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„Die Tagesschau kann sich auch niemand mit einer neuen Melodie vorstellen“

Das neue Jingle-Paket der Deutschen Welle

deutsche welle smallDie Deutsche Welle (DW) ist seit sechs Jahrzehnten die mediale Stimme Deutschlands in der Welt. In insgesamt 30 Sprachen sendet der Auslandsrundfunk sein Programm über Fernsehen, Hörfunk und Internet. Um dieser trimedialen Strategie gerecht zu werden, hat die Deutsche Welle seit Anfang 2012 ihr Corporate Design modernisiert – im Bereich des Corporate Audios mit einem neuen Jingle-Paket, das in einem anspruchsvollen Ausschreibungsverfahren entwickelt wurde.

Im Oktober 2012 hat sie dafür im Rahmen der Medientage München 2012 den „International Eyes & Ears Award 2012“ in der Kategorie „Beste senderbezogene Musik- Komposition und/ oder -Produktion“ verliehen bekommen.

RADIOSZENE sprach mit dem Verantwortlichen der Deutschen Welle, Dr. Gero Schließ, und dem Komponisten und Produzenten des preisgekrönten Jingle-Pakets, Ulrich Weichler von Audiowerk Berlin.

Gero Schließ
Gero Schließ

Dr. Gero Schließ war bis Oktober 2012 Leiter der Abteilung Programmprojekte, Promotion, Partnerschaften der Deutschen Welle (DW) in Bonn und verantwortlich für Entwicklung und Pflege des DW-Audiodesigns.

Ulrich Weichler ist Geschäftsführer von Audiowerk Berlin und seit über 10 Jahren der Komponist und Produzent des Audiodesigns der Deutschen Welle. Er stattete bereits die Sender WDR 1Live, HR3, MDR live, Radio NRW, Berliner Rundfunk und ZDF mit Jingles und Sounddesign aus. Seine Musik- und Werbeproduktionen sind vielfach ausgezeichnet. Außerdem war er bereits Produktionschef bei radio NRW und stellvertretender Programmdirektor des Berliner Rundfunks.

RADIOSZENE: Herr Dr. Schließ, zunächst einmal Gratulation zum „International Eyes & Ears Award 2012“. In der Begründung der Jury heißt es, dass das neue Corporate Audio der Deutschen Welle, „bei aller Ernsthaftigkeit nicht die Modernität und das positive Lebensgefühl aus dem Blick verliert.“ Inwieweit haben die Preisrichter damit das Anliegen getroffen, dass sie mit ihrem neuen Audio-Design hatten?

Schließ: Die Auszeichnung bei diesem renommierten Design-Wettbewerb ist eine sehr schöne Bestätigung für uns. Wir sind der Aufgabenstellung bei der Entwicklung des neuen Audiodesigns der DW offensichtlich gerecht geworden. Im Kern geht es darum, die DW als multimedial aufgestelltes modernes Medienunternehmen mit ihren Programmangeboten in 30 Sprachen als verlässlichen Experten zu positionieren – und das in Russland und Indien genauso wie in Brasilen oder Südafrika. Die DW ist ein international präsentes Medienhaus mit dem Anspruch auf Seriosität und Verlässlichkeit bei der Berichterstattung. Dass sich diese Botschaft mit einem zeitgemäßen, innovativen Sounddesign transportieren lässt, beweist das neue Corporate Audio, das die DW zusammen mit Audiowerk Berlin entworfen und produziert hat.

Audiowerk Berlin Inhaber Ulrich Weichler
Audiowerk Berlin Inhaber Ulrich Weichler

RADIOSZENE: Herr Weichler, auch Ihnen Herzlichen Glückwunsch zum Eyes & Ears Award 2012, den die Deutsche Welle mit Ihrem Corporate Audio gewonnen hat. Was bedeutet so ein Preis für Sie als Produzenten und Komponisten?

Weichler: Es bedeutet mir sehr viel, dass die Deutsche Welle mit den Jingles von Audiowerk Berlin diesen Award gewonnen hat. So wird unsere Arbeit, die von vielen Entwicklungsstufen und Tests gekennzeichnet war, bestätigt. Es war eine sehr große Herausforderung, erstmalig ein trimediales Sounddesign zu entwickeln. Einen einheitlichen Auftritt von Radio und Fernsehen zu kreieren erforderte immer ein Denken auf zwei Ebenen.

RADIOSZENE: Bei der Entwicklung des neuen Audiodesigns hat die DW hohe Ansprüche gestellt. Das vielschichtige und 17 Seiten umfassende Creative Briefing bei der Ausschreibung für die Jingleproduktion zeigt ein detailliertes, professionell entwickeltes Markenbild mit klaren Vorgaben, wie z.B. einer festen Tonfolge. Wie wichtig ist das für die Außenwirkung des Produkts Deutsche Welle?

