Marcus Japke Fall: Lynchjustiz

bitter lemmer klein

Ist der Kollege Markus Japke ein Kinderschänder? Ich habe keine Ahnung. Ich kenne zu dem Fall nur ein paar Textfetzen an Verdachtsberichterstattung. Kann sein, dass die stimmen, kann sein, dass die ein bisschen stimmen, kann sein, dass die sich als Unfug erweisen. Sicher weiß ich nur, dass Japke erledigt ist, egal, ob was dran ist an dem Vorwurf. Sollte was dran sein, wäre er zu Recht erledigt und ich würde ihm keine Träne nachweinen. Wäre nichts oder etwas anderes dran wäre ich dafür, dass der verantwortliche Staatsanwaltschaft mit seinem persönlichen Einkommen und seiner persönlichen Reputation für Schadensersatz sorgt und wegen folgenreicher Verstöße gegen seine Vorschriften eingesperrt wird.

Wobei die Schuld des Staatsanwalts mit dem heutigen Stand klarer auf der Hand liegt als die Schuld Japkes. Beweis: Die zahlreichen Fotos in den Zeitungen von Japkes Festnahme. Wo stammen die wohl her? Natürlich wissen die Fotografen und Kameraleute solche Termine von Justiz und Polizei, und es gehört nicht einmal besonders viel dazu, um in den Kreis der Eingeweihten zu gelangen. Die einzigen, die davon überrascht worden sein könnten, sind die Radiosender, was wiederum daran liegt, dass Radiosender die einzigen sind, die ihre journalistische Recherche auf den Rundruf bei den Polizeidienststellen bei Schichtbeginn beschränken und das Thema Journalismus ansonsten fast abgeschafft haben. Egal: Fotografen und Kameraleute standen nicht versehentlich zur Stelle, sondern waren, davon darf man ausgehen, von den Ermittlern bestellt worden, um maximale Prangerwirkung zu erzielen. Verstärkt haben die Ermittler die mit der Wahl des Zeitpunkts. Oder glaubt irgendjemand, es sei Zufall, dass Japke aus der laufenden Sendung geholt wurde? Hätte der Staatsanwalt nicht den Pranger gewollt, hätte er das Radio einschalten und bis zum Ende der Show warten können. Aber er wollte rein in die Show und daraus seine eigene Justizshow machen.

Das Delikt, um das es hier geht, eignet sich dafür besonders gut. Kindesmissbrauch ist ein Tabu. Wer unter Verdacht gerät, hat in der Öffentlichkeit schon verloren. Das Problem dabei ist nicht das Tabu, das finde ich sehr gut, weil Kindesmissbrauch einfach widerlich ist. Das Problem ist, dass die Anklagebehörde das Tabu für PR-Zwecke missbraucht.

Sollte Japke ein Kind missbraucht haben, gehört er ins Gefängnis. Aber erst dann, wenn das bewiesen und vor Gericht verhandelt ist. Dass die Staatsanwaltschaft die Rechte eines Verdächtigen missachtet, steht dagegen schon jetzt fest. Was bedeutet, dass die, deren Arbeitsgrundlage das Gesetz ist, das Gesetz nicht ernst nehmen.


Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist.

E-Mail: christoph@radioszene.de