BBC braucht radikale Generalüberholung – berichtet die BBC!

ARD & ZDF schweigen über so etwas

bitterlemmerDie BBC macht vor, wie sich eine öffentliche Medieninstitution gegenüber der Öffentlichkeit zu verhalten hat. “Die BBC braucht eine radikale Generalüberholung”, heißt es – ja wo? – auf der Webseite der BBC höchstselbst. Bei den deutschen Staatssendern ist so etwas unvorstellbar.

Anlass für den Bericht in eigener Sache war eine Stellungnahme der “mitte-rechts” angesiedelten Denkschmiede “Policy Exchange”. Sie fordere eine massive Senkung der Kosten für Unterhaltung, Sportrechte und Showprogramme vor allem für junge Zielgruppen.

Policy Exchange halte den öffentlichen Rundfunkbetrieb für “überdehnt”, heißt es auf der BBC-Seite. Er müsse radikal reformiert werden, auch, um im “digitalen Zeitalter zu überleben”. Die BBC solle “Qualität über Einschaltquoten” stellen und Sport und populäre Unterhaltung den kommerziellen Kanälen überlassen.

Als Beispiel wird das Jahresgehalt für Star-Moderator Jonathan Ross von sechs Millionen Pfund jährlich genannt. “Das Problem ist weniger die Höhe als vielmehr die Art und Weise, wie die BBC in den Bieterring gestiegen ist”.

Der Bericht berücksichtigt auch die Gegenposition und zitiert BBC-Trustee Danny Cohen mit einer erfrischend ehrlichen Aussage. Junge Leute seien die “Zukunft der BBC und die Zukunft der Rundfunkgebühren”, so Cohen. “Wenn sie nicht zuschauen, es mögen und sich dafür engagieren – warum sollten sie dann später Gebühren zahlen wollen?”

Eine Reform der BBC dürfe außerdem nicht die Unabhängigkeit gegen unangemessenen politischen oder wirtschaftlichen Einfluss gefährden, heißt es beim BBC Trust.

Die Denkschmiede Policy Exchange machte deutlich, dass ihr an einem Weiterbestehen der BBC gelegen ist – trotz Veränderungen und Verkleinerung. “Das heutige britische Rundfunksystem wurde in den 50er Jahren geschaffen und kämpft heute mit den außergewöhnlichen Veränderungen des Digitalen Zeitalters”, sagte der Autor der Denkschrift, Mark Oliver. Die “analogen Institutionen” von damals seien heute “hoffnungslos veraltet”.

Oliver: “Wir brauchen ein dramatisches Umdenken, wenn wir weiter öffentlichen Rundfunk in einer gänzlich neuen Zeit anbieten wollen.”

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Nicht zu Unrecht gilt die BBC als eine der Stützen der britischen Demokratie. Im Gegensatz zu den deutschen Öffentlich-Rechtlichen geht sie auch mit Themen offen um, die die eigene Existenz betreffen. ARD und ZDF sind dagegen Stützen der zunehmend abgeschotteten Bürokratie. Auch die derzeitige Diskussion um die nächste Änderung des Rundfunkstaatsvertrages wird in den üblichen finsteren Hinterzimmern gefingert. Dabei handelt es sich um ein Thema von Belang. Es würde z.B. in den beginnenden Wahlkampf in NRW gehören, denn es sind ja die Bundesländer und vor allem die Staatskanzleien in den Landeshauptstädten, in denen das Rundfunksystem dirigiert wird. Aber schon eine solche öffentliche Debatte ist hierzulande kaum vorstellbar: Wo soll die Kontroverse herkommen, wenn doch alle Parteien letztlich einig sind, dass sie bestimmen wollen, wie die Sender organisiert und beaufsichtigt werden? Wer sollte sie in die Öffentlichkeit tragen, wenn doch ARD und ZDF in eigener Sache nur PR-Lyrik verbreiten, aber gewiss keiner kritischen Denkfabrik ihre Aufmerksamkeit widmen, schon gar keiner, die sich als “mitte-rechts” versteht, was in den gleichgeschalteten Hirnen der Staatsfunker ja eher Vernichtungsreflexe auslöst?

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de