Schließ: Die DW ist ein multimedial aufgestellter Sender, der sich aller modernen Vertriebswege bedient. Als deutscher Auslandssender sprechen wir Zielgruppen in 30 Sprachen auf allen Erdteilen an. Seit nun bald 60 Jahren begleitet die Tonfolge aus Beethovens Fidelio „Es sucht der Bruder seine Brüder“ die Angebote der DW. Es ist die akustische Visitenkarte eines verlässlichen Partners im Wandel der Zeit. Das neue Soundesign dokumentiert eine Beständigkeit, die eben nicht geprägt ist vom Verfolgen modernistischer Trends. Es zielt auf langfristige Zielgruppenbindung. Die „Tagesschau“ der ARD kann sich wohl auch niemand wirklich mit einer anderen Melodie vorstellen.

RADIOSZENE: Ist es für einen Produzenten leichter oder schwerer kreativ zu sein, je mehr Vorgaben er vom Auftraggeber bekommt?

Weichler: Je ausführlicher das Briefing, umso besser. Nur wenn man das gesamte Programm verinnerlichen kann, kann man danach wieder loslassen und sich dann in Ruhe der Inspiration hingeben. Man muss einfach dafür sorgen, dass sich im Kopf keine Schere entwickelt. Ruhe, Konzentration und Inspiration spielen eine große Rolle. So kann man das Briefing des Kunden begreifen und komplett umsetzen. Beispielsweise haben wir die Grundelemte für den zweiten Pitch der Deutsche Welle im Sommer auf unserem Studioboot produziert. Ich finde das Wasser sehr inspirierend, deshalb liegt unser Studio direkt an der Havel.

„One brand all Media“

RADIOSZENE: Es ist ja das erste mal, dass sowohl Radio- und Fernsehprogramm sowie deren Internetauftritt ein einheitliches Audio-Design erhalten. Was war der Grund für diese Entscheidung?

Schließ: Betrachtet man die Entwicklung der DW ausgehend von den Sendungen der ersten Jahrzehnte auf Kurzwellenfrequenzen, so gab es in der jüngsten Vergangenheit geradezu Quantensprünge im medialen Angebot. Die Kurzwelle hat in vielen Regionen völlig an Bedeutung verloren, hinzugekommen sind zunächst Fernsehen, dann später das Internet mit seinen onlinebasierten Video- und Audioangeboten. Gefragt war eine gemeinsame Klammer für alle unseren multimedialen Produkte, ein einheitliches Audiodesign, das die DW identifiziert nach dem Motto: „One brand, all media“.

RADIOSZENE: Welche besonderen Herausforderungen stellt diese trimediale Strategie der DW – also Radio, Fernsehen und internet gleich klingen zu lassen – an die kreative Gestaltung des Audio-Designs?

Schließ: Bei einem Corporate Audio sind ein hoher Wiedererkennungswert und die Zweckdienlichkeit der Elemente von zentraler Bedeutung. TV, Radio und Internet funktionieren allerdings auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Bewegtes Bild, Fotos, Text und Audio müssen differenziert durch das Design unterstützt werden. Hier hat sich bewährt, dass wir in der DW die gesamte Corporate-Kompetenz gebündelt haben. Mein Kollege Jürgen Brendel hier in Bonn mit langähriger Radio- und Sounddesignerfahrung hat eng mit dem Team von Claus Grimm in Berlin zusammengearbeitet, der mit seiner Abteilung Pormotion & Design über ausgezeichnete TV-Erfahrung verfügt. Hinzu kommt die Anforderung, in den verschiedenen Zielgebieten der DW – von Afrika bis Südamerika, von Russland bis China, mit dem Sounddesign „verstanden“ zu werden. Hier den gemeinsamen Nenner zu finden ohne faule Kompromisse einzugehen war die große Herausforderung. Und ich bin sehr froh, dass uns dies offensichtlich gelungen ist.

RADIOSZENE: Im Vergleich zu anderen Jingle-Produktionen: Was waren die größten Herausforderungen für Sie – auch was die trimediale Strategie der DW angeht?

Weichler: Fernsehen und Radio parallel zu entwickeln – einerseits passend zu den Bildern im Fernsehen und andererseits passend zu den Bildern im Kopf – war eine sehr große Herausforderung. Für den Online-Auftritt der Deutschen Welle waren die Inhalte sehr vielfältig (zum Beispiel Sprachkurse, die wieder ganz besondere Anforderungen an das Sounddesign stellten). Alles musste zum großen Ganzen zusammengeführt werden.

