Medientreff NRW 2011: Programme, Profile und Perspektiven

Medientreff2011 bigEtwa siebzig Lokalfunk-Programmmacher und -verantwortliche haben sich am 13. und 14. September in Bad Honnef mit aktuellen Trends in den Bereichen Publikum, Programm und Personalentwicklung auseinandergesetzt. Dabei standen vor allem aktuelle Entwicklungen der Mediennutzung im Vordergrund und die Frage, welche Rolle das noch überwiegend analog ausgestrahlte Medium Hörfunk im digitalen Zeitalter spielen wird. Der 3. Medientreff NRW wurde gemeinsam vom Katholisch-Sozialen Institut und der MedienQualifizierung GmbH veranstaltet, unterstützt vom Verband Lokaler Rundfunk NRW und der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM).

Der nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretär Marc Jan Eumann lobte in seinem Grußwort den Lokalfunk und das Zwei-Säulen-Modell in Nordrhein-Westfalen. Er betonte aber zugleich, die regionale und lokale Kompetenz müsse zentrales Alleinstellungsmerkmal bleiben, um sich in der digitalen Medienwelt behaupten zu können. „Wir brauchen auch in Zukunft Vielfalt“, forderte Eumann in Bad Honnef und warnte vor gefährlicher Meinungsmacht, die drohe, falls der Wettbewerb versage. Mit Verweis auf die enormen Auflagenverluste der Tageszeitungen räumte der SPD- Medienpolitiker allerdings ein, dass noch immer ungeklärt sei, welche journalistischen Angebote im Internetzeitalter „weiter funktionieren“ können.

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Der Leiter der MedienQualifizierung GmbH, Dr. Hans Paukens, warnte zu Beginn der Tagung im Katholischen-Sozialen Institut (KSI), auch der Hörfunk drohe beim jungen, Internet-affinen Publikum an Reichweite zu verlieren. Beispielsweise hätten 10- bis 19-Jährige das Radio mit durchschnittlich etwa zwei Stunden täglich nur etwa halb so lange eingeschaltet wie die Gruppe der Nutzer ab 50 Jahren. Angesichts solcher Entwicklungen und des demografischen Wandels seien dringend neue Programm- und Personalentwicklungsstrategien für den lokalen Hörfunk gefragt.

Thomas Pohne, der beim Kölner Marktforschungsinstitut Rheingold das internationale Geschäft leitet, wies auf die großen Vorteile des Hörfunks im Vergleich zu anderen Medien hin. So gelte das Radio als wertvolles und nahezu ständig verfügbares Begleitmedium, das es den Menschen erleichtere, den Alltag zu strukturieren, wechselnde Gemütszustände aufzufangen und eine „Verbindung von Ich und Welt“ herzustellen. Pohne nannte den Hörfunk ein „offenes Medium“ mit „hoher Kontaktqualität“ und deshalb großem Werbepotenzial. Allerdings seien die Werbespots im Radio meist zu marktschreierisch, was die Gemütsverfassung der Hörer irritiere.

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Auch Britta Frielingsdorf, die beim WDR-Hörfunk die Abteilung Zentrale Aufgaben leitet, pries das Radio als „Mood Manager“, der „small and simple“ überall mobil empfangbar und nutzbar sei. Bei der Programmgestaltung gehe es immer mehr darum, an Lebensgefühle statt wie früher an Lebensstile anzuknüpfen. Dabei gewinne angesichts der herrschenden Globalisierung der Begriff Heimat an Bedeutung. Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, ist ähnlicher Ansicht und betonte, es gelte, die Rezipienten über möglichst viele Kanäle zu erreichen. Pauls bezeichnete die Kölner Unternehmensgruppe DuMont Schauberg, die an sieben nordrhein- westfälischen Lokalfunkstationen beteiligt ist, als regionalen „Vollsortimenter“. Deshalb werde auch das lokale Online-Engagement verstärkt.

Katrin Rehse, Chefredakteurin von Radio Leverkusen, versuchte im Expertengespräch mit Britta Frielingsdorf, Thomas Pohne und Peter Pauls herauszufinden, wie sich der Lokalfunk im Online-Zeitalter positionieren muss. Dabei stellte sich schnell heraus, dass einfache Patentrezepte nicht zu haben sind. Gründe dafür liegen in der zunehmenden Individualsierung der Gesellschaft und der damit verbundenen Auflösung klassischer Zielgruppen und lokaler Kommunikationsräume sowie im Verschmelzen medialer Gattungen.

