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Neues Marketing für Digitalradio: Kann DAB+ Kult werden?

Von Inge Seibel-Müller

Digitalradio2012 BLM 555

„Digitalradio 2012 auf +Kurs“, unter diesem Motto trafen sich Mitte Juli auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) rund 200 Sendervertreter, Gerätehersteller, Marketingexperten, Netzbetreiber und Regulierer, um knapp ein Jahr nach dem Start der bundesweiten Digitalradioprogramme im DAB+-Standard ein aktuelles Resumee zu ziehen. 

In Deutschland gibt es bereits 246 Gerätetypen im Handel, die DAB+ empfangen können. 336.000 Geräte wurden 2011 verkauft, in diesem Jahr hofft man, die Millionenmarke zu knacken. Nach Schätzung des Medienunternehmens Regiocast sollen 2015 bereits 10 Millionen DAB+ Empfänger in deutschen Haushalten stehen. (Zum Vergleich: Die Zahl der UKW-Geräte in Deutschland wird auf 300 Millionen geschätzt).

Gemeinsam stark

Damit das neue Digitalradio auch wirklich eine Zukunft hat, müssen öffentlich-rechtliche und private Sender noch mehr als bisher an einem Strang ziehen. Darin waren sich alle Diskutanten einig. Für die kommenden Jahre wurde ein Masterplan erstellt: In Zukunft soll weniger der Verbreitungsweg als die Inhalte und der Mehrwertdienst der neuen Angebote verkauft werden. „Wir haben endlich gelernt, die Technik dem programmlichen Mehrwert unterzuordnen“, sagt Michael Reichert, Leiter des Projektbüros Digitalradio. Mit dem, was Sender, Gerätehersteller und Netzbetreiber bisher für die Zukunft des Digitalradios erreicht haben, ist Reichert sehr zufrieden. DAB+ sei ein Startup, kein Abschaltszenario. Dafür brauche es den entsprechend langen Atem:

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Digitalradio im Auto noch lange nicht serienmäßig

Sorge macht den DAB+-Befürwortern allerdings noch immer die mobile Nutzung. Laut Funkanalyse Bayern 2012 ist die Zahl der DAB-Empfangsgeräte im Auto in den letzten zwei Jahren lediglich um knapp zwei Prozent gestiegen. So glaubt auch die BR-Produktions- und Technikdirektorin Prof. Birgit Spanner-Ulmer, dass eine Marktdurchdringung nur mit Hilfe der Automobilindustrie zu erreichen sei:

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Erst 41 Prozent der Autohersteller bieten überhaupt eine Ausstattung mit Digitalradio an, ein weiteres Drittel denkt darüber nach. 20 Prozent haben noch keinen Plan. Die Professorin für Arbeitswissenschaften, die einige Jahre bei einem großen Autohersteller in der technischen Produktion arbeitete, will sich gemeinsam mit der BLM für eine bessere Marktdurchdringung bei der Autoindustrie einsetzen. Erstaunlicherweise war unter den zahlreichen Referenten kein Vertreter der Auomobilindustrie.

Immer noch bieten viele Autohersteller keine Option für ein DAB+ Geräte an.
Immer noch bieten viele Autohersteller keine Option für ein DAB+ Geräte an.

Kultig und sexy

„Suchen Sie nicht nach dem Alleinstellungsmerkmal, Sie finden es nicht. Setzen Sie auf Emotionen“, lautete der Rat von Josef Thaler, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur „sternthaler“ in München. Der Österreicher ließ sich von all den Erfolgsmeldungen seiner Vorredner am DABplustag nicht überzeugen: Visionen habe er bisher keine gesehen oder gehört. Es fehle der Steve Jobs der Branche. Das Logo der DAB-Kampagne „Radio der Zukunft“ missfällt ihm, denn Digitalradio sei kein Zukunftsprojekt, sondern Gegenwart. Die DAB-Geräte im Retrodesign schafften keine Kauflust und seien überhaupt nicht sexy. Bekanntheit sei gut, aber Kult, also Begehrtheit, sei wichtiger. „Verlassen Sie die Todeszone der Mitte, werden Sie „hype“, werden Sie wie auch immer … nur kein braver Musterschüler“, so Thaler:

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Respektable Ergebnisse in Bayern

Erfreuliches konnte BLM-Präsident Siegfried Schneider aus Bayern berichten: Laut Funkanalyse 2012 hören rund 200.000 Personen an einem durchschnittlichen Wochentag mindestens ein Digitalradio-Programm. Für Helwin Lesch, Leiter der Hauptabteilung Programmdistribution beim Bayerischen Rundfunk, war das eine sehr angenehme Überraschung:

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„Eine erstaunliche Erfindung. Aber wer sollte sie jemals benutzen wollen?“

Nein, kein Zitat zu DAB+. Das sagte 1877 US-Präsident Rutherford B. Hayes, als er zum ersten Mal ein Telefon sah.

Helmut G. Bauer, Moderator der Veranstaltung, Pionier des Privatfunks in Deutschland und bis Ende 2011 Geschäftsführer der DRD Digitalradio Deutschland GmbH hat viele vergangene Fehleinschätzungen bedeutender Persönlichkeiten in seinem Prolog „Rückblick aus der Zukunft“ zusammengetragen „Technischer Fortschritt trifft immer wieder auf Widerstand in der Bevölkerung“, sagt Bauer, „die einen sahen und sehen technische Entwicklungen als Bedrohung an, andere machen sich über neue Erfindungen lustig“. In einigen Jahren werde man genau so über die Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit dem Digitalradio lachen, ist sich Bauer sicher. Nach all den Jahren der mühevollen Vorbereitung freut sich Bauer über erste Erfolge und blickt schon in die Ferne: Auch in Südafrika und Thailand will man bald seine Erfahrungen mit Digitalradio nutzen:

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Links
Alle Vorträge und Videos der Veranstaltung: www.medienpuls-bayern.de
Quelle: hörfunker.de

Quelle Visual: gettyimages, istockphoto, pure

 

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