Audiowerk200

RADIOSZENE: Wie ist die Zielgruppe der DW definiert und in wie weit spielt sie beim Audiodesign eine Herausforderung dar?

Schließ: Als internationales Medienunternehmen mit Angeboten in insgesamt 30 Sprachen ist auch die Zielgruppe gleichwohl heterogen. Die DW will dabei vor allem der verlässliche Experte aus Deutschland sein. Zur Wahrnehmung dieser definierten Kernfunktion konzentriert sich die DW weltweit auf die Menschen als Zielgruppe, die an anderen Sichtweisen und internationalen Perspektiven interessiert sind und Einfluss auf die Meinungsbildung in ihren Ländern haben, vor allem Info-Eliten, gegenwärtige und zukünftige Multiplikatoren. Bei dieser Zielgruppe geht die DW davon aus, dass sie in der Regel kein Deutsch spricht und keinen ausgeprägten Bezug zu Deutschland hat. Diese Zielgruppe nutzt vorzugsweise landessprachige Angebote oder Englisch als „lingua franca“. Die deutschsprachigen Angebote der DW richten sich an Deutschlernende und Ausländer mit deutschen Sprachkenntnissen. Sie dienen zusätzlich der Vermittlung der deutschen Sprache und der Darstellung Deutschlands für Deutschlernende bzw. an Deutschland Interessierte und Deutsch sprechende Ausländer. Es gibt also keine einfache Antwort auf die Frage, was die durchschnittlichen Hörgewohnheiten der Zielgruppe sind. Die große Aufgabe bestand darin, eine akustische Verpackung zu kreieren, die der DW angemessen ist und niemanden der Zuschauer/Hörer/User ausschließt.

„Konkurrenz belebt das Geschäft“

RADIOSZENE: Die Deutsche Welle arbeitet seit 2002 erfolgreich mit Audiowerk Berlin zusammen. Warum wurde für die neue Jingleproduktion ein erneuter Pitch ausgeschrieben – den Audiowerk Berlin gewonnen hat?

Schließ: Kurz gesagt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Oder anders: Es gilt immer wieder zu hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist. Zu schnell schleifen sich

Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten ein. Das führt zu einer Art Betriebsblindheit, die nur in einem im besten Sinne gemeinten, kreativen Wettstreit aufgebrochen werden kann.

RADIOSZENE: Wer waren die Konkurrenten, die zum Pitch geladen wurden und was waren die Auswahlkriterien?

Schließ: Nach Abschluss der Vorrecherchen wurden europaweit sieben Komponisten/ Produzenten gebeten der DW ihren Vorschlag für ein neues Audiodesign zu unterbreiten. Alle Beteiligten hatten sich in der Vergangenheit bereits mit ihren Corporate Audios für andere namhafte Sender empfohlen. Es ging zunächst darum, eine möglichst differenzierte stilistische Bandbreite an kompositorischen Layouts zu sammeln.

RADIOSZENE: Wann haben Sie erfahren, wer Ihre Konkurrenten sind?

Weichler: Ich wusste, dass die Auswahl der Produzenten international ist, ließ mich davon aber nicht weiter beeinflussen, da ich mich voll und ganz auf den Pitch konzentriert habe. Alle anderen Aufträge konnte ich nach hinten verlegen. Das ist ein klarer Vorteil von kleineren Unternehmen. Man kann komplett auf den Kunden eingehen, tief in den Sender eintauchen, ihn verstehen und dann das Sounddesign entwickeln, das genau passt und alle Anforderungen erfüllt.

RADIOSZENE: Inwiefern helfen Ihnen Ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen im Hörfunk bei der Arbeit als Jingle-Produzent?

Weichler: Sehr viel! Durch meine langjährige Erfahrung als Produktionschef und später als Programmchef begreife ich Radio auch als Programmmacher und kann damit aus meiner Sicht viel besser die Anforderungen an das Sounddesign verstehen.

RADIOSZENE: Wie haben Sie die Vorgaben der DW umgesetzt? Womit glauben Sie, haben Sie überzeugt?

Weichler: Ich habe sehr viel Zeit in die Entwicklung investiert. Wir haben auch viele Jingles produziert, die gar nicht auf der Produktionsliste standen. Ich wollte ein klares Gefühl dafür bekommen, wie der Sender in der Gesamtheit mit diesem Sounddesign klingen würde. Natürlich war auch hier meine Erfahrung als stellvertretender Programmdirektor von ganz großer Bedeutung. So kann ich auch z.B. redaktionelle Ausrichtungen, die Inhalte und die Sprache des Senders begreifen und dann zum Klingen bringen

RADIOSZENE: Was waren die Gründe, dass man sich wieder für Audiowerk Berlin entschieden hat und welche Teile des Creative Briefings wurden auf welche Weise berücksichtigt?