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Einigkeit herrschte bei den meisten Experten des Medientreff NRW 2011 darin, dass für das Internet noch immer geeignete Geschäftsmodelle fehlen. Social-Media- Angebote wie Facebook oder Twitter helfen die Hörerbindung und Markenbildung zu unterstützen, versprechen aber noch keine Gewinne. Thorsten Kabitz, Chefredakteur von Radio RSG, rechnete zwar vor, alle Lokalfunkstationen in Nordrhein-Westfalen kämen insgesamt auf mehr als 120.000 Facebook-Freunde. Martin Kunze, Programmdirektor von Radio NRW, wandte aber ein, diese Zahl sage nichts über die Aktivität dieser Lokalfunk- und Facebook-Nutzer aus. Auch Britta Frielingsdorf zeigte sich hinsichtlich schneller Facebook-Erfolge eher skeptisch. Allerdings sei das Social-Media-Angebot gut als Rückkanal für die Hörer geeignet.

„Wir tun uns momentan schwer mit Konzepten fürs Internet“, bekannte Uwe Peltzer, der als Geschäftsführer von PFD Pressefunk die Lokalfunk-Beteiligungen der Unternehmensgruppe rund um die Rheinische Post in Düsseldorf leitet. Die Erlöserwartungen für Facebook-Aktivitäten bezeichnete er als „sehr gering“. Ole Søndergaard, Geschäftsführer von Radio ABC im dänischen Randers, ist ähnlicher Ansicht. Facebook sei kein Geschäft, sondern nur ein Marketinginstrument. Eine andere Meinung vertrat Peter Berendsen. Der Leiter des niederländischen Regionalprogramms von Optimaal.FM betonte, wer sich nicht für New Media interessiere, könne beim Hörfunk keinen Erfolg haben. Sein 15-köpfiges Radio-Team, das mit der Westmünsterlandwelle kooperiert, setzt in der Region Ost-Gelderland konsequent auf Facebook und Twitter, um auf lokale News und Gewinnspiele hinzuweisen.

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Die meisten nordrhein-westfälischen Lokalfunkanbieter agieren im Internet bislang noch sehr vorsichtig. Wolfgang Schmitz-Vianden, der beim Bonner General-Anzeiger die Bereiche Online und Lokalfunk verantwortet, wies darauf hin, dass allein die Website General-Anzeiger online so viele Page Impressions verzeichne wie alle nordrhein-westfälischen Lokalfunkseiten im Internet zusammen. Radio-NRW- Geschäftsführer Udo Becker forderte deshalb für den nordrhein-westfälischen Lokalfunk, alle Beteiligten müssten „schneller und innovativer“ werden. Zumindest in einem Online-Bereich ist dies schon der Fall: So lassen sich mittlerweile fast alle Lokalfunkprogramme im Internet per Live-Streaming verfolgen. Ganz hoch im Kurs stehen zurzeit auch zusätzliche Übertragungen auf Smartphones, wie sie durch Apps fürs iPhone möglich sind.

Eva Echterhoff, Chefredakteurin von Radio K.W., befragte auf dem Podium die Gäste Søndergaard und Berendsen nach deren Rezepten, um Hörer „möglichst süchtig aufs Programm“ zu machen. Die beiden Radio-Manager berichteten, in Dänemark und den Niederlanden herrsche eine deutlich größere Konkurrenz auf den Lokalfunkmärkten. Die Folge davon: lautere und schnellere Programme, eine geringere Bezahlung für feste wie freie Mitarbeiter und weniger strenge Grenzen zwischen Programm und Werbung, Redaktion und Spot-Verkauf. Die beiden Experten aus dem Ausland betonten schließlich einhellig, das Wichtigste seien junge, motivierte Radiomacher und lokale Inhalte.

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„Der Begriff des Lokalen muss heute weiter gefasst werden als früher“, plädierte Stefan von der Bank dafür, Redaktionen zu motivieren, über das eigene Verbreitungsgebiet hinauszuschauen. Der Vorsitzende der Veranstaltergemeinschaft von Radio Erft und Leiter des KSI-MedienkompetenzZentrums argumentierte, im Rhein-Erft- Kreis komme die Lokalfunkredaktion gar nicht daran vorbei, dass die Hörer auch ein starkes Interesse am Geschehen in der Metropole Köln hätten. Außerdem sei es wichtig, globale und nationale Themen auf die lokale Ebene „herunterzubrechen“.

Bei der Themensuche sei vor allem die Frage wichtig, was den Hörer tatsächlich beschäftige, sagte Martin Kunze. Der Radio-NRW-Programmdirektor berichtete, seine Redaktion in Oberhausen habe inzwischen einen „Generation-Desk“ eingerichtet. Dort würden jüngere und ältere Journalisten gemeinsam neue Themen und Berichte bearbeiten. So könnten junge wie alte Hörer gleichermaßen angesprochen werden. Kunze nannte dieses Konzept einen „moderierten Interessenausgleich“.

Dr. Matthias Kurp

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 Der nächste Medientreff findet am 04. und 05.09.2012 statt.