Wirtschaftskrise schrumpft Österreichs Radiolandschaft
Die österreichische Privatradiobranche steht vor einem weiteren Umbruch. Ähnlich wie im Jahr 2001 wird sich die heimische Radiolandschaft in den nächsten Monaten grundlegend verändern. Der Auslöser dafür ist 2010 zwar ein anderer als vor neun Jahren, die Gründe und Ursachen sind aber weitgehend die gleichen.
Ende der 90iger Jahre war durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine kleinteilige Radiolandschaft mit dutzenden Klein- und Kleinstsendern entstanden, von denen kaum einer wirtschaftlich überlebensfähig war. Die Sendegebiete waren klein, die Redaktionen groß und die Programme und Strategien unausgereift. Ein neues Gesetz veränderte diesen Zustand 2001 schlagartig. Innerhalb weniger Monate gingen in ganz Österreich Lokalsender in Radionetzwerken auf. Dieser Strukturwandel hat zwar viele Arbeitsplätze gekostet und die Zahl der Sender deutlich reduziert, der allgemeinen Programmqualität der österreichischen Privatradios hat dies aber – entgegen allen Befürchtungen – nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Die Konsolidierung im Jahr 2001 brachte auch einen deutlich hörbaren Professionalisierungsschub. Mit kleineren Budgets und geschrumpften Teams schafften es die meisten Sender ihr Programm nun besser und effizienter auf die Bedürfnisse ihrer jeweiligen Zielgruppen auszurichten. Das spiegelt auch im Radiotest wieder. Im Jahr 2000, als noch viele Betreiber am Markt waren, lag das Verhältnis der Marktanteile zwischen ORF und Privaten bei 75:22 (2 HJ; 14-49; Mo-So), im vergangenen Jahr sah die Lage der Privatradios mit einem Verhältnis von 71:27 (1 HJ) bereits um einiges freundlicher aus.
War damals der Gesetzgeber Auslöser für den Strukturwandel, so ist es 2010 die angespannte Wirtschaftslage. Bereits seit Mitte des Vorjahres mehren sich die Zeichen, dass – trotz des gebetsmühlenartigen Gesundbetens – die Krise erst jetzt voll auf die Medien- und Radiobranche durchschlägt. Es ist nicht mehr zu übersehen: Etablierte Radiobetreiber stoppen ihre Expansionsstrategie, andere suchen Käufer für ihre defizitären Sender, finden aber keine, für Ausschreibungen neuer Sendegebiete finden sich immer weniger Interessenten, in den Sendern wird der Sparstift angesetzt.
Die angespannte wirtschaftliche Lage ist aber nicht die Ursache für den neuerlichen Umbruch, sondern lediglich der Auslöser. Denn die Krise wird vor allem jene treffen, die bereits zu Zeiten eines gesunden Wirtschaftswachstums Verluste geschrieben haben oder mit Ach und Krach über die Runden gekommen sind. Für schlecht positionierte Sender, die ihr Programm nur mit großem finanziellen und personellen Aufwand produzieren können, deren Strukturen nicht schlank und effizient und deren Programm und Marketing nicht ausgereift genug sind, wird es jetzt eng. Zumal viele Sender von Verlagshäusern betrieben werden, die aufgrund der Wirtschafts- und Zeitungskrise bereits in ihrem Kerngeschäft mit vielen Problemen zu kämpfen haben. Wer braucht da noch einen zusätzlichen Klotz am Bein. Für die wenigen verbliebenen Einzelkämpfer ohne große Verlagshäuser im Rücken sieht die Situation aber auch nicht besser aus.
Einige Sender werden die beiden kommenden Jahre nicht überstehen. Die österreichische Radiolandschaft wird künftig etwas weniger bunt und vielfältig sein (zumindest was die Betreiber betrifft), dafür werden jene Sender, die die nächsten Monate überstehen, gestärkt aus der Krise hervorgehen. Das Privatradio insgesamt wird letztendlich von der Krise profitieren und dank einer professionelleren Performance den nach wie vor dominierenden ORF Sendern Marktanteile abnehmen können.
Werner Reichel