– Werden unsere Kinder noch Radio hören?
– Wie kann das Radio für die Jungen wieder attraktiver werden?
– Wie wird das Radio in 10 Jahren „aussehen“?
Fragen, die uns Radiomacher beschäftigen – Ö3 Moderator Armin Rogl hat dazu Radioexperten sowie über 600 RadioHörerInnen befragt und dies in einem Buch analysiert: „Radio Future – die crossmedialen Zukunftsperspektiven des Radios“
Die Internetnutzung ist in den letzten 10 Jahren explosionsartig gestiegen (von ca. 40 auf 80% der Österreicher über 14 Jahren). Trotzdem bleibt die Radionutzung mit 200 Minuten pro Tag relativ stabil, weil Radio DAS ultimative „Nebenbei-Medium“ ist. Aber reicht das aus, um auch in Zukunft attraktiv zu bleiben, oder muss sich das Radio der Zukunft nicht viel mehr konvergent weiterentwickeln?
Visualisierung?
Alleine durch die technische Entwicklung der Radio Apps auf Smartphones mit hochauflösenden Displays, der Internetradios oder auch der DAB+ Empfänger mit Farbdisplay ist es klar, dass Radio visualisiert werden muss. Die Frage ist nur in welcher Weise, wie aufwändig und mit welchem Content?
Sehr beliebt sind unter den befragten RadiohörerInnen Wetterbilder, Veranstaltungstipps, Genre-Musikkanäle, Staukameras, regionale Inhalte oder Webcams. Egal welcher Inhalt, betont wurde von den Befragten immer, dass bei jeder erdenklichen technischen Neuerung der Faktor der einfachen Bedienung das Wichtigste bleibt.
Radio zum Mitmachen? Partizipative Schnittstellen?
Über 74% der befragten Personen würden „sehr gerne bis eventuell“ Programm mitgestalten. Aber nur 30% würden tatsächlich mindestens einmal pro Monat Fotos, Videos oder Audiomaterial an ihren Lieblingssender schicken.
Radio war seit jeher partizipativ. Kein anderes Medium hat so schnell mit Hörern interagieren und telefonieren können wie das Radio. Seit sich Social Media wie Facebook (65% der Befragten nützen Facebook mehrmals täglich, für 69% ist Facebook nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken) immer mehr ausbreitet ist allerdings ein eindeutiger Trend erkennbar. Dieser lautet: mehr Postings und weniger Anrufe bei Radiosendern, wie das Albert Malli, stv. Ö3 Chef, auch im Experten-Interview bestätigt hat.
Es wird schneller online kommentiert, als tatsächlich Content produziert und gemailt. Dazu diente die Frage ob Hörer gerne selbst Stars interviewen möchten als kleiner Test: was eigentlich einen großen Anreiz darstellen sollte, Stars unter vier Augen zu treffen, wurde nur zu 39% bejaht.
Radio ist ein sehr passives Medium, bei dem es die Hörer noch immer wenig gewöhnt sind mitzumachen. Man wartet darauf, was präsentiert wird, ähnlich dem Lieblingswirtshaus, in dem der Koch weiß, was er seinen Stammgästen auftischen soll.
Social Media ist ein großartiger „Rückkanal“ für das Radio und jeder Radiomacher wird bestrebt sein, seinen Hörern (vor allem im jüngeren Zielsegment) die gewohnte Marke auch in einer neuen Heimat wie zum Beispiel Facebook anzubieten.
Wie wird das Radio der Zukunft verbreitet?
Wird Radio in 10 Jahren nach wie vor via UKW, digital über DAB+ oder über das Internet übertragen? Den Konsumenten ist dies laut der in dieser Arbeit durchgeführten Umfrage egal. Zwei Drittel der Befragten haben schon mal und nutzen noch immer Radio via Internet. Dies geschieht auch zu Hause, wobei der Großteil keine neuen Sender, sondern die gewohnten Lieblinge auch via Stream hört.
