenden Senderstandorte erläuterte Sebastian Schweda vom Europäischen Institut für Medienrecht: „Geeignete Standorte in exponierter Lage sind nicht leicht zu finden. Ein Neubau im Außenbereich ist rechtlich kaum mehr möglich und finanziell kaum darstellbar.“

„Im Rahmen des Wettbewerbs müssen Lösungen für den Standortzugang und die Antennenmitbenutzung gefunden werden“, so Sebastian Artymiak, Leiter Medientechnologie beim VPRT und Moderator des Panels, „dabei hoffen wir auch auf die Ergebnisse aus der aktuellen Marktanalyse der Bundesnetzagentur zum Sendernetzbetrieb.“

Der VPRT ist die Interessenvertretung der privaten Rundfunk- und Telemedienunternehmen. Mit ihren TV-, Radio-, Online- und Mobileangeboten bereichern seine rund 140 Mitglieder Deutschlands Medienlandschaft durch Vielfalt, Kreativität und Innovation. Damit das auch in der digitalen Welt so bleibt, müssen die regulatorischen, technologischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Als Wirtschaftsverband unterstützen wir unsere Unternehmen im Dialog mit Politik und Marktpartnern beim Erreichen dieses Ziels – national und auf EU-Ebene.