Schließ: Das Layout vermittelt gekonnt die Identität der DW als international agierendes Medienhaus das in einer immer unübersichtlicher werdenden Medienlandschaft seine Positionierung nachhaltig stärken möchte: Eine klare Klangsprache in einem attraktiven, modernen Design. Weitere Argumente für die Entscheidung waren:

Der Höreindruck des Audio-Designs ist zeitgemäß und zukunftstauglich, ohne zu sehr auf aktuelle Trends abzuzielen. Die Klangfarbe transportiert die Herkunft des Absenders und strahlt Internationalität aus. Die jeweiligen Vorspanne sind sehr präsent, kommen schnell auf den Punkt und bieten dennoch jeder der 30 DW-Sprachen genug Raum zur Entfaltung. Das Design ist insgesamt so gehalten, dass es den Erfordernissen der neuen Medien

gerecht wird und eine Durchdringung sämtlicher Vertriebswege von TV über UKW bis Podcast, Kurzwelle und mobile Dienste bruchlos möglich ist. Der Entscheidung für Audiowerk Berlin und den Komponisten Ulrich Weichler fiel in einem senderinternen Design-Gremium im Mai 2011 in großer Einmütigkeit nach „Blindverkostung“ der Vorschläge. Das heißt, niemand, der sein Votum abgab, kannte die Urheber der Layouts.

RADIOSZENE: Wie war das Gefühl für Sie, sich in einem neuen Pitch bewähren zu müssen, obwohl SIE schon erfolgreich mit der DW zusammengearbeitet haben?

Weichler: Nach fast zehn Jahren und zwei gewonnenen Ausschreibungen war es natürlich wichtig für mich, mit der Deutschen Welle zu arbeiten. Andererseits war es aber auch eine große Herausforderung, sich erneut auf den Prüfstand stellen zu müssen. Sehr wichtig war dabei für mich zu wissen, dass die Präsentation der eingereichten Layouts in einer Blindaudition durchgeführt wurde. Es ist eine große Wertschätzung, den Pitch zum dritten Mal hintereinander gewonnen zu haben.

„Persönliche Zusammenarbeit ist einfach kreativ“

RADIOSZENE: Wie lief die Zusammenarbeit während der Produktionsphase? Wieviel Einfluss hat die DW auf den Entstehungsprozess genommen?

Schließ: Das komplette Design-Paket entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Kreativteam der DW im Studio des Audiowerks Berlin. Die Endproduktion der einzelnen Elemente fand in den DW-Studios in Bonn und Berlin statt.

RADIOSZENE: Wie lief aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit? Wie wurde die Einhaltung der Vorgaben überwacht?

Weichler: Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle war und ist hervorragend. Wir sind während der Produktionsphase mittlerweile ein sehr eingespieltes Team. Während dieser Zeit waren Mitarbeiter der Deutschen Welle hier im Audiowerk Berlin anwesend. So wurden dann die Elemente vor Ort abgenommen und wir konnten gewünschte Bearbeitungen oder Veränderungen direkt präsentieren. Persönliche Zusammenarbeit ist einfach kreativ.

RADIOSZENE: Wie bewährt sich das neue Audio-Design in der Praxis?

Schließ: Zusammen mit dem neuen Corporate Design ging die Audioverpackung des Audiowerks Berlin bei der DW erstmalig am 6. Februar 2012 „on air“. Es gibt viele sehr positive Rückmeldungen aus den Redaktionen und von den einzelnen Produzenten. Es ist für das Kreativteam der DW natürlich eine besondere Bestätigung, wenn von dieser Seite Funktionalität und angenehmer Klang des Audiodesigns gelobt wird. Von vielen Partnersendern der DW werden vor allem die kompositorische Geschlossenheit und der hohe Wiedererkennungswert hervorgehoben.

RADIOSZENE: Was wäre für Sie die nächste große Herausforderung als Jingle- Produzent?

Weichler: Aktuell produzieren wir ein Jinglepaket für einen großen landesweiten AC- Sender. Danach würde ich sehr gerne bestimmte Nachrichten – und Kulturformate mit einem Sounddesign bedienen.

RADIOSZENE: Herr Dr. Schließ, Herr Weichler, wir danken Ihnen für das Gespräch.

XPLR: MEDIA Radio-Report