Dem zweiten Start des digitalen, terrestrischen Rundfunks in Deutschland in DAB+ im August 2011 wird nach dem katastrophalen Start von DAB 1995 wenig Chance gegeben. Es gibt einfach zu wenig Nutzen für die Konsumenten im Vergleich zu den sehr hohen Kosten. (Mindestens 100 Euro für jedes von durchschnittlich 5 Empfangsgeräten im Haushalt.) Sollte dennoch auf Druck der EU auf digitales Broadcasting umgestellt werden, ist eher mit einer Verringerung der Tagesreichweiten zu rechnen. Eine Möglichkeit wäre die Entwicklung von Hybrid-Radios, die alle Übertragungsstandards beherrschen. Für kleinere Sender (in wachsenden Breitband Mobilfunknetzen, egal ob LTE oder WIMAX) lohnt sich Streaming über das Internet, für Sender mit größerer Hörerzahl ist noch immer UKW oder eben auch zusätzlich DAB+ wirtschaftlicher.
Podcasts sind eindeutig ein Auslaufmodell. beziehungsweise sie bleiben noch einige Zeit auf dem momentanen Nutzlevel, wie die Radioexperten unisono bestätigt haben. In der Radioumfrage dieses Buches hat die Hälfte der Befragten noch nie Podcasts genutzt und zu den regelmäßigen Nutzern (mindestens 1 Mal pro Woche) zählen nur 11%.
Auch bei der Bewertung nach Schulnoten ist On-Demand-Radio mit der Note 2,49 weit schlechter ausgestiegen als Live-Radio mit der Bestnote 1,41.
Radio Apps sind, wie auch in den Experteninterviews bestätigt, ein Muss für Radiosender. Sie dienen aber mehr als Marketinginstrument, weil Hörer gerne das Logo ihres Lieblingssenders am Handy haben oder jederzeit hören könnten wenn sie wollten. Tatsächlich werden viele Radio Apps heruntergeladen, aber nur 8% werden täglich zum Radio hören genutzt. Weniger als ein Drittel verwendet sie regelmäßig, laut der durchgeführten quantitativen Umfrage, die sich auch mit den Aussagen der Radioexperten deckt.
Zusammenfassung: Was ist der große Auftrag des Radios der Zukunft?
Radio hat dem Hörer eine Heimat zu geben.
Egal über welche Übertragungsart und in welchem Medium mit dem jeweils adäquaten Storytelling. Es ist für die Radiosender wichtig, neue mediale Entwicklungen mitzumachen, wie vor einigen Jahren Podcasts anzubieten oder heute in Social Media vertreten zu sein.
Die grundsätzliche Nutzung des Mediums Radio wird sich dadurch in naher Zukunft nicht grundlegend ändern, äquivalent zum Lebensmittelhandel, der Samstags geöffnet haben muss, wodurch im Gesamten aber nicht mehr Lebensmittel verkauft werden als zuvor.
Das Radio muss auch in der Zukunft einfach zu bedienen sein und für den Hörer aus dem Überfluss an Informationen nur das Relevante filtern. Außerdem erwartet er nach wie vor von „seinem/seiner“ Moderator/in die Präsentation seiner „richtigen” Musik.
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Braucht das Radio der Zukunft mehr visuelle Reize und mehr Partizipation à la Social Media? Wie wird es in Zukunft übertragen, nach wie vor via Broadcast auf UKW, digital über DAB, terrestrisch oder nur mehr als Stream im Internet? Interessieren sich die Hörer überhaupt dafür?
Die Reise in die Radio-Zukunft beginnt in der Vergangenheit bei Bert Brechts Radiotheorie und über H.G. Wells, zu Social Media, Convergence Culture, Transmedia Storytelling bis zum produzierenden Konsumenten.
Das Buch „Radio Future – die crossmedialen Zukunftsperspektiven des Radios“ von Armin Rogl ist bei Amazon erschienen. Es hat 144 Seiten, kostet EUR 14,90 und kann hier direkt online bestellt werden (Bezahlter Link).